Würde sie auf ihre Mutter hören, wäre Margarita Victoria García, Mavi genannt, nicht so erfolgreich. „Fahr langsam, mein Kind", gibt sie ihrer Tochter vor jedem Rennen mit auf den Weg. Für eine Profi-Radfahrerin ein eher hinderlicher Tipp. „Sie meint es in dem Sinn, dass ich nicht zu viel riskieren soll", sagt die Sportlerin und lacht. Doch auch daran hält sich Mavi García nicht. Allein beim bislang letzten Rennen ist die 35-Jährige an vier Tagen drei Mal gestürzt.

Mavi García ist eine Spätstarterin. Erst im Alter von 28 Jahren begann sie mit dem Radsport. Bis dahin hatte sie nicht einmal ein Rennrad besessen. Die Mallorquinerin lernte schnell hinzu und erhöhte das Trainingspensum immer weiter. Im Duathlon, einem Mix aus Radfahren und Laufen, holte sie die ersten großen Erfolge, darunter 2015 die spanische Meisterschaft.

Ein Jahr ließ sie sich in ihrem Job - Mavi García arbeitete als Kundenbetreuerin bei einer Firma für Hotelbedarf - beurlauben und konzentrierte sich ganz auf den Sport. Bis dahin war sie es als Amateurin vergleichsweise locker angegangen: in der Mittagspause Radtraining, nach der Arbeit Laufen. Nun hatte sie als Profi den ganzen Tag zum Trainieren. „Ich musste erst einmal das Ausruhen lernen. Nach der Trainingseinheit am Morgen habe ich mich gefragt: Was machst du jetzt den ganzen Tag? Am Anfang war mir nicht klar, dass die Erholung ein Teil des Trainings ist", erzählt sie.

Die Erfolge stellten sich rasch ein. „2016 war das vielleicht beste Jahr meiner Karriere. Ich holte bei der Duathlon-WM Bronze. Ein Jahr später folgte sogar die Silbermedaille." Viel mehr Geld als bei den Amateursportlern gab es aber nicht. „Ich habe von Sponsoren­einnahmen und Preisgeldern gelebt. Ein gesichertes Einkommen war das nicht. Wenn ich mich verletzt habe, gab es kein Geld."

So zögerte Mavi García auch nicht lange, als ihr der spanische Vorzeige-Rennstall Movistar Ende 2017 anbot, sie in ihr neues Frauenradteam aufzunehmen. „Die Bedingung war zwar, dass ich das Laufen und somit den Duathlon aufgebe, dafür hatte ich aber ein festes Einkommen und war versichert."

Zudem ist sie nun Teil eines Rennstalls, das den Frauenradsport ausbauen will. „Es gab schon zuvor Teams, die sowohl eine Männer- als auch eine Frauenabteilung hatten", sagt Mavi García. „Dort spielten die Frauen aber immer nur eine Nebenrolle." Movistar hingegen hat von der Organisation her beide Rennställe gleichgestellt. Mitarbeiter aus dem Männerteam sind den Frauen zugeteilt. Die Sponsoren waren einverstanden, dass die Frauen das gleiche Material bekommen. „Bis auf die Bezahlung - da bekommen die Männer immer noch viel mehr - ist nun alles gleich", so Mavi García.

So zählen nicht mehr nur die Männer von Movistar zu Radsportelite, sondern auch die Frauen. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir so schnell erfolgreich sind", sagt Mavi García. Spanienweit ist der Rennstall führend, international gehört er als UCI World Tour-Team zu den 15 besten Clubs. Für den Erfolg ist in erster Linie die Mallorquinerin verantwortlich. „Bei Etappen-Rennen setzt das Team auf mich." In der Debütsaison von Movistar holte Mavi García bei den spanischen Meisterschaften im Zeitfahren Gold, beim Straßenrennen Bronze.

Ohne die Verletzungen infolge der Stürze hätte Mavi García vielleicht auch bei den internationalen Rennen besser abgeschnitten. Bei einem Wettkampf in Belgien im April 2018 stürzte sie und brach sich das Schlüsselbein. „Nach der OP bin ich drei weitere Male draufgefallen." Die Mallorquinerin entschied sich gegen eine weitere Operation - „die wäre lediglich aus ästhetischen Gründen gewesen" -um beim Giro d'Italia fit zu sein. Die Rundfahrt in Italien ist die einzige große Tour im Frauenradsport und eines der wenigen Rennen, die länger als eine Woche gehen. Angeschlagen schlitterte Mavi García mit dem elften Platz knapp an den Top Ten vorbei.

Diese Saison startete ähnlich bescheiden. „Eigentlich fühle ich mich in der Form meines Lebens." Doch das Glück ist nicht auf ihrer Seite. Bei einem Radrennen Ende Februar in Valencia stürzte sie dreimal. „Zum Glück bin ich diesmal auf die andere Schulter gefallen und mir ist nichts Schlimmes passiert."

Eine Verletzung in diesem Jahr könnte ihren Traum von den Olympischen Spielen beenden. Bis Oktober sammeln die spanischen Radfahrer gemeinsam Punkte für Startplätze in Tokio 2020. „Der Nationaltrainer entscheidet am Ende, wer mitfährt. Ich rechne mir gute Chancen aus." Trotz ihrer dann 36 Jahre soll es nicht das große Finale werden. „Ich habe mit meiner Karriere doch gerade erst angefangen."