Wer hat's erfunden? Max Hürzeler! Der heute 64-Jährige gilt als Radsport-Pionier auf Mallorca. Der Schweizer war der erste Anbieter, der Urlauber zum Radfahren auf die Insel brachte. Das Unternehmen Huerzeler Bicycle Holidays ist heute unangefochtener Marktführer. Der Gründer hat damit aber nichts mehr zu tun. 2005 verkaufte er seine Anteile und näherte sich Schritt für Schritt dem Ruhestand. Heute wohnt der ehemalige Bahnprofi - 1987 gewann er die Weltmeisterschaft - im Frühjahr auf Mallorca, im Sommer in der Schweiz und im Winter in Thailand.

Sie waren 1981 das erste Mal auf der Insel. Was hatte Sie hierher verschlagen?

Damals hatte mich ein Sponsor eingeladen. Ich war mit etwa 30 Schweizer Geschäftsleuten unterwegs, die eine Radtour machen wollten. Ich habe gesehen, wie die Leute Freude hatten am Fahren, an der Sonne, an den Hotels und an den billigen Drinks. Wir haben auf jedem Berg Sekt gesoffen. In der Folge war ich noch vier oder fünf Mal da. 1985 nahm die Idee mit der Radreiseagentur langsam Form an. Ich hatte mir eigentlich Sardinien dafür ausgesucht. Ich bin hingeflogen und habe die Insel abgefahren. Das Glück war: Das Wetter war fürchterlich. Das war kein Vergleich mit Mallorca.

Dabei war Mallorca zu der Zeit auch kein Paradies für Radfahrer.

Die Leute waren begeistert. Sie haben sich gefühlt, als würden sie in Australien eine Insel entdecken. Es war etwas Neues. Mallorca war überhaupt noch nicht erschlossen. Fahrräder gab es nicht, die Straßen waren holprig und nicht gekennzeichnet. Auf der Insel gab es zwar schon immer ein paar professionelle Radsportler, aber Mallorca war damals noch als Hausfraueninsel bekannt.

Sie waren zu der Zeit noch Kleidungsproduzent in Thailand. Was haben Sie da gemacht?

1981 habe ich einen Steher-Weltrekord aufgestellt: 100 Kilometer auf der Bahn hinter einem Motorrad mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 87 Stundenkilometern. Jemand riet mir, dass ich in Thailand günstig

T-Shirts machen lassen konnte. Das waren am Anfang 2.000 Stück für meine Fans. Nach vier Jahren war ich mit meiner Firma Blacky der größte T-Shirt-Importeur in der Schweiz. Da der farbige Druck dort sehr teuer war, haben alle bei mir Sportbekleidung bestellt: Banken, Veranstalter von Volksläufen und selbst die Fußballnationalmannschaft. Damals habe ich 120.000 verkauft, Adidas kam in der Schweiz nur auf 80.000. 1993 ging Blacky dann in Konkurs, da mein Partner zu viel Geld rausgeschmissen hat.

Wie ging es dann mit Huerzeler Bicycle Holidays los?

Einem Bekannten in einem Reisebüro sagte ich, dass ich 1.000 Leute nach Mallorca bringen wollte. Er hat gelacht wie ein Depp. Viele Leute haben gedacht, dass ich pleit gehe. Aber ich habe immer das gemacht, was ich gesehen habe. Und ich wollte das uneigennützig machen. Denn reich war ich damals schon. Ich war glücklich, wenn ich fünf Wochen lang auf der Insel Rad fahren konnte. Das war 1986. Ein Jahr später bin ich Bahnrad-Weltmeister geworden. Ich sage immer: Die Hobby-Radfahrer haben mich stark gemacht.

Das Radfahren dürfte schwierig gewesen sein, wenn es nicht einmal Routen gab...

Nach ein paar Jahren habe ich die Straßen markiert. Vom Hotel aus habe ich 120 Kilometer lang farbige Pfeile auf die Straße gemalt: gelb war Sant Salvador, blau war Randa und weiß war Puig Major. Das war eine Riesenarbeit.

Hat sich niemand daran gestört?

