Die deutsche Box-Szene kränkelt. Einen Weltmeister aus Deutschland gibt es derzeit nicht. Große Namen wie einst Henry Maske oder Sven Ottke haben längst aufgehört. Doch ein Mann will das deutsche Boxen wiederbeleben. Ingo Volckmann, Besitzer des Fußball-Dritt­ligisten Atlético Baleares, hat im vergangenen Jahr den Berliner Boxstall Agon Sports gegründet. Mit dem ehemaligen Weltmeister Jack Culcay hat der 51-Jährige einen der besseren deutschen Boxer im Team. Die MZ sprach mit Volckmann über die Pläne seines ehrgeizigen Projekts, die Auswirkungen für Mallorcas Fußballclub und seinen Geschäftssinn.

Ist Ihnen Fußball zu langweilig, dass Sie nun die Action im Boxen suchen?

Ich war schon lange am Überlegen, einen eigenen Boxstall zu gründen. Boxen liegt mir sogar mehr als Fußball, da ich selbst 30 Jahre lang als Kickboxer aktiv war. Ich besitze schon seit zehn Jahren ein Fitnessstudio in Berlin. Das

haben wir gerade neu renoviert mit einem Boxring und allen nötigen Geräten.

Wie kam es dann zu Agon Sports?

Ich hatte mich lange mit Jack Culcay unterhalten. Er hat mir von seinem Training erzählt. Für einen ehemaligen Weltmeister fand ich das wenig, wenn ich das mit meinen Fußballern vergleiche. Die machen Höhentraining und bekommen von einem deutschen Spezialisten die Herzfrequenz gemessen, um Verletzungen vorzubeugen. Da werden wir immer professioneller. Jack hatte sich gerade von seinem Boxstall Sauerland getrennt, und ich habe ihm gesagt: „Lass uns durchstarten!" Mit Thorsten Schmitz, dem ehemaligen Trainer von Regina Halmich, habe ich einen guten Coach und noch ein paar weitere Boxer ins Boot geholt. Wir arbeiten mit dem Olympiastützpunkt in Potsdam zusammen, die uns Trainingspläne erstellen und Daten analysieren. Ein Ernährungsberater fehlt noch. Denkbar ist auch ein Fitnessstudio im Estadi Balear, das wir gerade renovieren. So können die Boxer dann zum Trainingslager auf die Insel kommen.

Deutschlands bekanntester Boxstall Sauerland ist seit Jahren in der Krise. Setzen Sie den ehemaligen Branchenprimus k.?o.?

Über deren Zustände habe ich keine Ahnung. Ich versuche, mich selbst auf dem Markt zu etablieren. Da gibt es immer Mitbewerber. Ich nehme den anderen Boxställen aber keine Profis weg, die noch unter Vertrag stehen.

Was sind Ihre Ziele?

Oben angreifen. Ich will einen deutschen Weltmeister hervorbringen. Jack Culcay hat für uns im Juni in Leipzig schon den EM-Titel geholt. Nach seinem Sieg am Samstag (22.9.) in Potsdam gegen Rafael Bejaran muss er in den nächsten fünf Monaten einen Ausscheidungskampf austragen. Wenn er den gewinnt, kann er den Weltmeister um den IBF-Titel im Mittelgewicht herausfordern.

Bei Sauerland ist der 33-Jährige nach zwei Niederlagen entlassen worden.

Aus meiner Sicht hätte er die Kämpfe nicht verlieren dürfen, da er der bessere Boxer war. Das hat auch Box-Kulttrainer Ulli Wegner so analysiert. Aber die Ringrichter haben es anders gewertet. Bei den Boxverträgen ist es gang und gäbe, dass ein Sportler nach einer bestimmten Anzahl an Niederlagen entlassen werden kann.

Der Erfolg eines Boxstalls hängt stark von der Zusammenarbeit mit TV-Sendern ab. Wie sieht es da aus?

Eine Boxnacht kostet 150.000 Euro. Die Zeiten sind schlecht derzeit, was die Fernsehübertragungen betrifft. Sport1 und MDR übertragen immer mal was. Wir hatten bei unserem Event einen Zuschuss vom RBB. Ich hoffe, dass bald wieder die großen Sender aufspringen. Laut einer Umfrage des „Focus" wollen 80 Prozent der Deutschen mehr ­Boxen im TV sehen. RBB war mit den Quoten der Übertragung unserer Boxnacht zufrieden: 120.000 Zuschauer im Schnitt im Sendegebiet, 360.000 bundesweit.

Der Boxclub ist Ihr jüngster Sprössling. Haben Sie jetzt den Erstgeborenen, Atlético Baleares, weniger lieb?

Nö, Atlético Baleares ist jede Woche ein Herzschlag. Abhängig vom Ergebnis bekomme ich gute oder schlechte Laune. Boxen ist nur drei, vier Mal im Jahr. Da würde ich gerne mehr machen und mittrainieren.

Sie steigen auch selbst in den Ring?

Mit Freunden, klar. Richtige Kämpfe darf ich aber nicht mehr machen. Mit Ü50 lässt man mich gar nicht mehr in den Ring.

Der Saisonstart von Atlético Baleares hätte besser laufen können...

Ärgerlich ist, dass wir in vielen Spielen geführt und dann den Sieg noch hergeschenkt haben, obwohl die Abwehr eigentlich unser Prunkstück ist. Mit der Leistung bin ich zufrieden, mit den Ergebnissen nicht.

In einem Interview mit der „Berliner Zeitung" sagten Sie, dass Sie mit dem Sport kein Geld verdienen.

Wenn ich plus/minus null komme, bin ich glücklich. Dafür müsste Atlético Baleares aber in die zweite Liga aufsteigen. In der dritten Liga verliere ich jährlich eine nicht unerhebliche Summe Geld, da ich auch immer ein Team mit Aufstiegsambitionen zusammenstelle. Zudem unterscheiden sich die Sponsorengelder von Liga zu Liga. In der dritten Liga liegen die um die 100.000 Euro, in der zweiten Liga gibt es mit Fernseh­geldern an die sieben Millionen Euro.

Was ist Ihr Kerngeschäft?

Ich habe mit Lunos Lüftungstechnik in Deutschland eine Fabrik, die Lüfter herstellt. Die habe ich vor 15 Jahren mit zehn Mitarbeitern aus dem Konkurs gekauft. Jetzt habe ich 80 Mitarbeiter. Die Firma erlaubt mir den Spaß mit dem Fußball und Boxen. Zudem besitze ich sechs Hotels - fünf in Berlin und eines in Cala Millor. Vor ein paar Monaten habe ich noch eine Fabrik in Lloseta gekauft, die Wasser für Wasserspender bereitstellt. Dieses Unternehmen erinnerte mich an Lunos. Die Fabrik ist ähnlich heruntergekommen. Ich hoffe, dass die Idee mit der eigenen Wasserquelle erfolgreich wird. Wobei der Erfolg von Lunos einmalig ist.

Sie haben mit Ihrem Geld zwei Firmen und einen Fußballclub gerettet. Haben Sie ein Helfersyndrom oder das richtige Näschen für die Marktlücke?

Als Nächstes rette ich Deutschland...Ein kleines Helfersyndrom habe ich. Ich habe schon in Guatemala Häuser für Bedürftige gebaut. Investitionen müssen aber sinnvoll sein. Ich sehe das als mögliches Geschäft. Das Boxen in Deutschland ist derzeit am Boden. Es ist der richtige Zeitpunkt, um einzusteigen.