Das Wanda Metropolitano in Madrid ist gut gefüllt. Keine Frage, schließlich stehen sich Atlético Madrid und der FC Barcelona gegenüber. Die 60.739 Fans feuern die Mannschaften an. Doch die Protagonisten an diesem 17. März 2019 heißen nicht Lionel Messi und Antoine Griezmann, sondern Jennifer Hermoso und Lieke Martens. Nie zuvor kamen so viele Zuschauer zu einer Partie zwischen zwei Clubmannschaften der Frauen. Es ist ein „Welt­rekord", der auch in Deutschland aufmerksam registriert wird. „Das zeigt, dass der Frauenfußball auf dem richtigen Weg ist", freut sich etwa Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Jetzt auch mit Panini-Album

Das Spiel war keine Eintagsfliege, der Frauenfußball boomt in Spanien. Bereits im Januar kamen zu einem Pokalviertelfinale der Frauen 48.121 Besucher. Und die Damen von Espan­yol Barcelona durften in dieser Saison ein Spiel im Stadion der Herren austragen - und übertrafen prompt deren Zuschauerschnitt. Die Zeiten sind vorbei, in denen nur die Familien und Ultrafans die Namen der Spielerinnen kennen. „Zur diesjährigen WM gibt es in ­Spanien erstmals ein Panini-Heft mit Klebe­bildern der Fußballerinnen", sagt Biel Pons, Trainer von Mallorcas Zweitligist Collerense. „Die Kinder kaufen heute auch Trikots von Spielerinnen", sagt Lucía Santiago, Sport­redakteurin bei der Nachrichtenagentur Efe.

Wie sehr das mit der Situation in Deutschland kontrastiert, machte das Halbfinale der Champions League zwischen dem FC Bayern und FC Barcelona deutlich. In München kamen nur rund 2.500 Zuschauer. Beim Rückspiel in der katalanischen Hauptstadt waren es 12.764 Fans. Barcelona gewann erneut und zog ins Finale ein. Dort gab es am Samstag (18.5.) in Budapest aber eine 1:4-Pleite gegen Olympique Lyon.

Dabei begann der Aufschwung des spanischen Frauenfußballs erst verhältnismäßig spät. 2015 schaffte es die Nationalmannschaft erstmals, sich für eine WM-Endrunde zu qualifizieren. Seither wird gepowert - auch in der Nachwuchsarbeit. 2018 holte die spanische U?20-Nationalmannschaft bei der WM Silber, die U?17 gar den Titel. „Der spanische Fußballverband legt sich mächtig ins Zeug, um den Frauenfußball zu fördern", sagt Biel Pons.

Investition statt Ausgabe

Früher seien die Frauen eine „Ausgabe statt eine Investition" gewesen, sagt Lucía Santiago, „die Clubs haben die Frauenabteilung geradezu versteckt." Fußball war Männersache.

„Frauenfußball galt weder als Fußball noch als weiblich - mittlerweile hat die Gesellschaft da umgedacht", sagt die Sportjournalistin. Eine große Rolle spielt dabei auch die erstarkte spanische Frauenbewegung. „Der Umgang mit Themen wie Sexismus und der Frauenförderung hat in Spanien einen hohen Diskussionswert. Man spürt, dass dort viele Menschen Stellung beziehen", beobachtet Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Der Hype wird von den Vereinen und Medien befeuert. Viele der Eintrittskarten werden verschenkt, in den Wochen vor den wichtigen Spielen werden die Partien wie Konzerte beworben. Viele potenzielle Zuschauer werden über das öffentliche Fernsehen erreicht, wo jede Woche vier Erstligaspiele laufen. So viel Aufmerksamkeit hätte man anderswo auch gern. „Es gab zwar auch in Deutschland schon ein Eventspiel VfL Wolfsburg gegen Bayern München vor 18.000 Zuschauern, aber uns ist bewusst, dass der Zulauf zu den großen Partien fehlt. Wir arbeiten bereits daran, um das zu verbessern", so Martina Voss-Tecklenburg.

Die neue Sicht auf den Frauenfußball lockt in Spanien mittlerweile auch Sponsoren an. So hat sich der Energiekonzern Iberdrola die Namensrechte an der ersten Liga gesichert. Für jeden Erstliga-Club bedeutete das eine zusätzliche Einnahme von 200.000 Euro. Ein Klacks im Vergleich zu den Einnahmen bei den Männern, aber eine nicht zu verachtende Finanzspritze, um den Spielerinnen wenigstens etwas zu zahlen und die Infrastruktur zu verbessern.

Alltag abseits der Events

Denn das ist die andere Seite der Medaille: Abseits der glanzvollen Events wächst zwar ebenfalls die Begeisterung, aber in Zahlen hat sich noch nicht so viel getan. Bei den Arbeitsbedingungen - 35 Prozent der Spielerinnen der Liga Iberdrola haben nur einen Zehn-Stunden-Vertrag - ebenso wenig wie bei den Zuschauerzahlen. „Außerhalb der Spitzenspiele kommen in der ersten Liga vielleicht nur 700 Zuschauer ins Stadion", bemerkt Biel Pons. Das sind Zahlen, die mit Deutschland vergleichbar sind. Dort hat der amtierende Meister VfL Wolfsburg mit 1.400 Fans den höchsten Zuschauerschnitt der Bundesliga.

Mallorca ist dabei

Das äußert sich auch auf Mallorca. Zu einem Spiel des Frauennationalteams gegen Österreich im November 2017 im Stadion von Son Moix kamen lediglich 2.179 Zuschauer. „Und das obwohl die Karten verschenkt wurden", sagt Biel Pons. Dafür waren die Nationalspielerinnen der Insel umso motivierter: Mit Patricia Guijarro, Mariona Caldentey und Virginia Torrecilla standen drei Mallorquinerinnen auf dem Platz. In diesen Kreis wird nun auch Cata Coll aufgenommen. Die 18-Jährige wurde für das Freundschaftsspiel am Freitag (17.5.) gegen Kamerun berufen.

Die Deutschen können sich bei der WM, die am 7. Juni in Frankreich startet, ein Bild von der spanischen Euphorie machen. Denn beide Teams treffen in der Gruppe aufeinander. „Wir werden wohl mit Spanien um den Gruppensieg spielen", so Voss-Tecklenburg, die die Spanierinnen auch zu den Titelfavoritinnen zählt. Im November gab es zuletzt ein torloses Unentschieden zwischen Deutschland und Spanien. Vielleicht machen bei der WM ja die Fans den Unterschied aus.