Atlético Baleares gilt als Arbeiterverein. Die Fans kommen aus vermeintlich ärmeren sozialen Schichten und bevorzugen es, wenn die Akteure auf dem Rasen Einsatz zeigen. Eine ordentliche Grätsche wird meist mehr bejubelt als ein anschaulicher Trick mit dem Ball. Samuel Shashoua passt eigentlich so gar nicht in dieses Anforderungsprofil des spanischen Drittligisten. Der Brite ist mit dem Ball am Fuß wohl einer der gefährlichsten Spieler der Liga. Laufen und verteidigen machen ihm aber sichtbar keinen Spaß.

Shashoua kommt aus London. Er ist der Sohn eines Engländers und einer Venezolanerin, daher spricht er auch fließend Spanisch. „Das ist bei Ausländern ein wichtiges Thema", sagt Patrick Messow, Sportdirektor vom Atlético Baleares. „Sonst kann es schnell zu Problemen kommen." Anpassungsschwierigkeiten hatte der 19-Jährige keine. Er hat eine Wohnung in der Nähe des Stadions gefunden, die er mit seinem Mitspieler Nacho Heras teilt. Zum Training geht er stets zu Fuß, einen Führerschein hat er noch nicht.

Shashoua wollte schon immer in Spanien spielen. Für einen Engländer ein eher seltener Wunsch. In den ersten drei Ligen Spaniens spielt jeweils nur ein weiterer Brite.

Vom Spitzenclub ausgeliehen

Samuel Shashoua wurde in der Jugendakademie des englischen Spitzenclubs Tottenham Hotspur ausgebildet. Für die Premier League-Mannschaft saß er in der vergangenen Saison nur ein Mal auf der Bank. In dem Jugendteam Youth League, der Champions League für Nachwuchsmannschaften, gehörte er zum Stammpersonal.

Atlético Baleares ist die erste Station im Herrenfußball für das Nachwuchstalent. Seine Berateragentur, die unter anderen auch Real Madrids Superstar Gareth Bale vertritt, suchte für Samuel Shashoua im Sommer ein neues Team auf Leihbasis. „Wir wollten schon seit Langem mit großen Clubs zusammenarbeiten", sagt Messow. „Der Berater hatte uns schon mehrere Spieler vorgeschlagen, mit Samuel Shashoua hat es dann endlich geklappt." Der deutsche Sportdirektor schaute sich Spiele des Engländers an und erkundigte sich bei den deutschen Teams, die in der Youth League gegen Tottenham gespielt hatten. „Was ich gesehen und gehört habe, hat mir gefallen. Es war klar, dass Shashoua viel Qualität hat. Dass die Eingewöhnung dann so schnell verlief, hat uns überrascht."

Quirlig, aber schmächtig

Es dauerte nur zwei Wochen, ehe er sich beim Drittligisten einen Stammplatz erkämpft hatte. „Mittlerweile ist er sehr wichtig. Er macht den Unterschied aus und die Mitspieler suchen ihn", sagt Messow. In zehn Spielen für Atlético bringt es Shashoua auf drei Tore und zwei Vorlagen. Bei Atlético Baleares kommt der Angreifer meist über die Flügel. „Wenn er den Ball hat, dann passiert was", beschreibt Messow die Stärken des 19-Jährigen. Mit einer Größe von 1,77 Metern ist Shashoua quirlig. Mit schnellen Bewegungen im Dribbling verwirrt er oft seine Gegenspieler und verschafft sich somit Platz. Doch dafür braucht er den Ball am Fuß. Ist das nicht der Fall, wirkt der Engländer, der es auf 16 Einsätze für die englischen Jugendnationalmannschaften bringt, teilnahmslos. „Im Zweikampfverhalten muss er noch zulegen", gesteht auch Messow ein. Shashoua ist schmächtig und im direkten Duell mit den ausgebufften Spaniern meist unterlegen. Statt in der Verteidigung mit auszuhelfen, bleibt er daher meist einfach vorne stehen. „Wenn er noch mit zurück arbeiten würde, dann würde er bereits jetzt in der ersten Liga spielen", sagt Messow.

Wie lange noch auf der Insel?

Laut spanischer Medien hat sich Shashoua bereits jetzt auf die Wunschliste von anderen Vereinen gespielt. Atlético hat den Spieler für ein Jahr ausgeliehen. Ein Wechsel im Winter hält Messow für unwahrscheinlich. „Samuel hatte in der Vergangenheit Probleme damit gehabt, seine Leistung konstant abzurufen. Tottenham ist daran gelegen, dass sich der Spieler das ganze Jahr bei uns entwickeln kann. Wenn er weiter so spielt, hat Samuel im Sommer noch viel bessere Angebote."

Natürlich ist der deutsche Sportdirektor daran interessiert, dass der Engländer über den Sommer hinaus für Atlético Baleares spielt. „Wir wollen ihn hier noch viele Jahre sehen", sagte auch Clubeigentümer Ingo Volckmann kürzlich bei einer Pressekonferenz. Damit das realistisch wird, müsste Atlético Baleares wohl aufsteigen. „Bei Nicht-Aufstieg wird es schwierig, ihn zu halten", sagt Messow.

Der Traum vom Aufstieg

Vom Aufstieg wird bei Atlético Baleares in dieser Saison höchstens intern gesprochen. In der Vorsaison kommunizierte man offensiv, dass man in die zweite Liga will. Es kam anders und das Team rettete sich in größter Not am letzten Spieltag noch zum Klassenerhalt. In dieser Spielzeit ist Atlético Baleares besser gestartet, was eben auch an der erfrischenden Spielweise von Samuel Shashoua liegt. Statt krampfhaften defensiv ausgerichteten Fußball begeistert Atlético in dieser Saison mit Angriffspower. 13 Spiele in Folge hat der Club getroffen. Am Samstag (24.11.) riss die Serie. Trainer Manix Mandiola nahm den Engländer aus der Startelf und prompt verlor das Team auswärts mit 0:2 gegen Cornellà. Beim Stand von 0:1 konnte Shashoua, der für die letzten 25 Minuten eingewechselt wurde, nichts mehr retten.

Trotz der Pleite steht Atlético weiter mit dem vierten Rang auf einem Play-off-Platz. Am Sonntag (2.12., 12 Uhr) will der Drittligist wieder punkten. Dann geht es wohl mit Shashoua in der Startelf im Stadion von Son Malferit gegen Atlético Levante.