Dafür, dass Mallorca nur etwa 880.000 Einwohner hat, sind die Mallorquiner fast überall dabei. Vergangenen Februar ist in Mumbai erstmals eine Weltmeisterschaft im Mallakhamb ausgetragen worden. Unter den internationalen Teilnehmern war mit Amaro Gómez Pablos aus Palma, Jahrgang 1985, auch ein Insulaner. Der Mallorquiner hat Filmwissenschaft in Paris studiert, um sich danach in der Bollywood-Welt zu versuchen. In Mumbai lernte er die traditionelle indische Sportart kennen, bei der die Athleten an einem Seil hängend oder auf einem Pfahl Yoga-Figuren turnen.

Sie haben Spanien bei der Weltmeisterschaft vertreten. Wie sind Sie zum Malla­khamb gekommen?

Das habe ich mich auch gefragt, als ich beim Wettkampf in drei Meter Höhe auf einem fünf Zentimeter breiten Holzpfahl saß. Ich fragte mich: Was machst du da eigentlich? Alles begann mit einem Spaziergang in Matunga, einem Viertel in Mumbai. Dort habe ich die hindustanische Musik vom großen Meister Amarendra Dhaneshwar gelernt. Als ich sein Haus verließ und auf die Straße trat, sah ich ein paar junge Leute, die auf einem Pfahl herumturnten. „Machen die hier mitten auf der Straße Poledance?", fragte ich mich. Ich schaute ihnen zu. Die Übungen schienen mir ästhetisch und unmöglich zugleich. Dann kam einer auf mich zu und fragte auf Englisch: „Do you want to try?" (Willst du es ausprobieren?)

Mittlerweile zählen Sie zur Elite. Wie haben Sie das geschafft?

Die meisten der internationalen Mallakhamb-Turner üben den Sport in ihrer Heimat aus, also weit weg von Indien. Ich hatte den Vorteil, dass ich mit indischen Sportlern in öffentlichen Hallen trainieren konnte. Die haben mich ganz schön gefordert. Besonders eine Gruppe von blinden Athleten der Dadar School for the Blind hat viel Geduld aufgebracht, mir die Feinheiten dieses Sports beizubringen.

Wie trainieren Sie?

Man muss früh aufstehen, denn das Training beginnt um sechs Uhr morgens. Schrecklich! Im Trainingszentrum Shree Samartha Vyayam Mandir gibt es sechs unterschiedlich hohe Pfähle. Ich habe mit einem 70 Zentimeter langen Pfahl angefangen und geübt. Nach vielen Trainingseinheiten und einigen Stürzen stieg ich nach und zum drei Meter hohen Wettkampfpfahl auf. Drei Viertel des Trainings bestehen aus Yoga und Kräftigungsübungen. Das Ziel ist, oben auf dem Stab sein eigenes Gewicht halten zu können und gleichzeitig Yoga-Figuren zu turnen.

Gibt es Vorgaben bei den Figuren oder ist es eine freie Kür?

Beides. Bei der Weltmeisterschaft ging es mit zwei 60 Sekunden langen Pflichtübungen los. Dazwischen hatte man zehn Sekunden Pause, um Harz und Kreide für den besseren Halt aufzutragen. In den 60 Sekunden mussten wir zehn Figuren in einer festen Reihenfolge turnen. Danach folgte eine zweiminütige Sequenz mit 18 Figuren. Das war die Hölle! Aber mir gefällt die Herausforderung. Einige Athleten sind verletzt abgestürzt, wie zum Beispiel der ehemalige tschechische Profiturner Pavel Kalina. Der war ein starker Konkurrent in der ersten Runde.

Kann man in Indien vom Mallakhamb leben?

Ich glaube nicht. Mallakhamb ist ein Lebensstil, der seit fast eintausend Jahren praktiziert wird. Im Trainingszentrum Shree Samartha Vyayam Mandir muss man auch keine einzige Rupie zahlen, um Mallakhamb zu lernen. Das ist in ganz Mumbai so und ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Was fasziniert Sie so an diesem Sport?

Die vielen Qualitäten, die er vereint und die mir bei meinem täglichen Leben helfen. Zum Beispiel bei Flexibilität, Kraft, Konzentration, Geduld, Disziplin und Durchhaltevermögen. Zudem ist es ein sehr künstlerischer Sport, denn man vollführt in drei Meter Höhe beeindruckende Figuren.

Was ist beim Mallakhamb wichtiger: die körperliche oder die mentale Stärke?

Ohne Konzentration stürzt man zu Boden. Nach jedem Training nehmen wir uns sieben Minuten zum Meditieren. Es ist wichtig, die innere Ruhe zu bewahren. Denn Stress kann dabei stören, das Gleichgewicht zu finden. Und ohne das Gleichgewicht bist du verloren. Daher ist der Morgen, wenn das Handy noch nicht klingelt und der Verkehr nicht dröhnt, der beste Trainingszeitpunkt.

Wie ist das Leben in Mumbai? Vermissen Sie Mallorca?

Es ist faszinierend hier. Jeden Tag mache ich bereichernde Erfahrungen. Es ist ein grenzenloses Abenteuer. Aber natürlich vermisse ich auch Mallorca. Es ist ein Privileg, von der Insel zu stammen.