Nach zehn Jahren gab es andere Anbieter, die das Gleiche gemacht haben. Vor Randa waren dann vier verschiedene Pfeile. Irgendwann hat sie das Straßenverkehrsamt schwarz übermalt. Die Behörden kannten mich, haben mir das Pfeilemalen aber nie verboten. So sind wir nachts losgezogen und haben im Dunkeln gemalt. Das Pfeilen war oft eine Strafarbeit für Gruppenleiter, die sich verfahren hatten.

Inwieweit konnten Sie zu Beginn schon absehen, dass es zu einem richtigen Radboom kommen würde?

Ich habe zwar nicht geahnt, dass es eines Tages zu einem derartigen Boom kommt, aber es war klar, dass der Radsport im Aufschwung war. Das ging mit Jan Ullrich los. Der war immer in meinem Hotel, ebenso wie Miguel Indurain und andere Profis. 1993 hatte ich schon 2.500 Gäste im Hotel Delta in Es Puigderrós. Ein Jahr später bin ich dann in den Nordosten der Insel expandiert. Die Spanier haben in dem Punkt 15 Jahre lang geschlafen. Die Hotels haben mich gewähren lassen, ohne uns wären sie ja auch geschlossen gewesen. 1994 sollte das Iberostar-Hotel an der Playa de Muro erst am 5. Mai öffnen. Ich habe für 80 Prozent Auslastung unterschrieben, und wir haben am 8. März eröffnet. Heute sind es 20.000 Touristen, die bei Huerzeler das Komplettpaket mit Hotel buchen, und 60.000 Sportler, die sich Räder ausleihen.

Was gab es für kritische Momente?

Durch den Bauboom Mitte der Tausender wurde der Verkehr auf der Insel aggressiver. Da fuhren mehr Last- und Lieferwagen auf den Straßen. Die sind gefährlich für die Radfahrer. Da hatte ich Angst. Gemeinsam mit den Hoteliers sind wir dann bei der Polizei vorstellig geworden und haben angemahnt, dass die Autofahrer mehr Rücksicht nehmen müssen. Heute ist es zum Glück wieder ruhiger.

Dennoch kommt es jedes Jahr zu schweren Unfällen...

Mallorcas Autofahrer sind die besten der Welt. Rücksichtsvoller als die Schweizer, Italiener, Franzosen oder Deutschen. Die Mallorquiner leben von uns. Natürlich gibt es bei der Vielzahl an Gästen täglich Unfälle und hin und wieder auch Tote. Aber 80 Prozent davon sind Herzinfarkte.

Ein kritischer Punkt war der unbeleuchtete Tunnel zum Cap Formentor. Sie hatten angeboten, die Lichter zu finanzieren. Diese sollen nun für 200.000 Euro installiert werden. Wie viel bezahlen Sie davon?

Radfahrer und Medien kamen zu mir. Die denken immer, dass ich einen großen Einfluss habe. Natürlich habe ich Macht. Aber ich suche immer erst einmal eine vernünftige Lösung. Ich habe mit den Politikern gesprochen. Ich habe ihnen angeboten, dass ich die Lichter bezahle und dann eine Plakette anbringe: Sponsored by Max Hürzeler. Die Mallorquiner sind aber zu stolz und wollten am Ende nicht, dass ich etwas bezahle.

Wie viele Radsportler kommen heute pro Saison auf die Insel?

Zu uns kommt ein Drittel der Touristen, die über Anbieter buchen. Dazu kommen noch Urlauber mit eigenen Rädern. Insgesamt dürften es 200.000 bis 250.000 Radsportler sein.

Sind das zu viele?

Jetzt im April vielleicht schon. Aber sie sind da und füllen die Hotels. Die meisten Gäste kommen drei Wochen vor Ostern und dann noch einmal die Woche nach den Feiertagen. Eine Rolle spielt auch das Radrennen Mallorca 312.

Locken die Trainingslager der Profiteams die Radsporttouristen auf die Insel?

