Trotz eines 1:1-Unentschiedens auswärts gegen Ontinyent am Sonntag (10.3.) hat Atlético Baleares die Tabellenführung in der dritten Liga behalten. Am Sonntag (17.3., 12 Uhr) empfangen die Mallorquiner den direkten Verfolger Villarreal B im Stadion von Son Malferit. Die MZ hat vor dem Spiel mit dem deutschen Torwart Carl Klaus (25) gesprochen.

Vergangene Saison fast abgestiegen, jetzt Tabellenführer: Was hat sich bei Atlético Baleares verändert?

Es ist bereits in der vergangenen Spielzeit gut gelaufen, als Manix Mandiola als Trainer angefangen hat. Er hatte schon damals im Durchschnitt zwei Punkte pro Spiel geholt. Damit ist man in unserer Liga in den Play-offs. Jetzt hatte der Trainer ein ganzes Jahr Zeit. Der Kader ist jetzt kleiner, wir haben viele neue Spieler bekommen, und das Klima in der Umkleidekabine hat sich verbessert. Wobei das abhängig vom Erfolg ist. Wenn man fast absteigt, gibt es auch mehr Gesprächsbedarf.

Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es. Ihr größter Konkurrent auf dem Torwartposten, Oinatz Aulestia, hat das Team verlassen. Dennoch spielen Sie ohne ihn im Nacken eine starke Saison...

Ich hatte in meinen ersten beiden Saisons hier immer die Chance zu spielen. Meist habe ich mich mit Aulestia abgewechselt, was im Profifußball sehr selten ist. In beiden Jahren haben mich Verletzungen gebremst: Im ersten Jahr ein Muskelbündelriss, im zweiten eine Augenverletzung. Aulestia hatte es in meiner Abwesenheit gut gemacht und sich festgespielt. Da kamen die Verletzungen zur falschen Zeit. Die sechs, sieben Wochen Pause haben mich zurückgeworfen. Durch die Spielpraxis habe ich nun viel Sicherheit gewonnen. Es gibt einfach Situationen, die man nicht trainieren kann. Zum Beispiel, wenn der Gegner in der letzten Minute alles nach vorne wirft und eine Flanke in den Strafraum kommt. Diese Anspannung kann man nicht simulieren. Dein Fehler kann zum Ausgleich führen. Dann hat es jeder gesehen, und es ist deine Schuld.

Hat Ihre Stärke auch mit der Gewissheit zu tun, dass Sie nun der unangefochtene Stammtorhüter sind?

Diese Gewissheit hat höchstens ein Manuel Neuer. Wenn ich mir zwei schlechte Spiele in Folge leiste, wird ein anderer Spieler im Tor stehen. Aulestia ist zwar weg, dafür ist mit Manu Herrera ein neuer Konkurrent gekommen. Der hat 171 Spiele in der zweiten Liga und 37 Spiele in der ersten Liga absolviert.

Sie haben es auf 614 Minuten ohne Gegentor gebracht. Statistisch gesehen sind Sie mit nur zwei Gegentoren 2019 der beste Torhüter Spaniens. Wie wichtig ist Ihnen das?

Das finde ich Wahnsinn. Wir spielen zwar nicht gegen Real Madrid, aber es ist trotzdem die beste Serie in Spanien. Da bin ich schon stolz drauf. Die Serie ohne Gegentor wird als Vereinsrekord auch weiter Bestand haben.

Sind die Gegner motivierter, wenn sie auf einen Torwart mit einer solchen Serie treffen?

Das und zusätzlich, dass wir Tabellenführer sind. Das kann sich negativ oder positiv auswirken. Der Gegner kann motiviert ins Pressing gehen oder aber verängstigt sein.

Im eigenen Stadion ist Atlético Baleares die heimstärkste Mannschaft. Auswärts klappt es nicht so richtig. Woran liegt das?

Unsere Gegner fühlen sich zu Hause auch wohler. Zudem hat unser Platz besondere Anforderungen. Es ist ein kleiner Kunstrasenplatz, den wir durch das tägliche Training kennen. Wenn wir auswärts auf größeren Naturrasen spielen, haben wir Probleme. Da stimmen die Abstände zwischen unseren Mannschaftsteilen manchmal nicht mehr. Das können wir auch nicht trainieren.

Am Sonntag kommt Verfolger Villarreal B zum Spitzenspiel ins Stadion von Son Malferit. Die Vorzeichen stehen gut: Villarreal hat zuletzt geschwächelt, Atlético Baleares seit zehn Spielen nicht verloren...

