Ein Tornado hätte beinahe die Karriere von Adrián Abadía beendet, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Im Alter von sechs Jahren hat der heute 16-Jährige mit dem Wasserspringen angefangen. „Ich habe ein Probetraining in der Schwimmhalle von Son Moix absolviert und wollte am nächsten Tag wiederkommen", sagt er. Das Problem: Die Hälfte der Halle war weg. Ein heftiger Sturm hatte im Oktober 2007 das Dach des Gebäudes und einige Wände zum Einsturz gebracht. Erst zwei Jahre später nahm Abadía einen neuen Anlauf, der ihn weit brachte. Heute ist er eines der größten Talente im Wasserspringen und vertritt Spanien bei den Olympischen Jugend-Sommerspielen, die am Samstag (6.10.) in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires starten.

Die Spanier mögen zwar Wasser, den Sprung in selbiges aber nicht besonders. Noch nie hat Spanien in dieser Sportart bei den Olympischen Spielen eine Medaille gewonnen. Auch der Nachwuchs zeigte sich lange erfolglos. Bis Adrián Abadía 2017 eine 14 Jahre andauernde Durststrecke beendete. Der Mallorquiner mit kolumbianischen Eltern holte erstmals wieder Gold bei der Junioren-EM - und das gleich doppelt. Abadía siegte vom Einmeter- und Dreimeterbrett. Bei der diesjährigen EM kam eine Goldmedaille im Synchronspringen mit seinem ebenfalls mallorquinischen Partner Matthew Wade vom Dreimeterbrett hinzu.

Gewissermaßen Vater des jüngeren spanischen Erfolgs ist Donald Miranda. Der 45-Jährige aus Turin war früher selbst professioneller Wasserspringer. 2005 stellte ihn der balearische Verband als Trainer ein. Durch gute Arbeit hat er es bis zum Posten des Nationaltrainers geschafft. „Ich bin aber die ganze Zeit auf Mallorca und verständige mich per Telefon mit den anderen Trainern." Zumal er auf der Insel mit Abadía und dem 18-jährigen Wade seine zwei größten Talente hat. Oder besser gesagt hatte. ­Matthew Wade hat wegen seiner Leistungen im Wasserspringen ein Stipendium der Universität von Tennessee in den USA bekommen, wo er Eventmanagement studiert. Somit geht Adrián Abadía sein Synchronpartner flöten. „Ich vermisse ihn nicht nur beim Training, sondern auch in der Schule", sagt der 16-Jährige. Ohne Matthew Wade konnte der Mallorquiner bei der Junioren-WM Ende Juli nur in der Individualdisziplin antreten, in welcher es zum achten Platz reichte. „Im Synchronspringen wäre eine Medaille drin gewesen", meint der Trainer. „Das wäre die erste spanische Junioren-WM-Medaille seit 1987 gewesen. Das weiß ich so genau, weil ich damals selbst als Jugendlicher für Italien gesprungen bin und ein Spanier mich besiegte."

Dass sein Schützling nur aus kleinen Höhen springt, ist den Gegebenheiten geschuldet. „Angst habe ich vor dem Zehnmeterturm nicht, nur gesunden Respekt", sagt Adrián Abadía. Vor dem Tornado 2007 gab es den Turm im Schwimmbad von Son Moix. Heute gibt es nur noch einen im Außenbecken des Schwimmbads Son Hugo. „Den können wir aber nur im Sommer nutzen. Zudem ist die Außenanlage bis 2020 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen", sagt Donald Miranda. Das schränkt Abadías Möglichkeiten ein. Nur der Sprung vom Dreimeterbrett und dem Zehnmeterturm sind olympische Disziplinen. „Ein Wechsel auf den Turm ist schwierig", sagt der 16-Jährige. „Das Sprungbrett hilft beim Absprung. Von der festen Plattform des Turms braucht man viel mehr Kraft in den Beinen."

Immerhin mildert die geringere Sprunghöhe den Schmerz bei vermasselten Sprüngen. „Davon hatte ich zum Glück noch nicht so viele", sagt Adrián Abadía. Seine Stärke ist der zweieinhalbfache Auerbachsprung. Bei diesem springt er mit dem Gesicht nach vorne ab und dreht sich rückwärts. „Natürlich gehört auch etwas Talent dazu, aber Adrián ist ein harter Arbeiter. Er trainiert drei Mal mehr als alle anderen. Dazu gehört auch die mentale Fähigkeit, das auszuhalten", sagt Donald Miranda. „ Er redet zudem nicht viel, sondern springt einfach."

Acht Trainingseinheiten absolviert der 16-Jährige jede Woche. Sein Tag ist ein einziges Pendeln zwischen der Schule für Leistungssportler im Sportzentrum Príncipes de España und der Schwimmhalle von Son Moix. „Freizeit habe ich so gut wie keine. Die muss man halt für den Sport opfern." Sein Trainer sieht das nicht so dramatisch. „Andere Jugendliche gammeln den ganzen Tag vor der Playstation rum. Das ist nicht wirklich besser."

Die finanziellen Aussichten einer Profi­karriere sind gemessen an dem Aufwand nicht sonderlich rosig. „Sponsoren gibt es kaum, was an der geringen medialen Aufmerksamkeit liegt", sagt Miranda. „Der Sport kann aber - wie im Fall von Matthew Wade - für Stipendien und somit einen Studienplatz sorgen." Dass er mit einem Studium einen Plan B haben muss, ist Adrián Abadía klar. „Ich habe aber derzeit noch keinen blassen Schimmer, in welche Richtung ich da gehen soll."

Klarer sind seine sportlichen Ziele. „Der Traum ist eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020." Es qualifizieren sich die ersten zwölf der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr und weitere 18 Wasser­springer beim Weltcup, der 2020 in Tokio im gleichen Becken wie später bei den Olympischen Spiele ausgetragen wird. „Das erste Etappenziel ist die Teilnahme an der WM", sagt Miranda. „Bereits in diesem Jahr hätte Adrián bei der Europameisterschaft der Erwachsenen dabei sein können, ich wollte ihm im Sommer aber eine Pause gönnen."

Daher tritt er nun ausgeruht bei den Olympischen Spielen der Junioren an. Im Gegensatz zur WM kann nur ein Springer jedes Landes teilnehmen. Daher schielt Adrián Abadía trotz des eher schwachen Abschneidens bei der Junioren-WM gen Podium, wenngleich sein Trainer die Erwartungen drosselt. „Er springt in der Alterskategorie 16 bis 18 Jahre und ist der jüngste Teilnehmer. Der Altersvorsprung macht im Wasserspringen viel aus." Der

Mallorquiner lässt sich davon nicht entmutigen. „Wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann halt das nächste Mal."