Beim Fußball ist es wie bei der Liebe. Man sucht sich als Fan nicht seinen Herzensverein heraus. Manchmal schickt einen der Zufall ins Stadion, manchmal ist es eine familiäre Angelegenheit. So war es auch bei Jakob und Holger Tönges. Neun Jahre lang leben die Deutschen schon auf der Insel und hatten mit dem Fußball hier eher weniger am Hut. Nach einem Besuch im Stadion von Son Malferit zu Saisonbeginn aber sind sie begeisterte Anhänger vom Drittligisten Atlético Baleares. Am Sonntag (2.6.) können die Tönges' vielleicht den Aufstieg in die zweite Liga feiern.

„Ein Freund hatte bei einer Ausschreibung Karten für ein Heimspiel gewonnen", erzählt Holger Tönges. „Da er verhindert war, hat er mir die Karten gegeben." Der Vater ging mit seinem Sohn ins Stadion von Son Malferit und war von der Stimmung gefesselt. „Ich war früher ab und an bei Spitzenspielen von Real Mallorca gegen Barcelona oder Real Madrid. Dann ist zwar das Stadion voll, aber es sind nur Fans der Gastmannschaften da. Bei Atlético Baleares schreien 98 Prozent der Zuschauer für ihren Verein", sagt Holger Tönges und vergleicht es mit den Clubs seiner Heimat, dem FC Bayern und 1860 München. „Zu den Roten gehen alle, aber bei den Blauen ist es lustiger."

2010 zog die Familie aus München nach Mallorca. „Wir hatten gerade eine einjährige Weltreise hinter uns. Dann bekam ich ein Jobangebot von der Insel. Da Jakob noch nicht zur Schule ging, war es die Gelegenheit, um auszuwandern." Heute ist Holger Tönges der Verantwortliche der Firma Frischeparadies auf Mallorca und leitet acht Mitarbeiter. „Wir lassen täglich hochwertige Lebensmittel aus Deutschland einfliegen und liefern sie an Sterneküchen aus. Derzeit ist der deutsche Spargel stark gefragt."

Jakob Tönges war vier Jahre alt, als er mit seiner Familie nach Mallorca kam. „Ich weiß, dass ich deutsch bin. Aber ich fühle mich spanisch", sagt er. Aus sportlicher Sicht ist das deutsche Bewusstsein noch nicht ganz aus ihm herausgewachsen. „Er schläft immer noch in Bayern-Bettwäsche", witzelt Vater Holger. „Aber nach den Bayern ist mir Atlético Baleares am wichtigsten", verteidigt sich der Sohn.

Der Club des deutschen Präsidenten Ingo Volckmann ist auf der Tribüne ebenso international aufgestellt. Die meisten Fans sind zwar Mallorquiner, aber man hört auch oft englische und deutsche Stimmen. Nach dem ersten Mal im Stadion waren Vater und Sohn bei jedem Heimspiel dieser Saison. Nur die Mutter wollte die Fußballleidenschaft nicht so ganz teilen. „Sie ist froh, wenn sie mal Ruhe vor ihren Jungs hat", sagt Holger Tönges und lacht. „Wenn wir aber wieder daheim sind, fragt sie immer gleich nach dem Ergebnis."

Sohn Jakob zeigt sich besonders von Kapitän Francesc Fullana und Torhüter Carl Klaus beeindruckt. „Auf sie ist Verlass. Sie vermasseln es nie." Besonders beim Deutschen stimmt auch der Vater zu. „Wenn Deutschland nie ein Problem hatte, dann zwischen den Pfosten. Carl Klaus ist extrem reaktionsschnell, spielt gut mit und bringt der ganzen Abwehr Sicherheit."

Showdown um 12 Uhr

Eine starke Defensive wird auch am Sonntag um 12 Uhr beim Rückspiel gegen Racing ­Santander gefragt sein. Mit einem 0:0 im Hinspiel hat sich Atlético Baleares eine gute Ausgangslage geschaffen. „Damit bin ich sehr zufrieden. Ich bin überzeugt, dass wir aufsteigen. Aufpassen müssen wir nur, dass Santander kein Tor schießt", sagt Holger Tönges. Bei den Play-offs zählt die Auswärtstor-Regel. Trennen sich die Teams beispielsweise 1:1, würde Santander aufsteigen. Atlético Baleares muss für den Aufstieg gewinnen. Bei einem 0:0 geht es in die Verlängerung.

Die Tönges' werden das Heimspiel nicht von der Tribüne aus verfolgen können. Die Eintrittskarten konnten nur von Vereinsmitgliedern gekauft werden (am Spieltag werden keine Kassen öffnen). Präsident Ingo Volckmann plant ein kleines Public Viewing gegenüber vom Stadion für die Fans, die draußen bleiben müssen. Es könnte sein, dass sich dem auch viele Gästefans anschließen. Denn die Zuschauer von Santander können gerademal 40 Eintrittskarten über eine Auslosung gewinnen. Anhänger hat der Traditionsclub aber deutlich mehr. Angeblich soll ein Fan im Moment der Auslosung Flüge von Singapur nach Palma gekauft haben. Nun fliegt er 11.000 Kilo­meter und kommt nicht ins Stadion.

Sollte der Umzug in der nächsten Saison ins Estadi Balear klappen, dürfte es solche Probleme nicht mehr geben. Dann wollen sich auch Vater und Sohn Tönges eine Dauerkarte holen. „Hoffentlich ist die Stimmung im größeren Stadion dann ähnlich gut", sagt Holger Tönges. Als Anhänger von Atlético Baleares muss die Familie dann nur noch die Rivalität zu Real Mallorca verinnerlichen. „Ich sehe sie nicht als Erzfeind. Aber ein bisschen ironisch sticheln kann man schon", sagt Holger Tönges.