Als der Schiedsrichter am Sonntag (30.6.) das Play-off-Endspiel zwischen Atlético Baleares und Mirandés abpfiff, glich das Stadion in Son Malferit einem Kinosaal nach einer Titanic-Vorstellung. Die Tränen flossen in Strömen. Weinende Fans umarmten sich, um gemeinsam die Trauer wenigstens etwas zu lindern. Selbst Ingo Volckmann, der mit seiner imposanten Figur eher Rambo- als Titanic-Fan zu sein scheint, griff zu den Taschentüchern. Sein Club Atlético Baleares hat es trotz eines 3:1-Sieges nicht in die zweite Liga geschafft. Dabei war der Aufstieg zum Greifen nah.

Drama in zwei Akten

Atlético Baleares hatte eine bombastische Saison gespielt und in der dritten Staffel der dritten Liga den Meistertitel geholt. Doch vergleichbar mit der deutschen Regionalliga ­bedeutet das nicht gleichzeitig den Aufstieg. Als Meister hatte Atlético Baleares lediglich den Vorteil, bereits in einem Duell mit einem der Tabellenersten der anderen drei Staffeln den Aufstieg zu schaffen. Doch der Inselclub ließ die erste Chance liegen. Ohne Niederlage scheiterte Atlético Baleares gegen Racing ­Santander wegen der Auswärtstorregel. Das war der erste große Rückschlag.

In den Play-offs der Zweit- bis Viertplatzierten kämpfte sich Atlético Baleares gegen Melilla bis ins Finale, wo es gegen Mirandés ging. Nach einer 0:2-Pleite im Hinspiel schwand die Hoffnung etwas. Fast schon aussichtslos schien es dann, als Mirandés im Rückspiel in der ersten Halbzeit in Führung ging. Da das Team aus Miranda del Ebro nun ein Auswärtstor vorweisen konnte, brauchte Atlético Baleares vier Treffer. Hätten die Mallorquiner auch das Rückspiel verloren, wäre die Trauer wohl nicht so groß gewesen. Doch der Verein stand kurz vor der großen Aufholjagd. Stürmer Nuha Marong traf doppelt und legte in der 80. Minute den dritten Treffer durch Marcos de la Espada vor. Nun fehlte nur noch ein Tor - das mal wieder ausverkaufte Stadion von Son Malferit bebte. Und Atlético Baleares bekam noch eine letzte Chance: Nach gefährlichem Spiel im Strafraum erhielt der Club einen indirekten Freistoß zugesprochen. Doch Innenverteidiger Guillermo Vallori scheiterte am Torwart und den Abpraller setzte Flügelspieler Samuel Shashoua neben das Tor. Das war's.

Das lange Warten

Der Arbeiterclub von der Insel spielte in seiner Geschichte in vier Saisons zweitklassig: von 1951 bis 1953 und von 1961 bis 1963. Seit 56 Jahren wartet Atlético Baleares auf eine Rückkehr in die zweite Liga. In den 60er-Jahren scheiterte der Verein in vier Play-offs. In den vergangenen sieben Jahren drei Mal.

Bereits in der Saison 2011/2012 war Atlético Baleares mit einem Bein aufgestiegen. Wie in dieser Spielzeit legte der Drittligist ein beeindruckendes Jahr hin und beendete die reguläre Saison als Meister. Doch in den Play-offs scheiterte das Team ebenfalls an Mirandés und später an Lugo.

In den folgenden Jahren wandelte sich der Verein sportlich zur grauen Maus der Liga und dümpelte im Mittelfeld der Tabelle umher. Schlimmer sah es auf wirtschaftlicher Ebene aus. 2013 zog sich Discomagnat Bartolomé Cursach als Eigentümer zurück, der Verein stand vor dem Aus. Ein Jahr später rettete der Berliner Unternehmer Ingo Volckmann den Club und hauchte ihm einen deutschen Geist ein. Der erst 29-jährige Patrick Messow leitet den Verein seitdem als Sportdirektor. Chris­tian Ziege durfte sich als Trainer versuchen und namhafte deutsche Fußballer wie der ­ehemalige Nationalspieler Malik Fathi wechselten zu Atlético Baleares.

Doch der sportliche Aufschwung ließ auf sich warten. Erst nach Zieges Entlassung im März 2017 schaffte Atlético mit einem Schlussspurt die Play-off-Teilnahme. Im Halbfinale scheiterte das Team aber an Albacete.

„Nächste Saison steigen wir auf", tönten Volckmann und Messow in der Folge. Der Schuss ging nach hinten los und der Club kämpfte gegen den Abstieg. Mit Manix Mandiola als Trainer schaffte Atlético in der Saison 2017/2018 am letzten Spieltag den Klassenerhalt. Vom Aufstieg sprach keiner mehr. Doch wieder kam es anders. Seit dem 25. Spieltag thronte der Verein in dieser Saison an der ­Tabellenspitze, 24 Wochen lang blieb das Team ungeschlagen. Das triste Ende ist bekannt.

Ungewisse Zukunft

Nun ist die Frage, welche Marschroute Ingo Volckmann für die kommende Spielzeit ausgibt. Es ist eine Gratwanderung. Einerseits will der Berliner sicher nicht den Fehler von vor zwei Jahren wiederholen und mit dem Ziel Aufstieg unnötig Druck auf das Team aufbauen. Auf der anderen Seite würden die Fans es wohl nicht akzeptieren, wenn der Vorstand ­lediglich meint, von Spiel zu Spiel schauen zu wollen. Bislang hat Volckmann auf eine Aussage verzichtet und war auch nicht auf MZ-Anfrage zu erreichen.

Ziemlich sicher ist, dass Sportdirektor Patrick Messow und Trainer Manix Mandiola das Team auch in der kommenden Saison führen werden. Der Coach hat noch ein weiteres Jahr Vertrag und nach dem Spiel am Sonntag gesagt, dass er gern bleiben würde. Höchstens ein lukratives Angebot eines Zweitligisten könnte ihn wohl noch umstimmen.

Die beiden Verantwortlichen haben bei der Teamzusammenstellung eine Menge ­Arbeit vor sich. Lediglich Pedro Ortiz, Marcos de la Espada und Alberto Villapalos haben ­einen Vertrag für die kommende Spielzeit. Der 18-jährige Ortiz gilt aber als großes Talent, und Espanyol Barcelona und der FC Sevilla sollen schon angefragt haben.

Atlético Baleares würde gern mit den meisten Spielern verlängern. Das dürfte sich aber schwierig gestalten, da viele Spieler durch ihre guten Leistungen das Interesse von höherklassigen Teams auf sich gezogen haben. Zu diesen gehört auch Torhüter Carl Klaus, der dieses Jahr der einzige Deutsche im Kader war.

Der Faktor Stadion

Mit dem Stadion von Son Malferit könnte Atlético eine weitere Stärke verlieren. Auf dem kleinen Kunstrasenplatz war der Drittligist fast unbezwingbar. In der kommenden Saison soll das renovierte Estadi Balear fertig sein. Der größere Naturrasenplatz dort dürfte Gastmannschaften aber keine so großen Probleme bereiten. Und auch die Fans werden wohl nicht mehr ganz so nah am Feld sitzen. Dafür gibt es aber immerhin mehr Platz als im Stadion von Son Malferit.