Statistik hat noch nie etwas gewonnen. Sie kommen nicht mit einer breiten Brust, wissen aber, dass sie mit einem Sieg an uns vorbei sind. In Spanien zählt zudem der direkte Vergleich bei Punktgleichheit. Es ist mit Abstand das talentierteste Team der Liga. Manchmal müssen deren Spieler bei der ersten Mannschaft aushelfen, dann merkt man schon einen Qualitätsunterschied. Sie sind im Training perfekte Rasenbedingungen gewohnt, so wird unser Platz für sie eine Umstellung sein. Es ist ein wichtiges Spiel, wird aber nicht die Saison entscheiden. Denn danach treffen wir noch auf alle Konkurrenten im Aufstiegskampf.

Sie sind der letzte deutsche Spieler, der bei Atlético Baleares übrig geblieben ist. Fühlen Sie sich in der Umkleide einsam?

Es ist perfekt, um Spanisch zu lernen. Am ­Anfang hatte ich noch Hilfe. Im ersten Jahr waren wir fünf deutschsprachige Spieler, im vergangenen Jahr noch drei. Jetzt bin ich auf mich allein gestellt, aber es läuft sprachlich gut. Selbst das Mallorquinisch verstehe ich größtenteils. Sprechen kann ich es aber nicht. Die Sprache ist der einzige Unterschied bei Fußballern. Ansonsten sind die weltweit gleich.

Wie läuft Ihre Integration auf der Insel?

Es ist schwierig. Sobald ich außerhalb der Mannschaft bin, werde ich als Hellhaariger oft auf Englisch angesprochen. Die Spanier brauchen meist fünf Minuten, um zu verstehen, dass ich Spanisch kann. Ich antworte auf englische Fragen auf Spanisch und bekomme trotzdem weitere Fragen auf Englisch. Mein Freundeskreis ist daher eher international: Deutsche in meinem Alter, Holländer, Engländer. Ich hatte lange Zeit mit Erasmus-Studenten zu tun, da ich einen Sprachkurs an der Uni gemacht hatte. Ein spanischer Freundeskreis wäre wünschenswert. Aber der Mallorquiner bleibt dann doch eher unter sich. Und die restlichen Spanier sind oft Saisonarbeiter.

Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus. Hatten Sie schon Anfragen von anderen Clubs?

Ich habe noch einen vernünftigen Namen in Deutschland, da dürfte es immer Interesse geben. Auch hier im Club wird man sich überlegen, wie es weitergeht. Ich will weiter auf dem Platz Gas geben. Für die anderen Sachen habe ich Berater, die sich darum kümmern. Denn wenn meine Leistung auf dem Platz nicht stimmt, werde ich für alle uninteressant.

Gab es noch keine Gespräche mit Atlético Baleares?

Der Verein hält es derzeit so, dass er noch nicht mit Spielern spricht und abwartet, wohin die Reise geht. Im Aufstiegsfall müssen einige ­gestandene Zweitligaspieler verpflichtet werden. Da habe ich absolutes Verständnis, dass es noch keine Gespräche gibt.

Haben Sie Heimweh und wollen zurück oder könnten Sie sich weitere Jahre hier vorstellen?

Ich kann mir beides vorstellen. Ich habe mein Leben in Deutschland sehr genossen. Hier stehen jetzt andere Aspekte im Vordergrund, aber ich fühle mich auch wohl. Meine alten Freunde besuchen mich viel. Heimweh ist kein Thema. Ich komme aus Stuttgart und habe in Wolfsburg gespielt. Die Entfernung war zwar kürzer, aber meine Freunde hatten länger gebraucht, wenn sie mich besuchen wollten. Wenn ich in Rostock spielen würde, wäre es viel schlimmer. Meine Entscheidung würde ich daher aus sportlichen Gründen treffen.

Wo würden Sie lieber spielen: In der Bundesliga oder der Primera División?

Wenn ich es in irgendeine erste Liga der besten fünf Ligen schaffe, wäre ich mit meiner Karriere voll zufrieden. Wenn man mit 25 noch in der dritten Liga spielt, kann man es sich nicht aussuchen und muss nehmen, was kommt.

Als Drittligaspieler verdienen Sie nicht so viel, dass Sie nach der aktiven Karriere die Füße hochlegen können. Was ist Ihr Plan B?

Ich studiere nebenbei Psychologie an der Fern­uni Hagen. Nicht so schnell wie ein normaler Student, aber da ich noch ein paar Jahre Fußball spielen möchte, habe ich keinen Druck. Sollte ich mich verletzen, könnte ich an eine normale Uni wechseln. Ich bin im dritten Semester und liebe mein Studienfach. Das ist wichtig, denn sonst könnte ich mich nicht ohne Professoren hinsetzen und lernen.