Wenn früher ein Radrennen in der Stadt war, waren die Straßen wie leer gefegt. Das schafft heute nur noch der Fußball. Der typische Fußballfan geht ins Stadion. Der Radsportfan sitzt hingegen selbst auf dem Sattel. Die Profis interessieren ihn weniger.

Die Amateure sind selbst auch sehr ehrgeizig. Auf Mallorca geht es immer nur darum, möglichst viele Kilometer zu fahren und den höchsten Berg zu bezwingen. Gemütliche Ausfahrten werden selten angeboten...

Wer nach Mallorca fliegt, der will so viel wie möglich fahren. Das ist ähnlich wie bei den Skifahrern. Viele haben bei der Anreise schon eine feste Kilometerzahl im Kopf, die sie schaffen wollen. Allerdings ändert sich das langsam. In meinen ersten Jahren kamen die Radsportler immer um 6 Uhr früh, um dann direkt auf das Rad zu steigen. Heute schauen die Leute mehr auf den Preis und nehmen lieber den günstigeren Flug. Wir haben auch eine Plausch-Gruppe für ruhigere Fahrer eingeführt. Das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich das als ehemaliger Profi mal mache.

Es gab im Laufe der Jahre immer wieder Unternehmen, die Ihnen Konkurrenz machen wollten, aber nie so groß wurden wie Huerzeler. Haben Sie die rausgemobbt?

Ich muss niemanden rausmobben, das versuchen eher die anderen. Ich war immer schlau und besser. Der Unterschied ist, dass ich damals meine Firma ohne wirtschaftliche Hintergedanken gegründet habe. Ich habe fünf Jahre lang nichts verdient. Aus Freude bin ich größer geworden. Wer heute ein Geschäft aufmacht, guckt als Erstes, was am Ende dabei rumkommt. Um uns Konkurrenz zu machen, versuchen andere Firmen, ähnlich viele Gruppen und Ausfahrten anzubieten. Das können sie aber nicht. Sie haben weder die Leute noch den Ruf dafür. Wir haben die besten Hotelpartner und sind auf dem Markt präsent. Zudem halten wir auch, was wir im Angebot versprechen. Wir sind riesengroß. Wir haben 5.000 bis 6.000 Räder. Im Sommer stehen die rum. Das muss man erst einmal bezahlen können.

Was ist Ihre Lieblingsstrecke auf der Insel?

Das ist die Maffay-Runde: Can Picafort, Búger, Campanet, Maffay-Tal, Port de Pollença und zurück nach Playa de Muro. Das sind 62 Kilometer. Heute habe ich die Runde mit meinem Nachfolger Marcel Iseli mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 32 Stundenkilometern gefahren. Der Iseli vorne und ich nur hinten. Ist das zu fassen? Das sollte eigentlich eine gemütliche Tour werden, ist aber zu einem Rennen ausgeartet.

Vor einem Jahr haben Sie angekündigt, dass Sie geführte Touren nicht mehr selbst leiten wollen. Haben Sie Ihr Wort gehalten?

Den Tourguide gebe ich seit zehn Jahren nicht mehr. Ich biete im Winter immer ein paar Runden auf der ganzen Welt an. Ende des Jahres mache ich in Mexiko und Thailand noch zwei Abschiedstouren. Danach kann ich mir vorstellen, als Reisebegleiter im Bus zu arbeiten. Ich kenne in Asien ganz Vietnam und Kam­bodscha.

Sie haben bereits 2005 Ihre Anteile an der Firma verkauft. Wie kam es dazu?

Ich bin reich geworden und war gesund. Ich hatte es 20 Jahre lang gemacht. Die vier Monate mit den 20.000 Gästen üben viel Druck auf dich aus. Ich hatte auch immer das Gefühl, dass ich alles selbst machen muss. Nach dem Verkauf war ich noch etwa zehn Jahre lang Geschäftsführer, ich bin noch im Verwaltungsrat. Das war für die Firma gut, weil es nach außen keine große Veränderungen gegeben hat.

Und was machen Sie jetzt?

Jetzt bin ich einfach hier. Alle Leute kennen mich. Ich sage jeden Tag, was gut ist und was schlecht ist. Es kommen so viele Leute, warum soll ich etwas anderes machen?