Viele Sportler träumen von einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2020. Auch die Seglerin Violeta del Reino wäre bei den Paralympics in Japan gerne am Start. Doch das geht nicht. Dabei ist die 57-Jährige amtierende Weltmeisterin und würde sicher auch die Qualifikations-Voraussetzungen erfüllen. Das Problem ist, dass das Internationale Paralympische Komitee (IPC) das Segeln für die kommenden beiden Spiele aus dem Programm genommen hat. „Sie meinen, dass es zu wenig Teilnehmer gibt und der Wettbewerb für die wenigen, die es gibt, zu teuer ist" , sagt Violeta del Reino. So bleibt für die Mallorca-Residentin nur die Hoffnung, dass der Wassersport bei den Paralympics 2028 wieder aufgenommen wird - und sie dann mit 66 Jahren noch fit genug ist. „Dann wäre ich die Segel-Oma", sagt sie und lacht.

Violeta del Reino kam als Tochter von Madrilenen in Venezuela zur Welt. Mit dem Segeln kam sie erst relativ spät in Kontakt. „Ich war zwar in Venezuela in jeder freien Minute am Meer, doch an den Karibikstränden gab es keine Segelboote." Erst mallorquinische Freunde berichteten ihr von den Schiffen und der Sportart. Als Violeta del Reino zwölf Jahre alt war, zog die Familie nach Madrid. „In den Sommerferien ging es dann immer in den Urlaub nach Mallorca." Dennoch dauerte es weitere acht Jahre, ehe sich Violeta del Reino selbst in einem Segelboot versuchte. Lange blieb es beim Hobby. Erst 2013 trat sie bei ihrer ersten Regatta an und holte in der Hansa-Kategorie bei der Europameisterschaft direkt den sechsten Platz.

Die 57-Jährige wurde mit einem Hohlfuß geboren. Im Alltag sieht man ihr die Behinderung kaum an. „Ich habe große Schmerzen im Bein und im Rücken - aber Schmerzmittel nehme ich keine. Schließlich bin ich stark", sagt sie und zeigt zur Untermalung ihren Bizeps. Mit 14 Jahren ließ sie sich operieren. „Das hat es aber nur noch schlimmer gemacht. Seitdem halte ich nicht mehr viel von Ärzten."

Die Hansa-Kategorie ist speziell für Sportler mit Behinderung konzipiert. „Der größte Unterschied ist, dass das Boot nicht kentern kann", sagt Violeta del Reino. Das Schiff lässt sich leicht von einer Person segeln. Die Behinderungen der Segler fallen unterschiedlich aus. „Manche haben keine Arme, manche keine Beine. Es gab mal einen Deutschen, der nur mit den Füßen gesteuert hat. Man muss sehr intelligent sein, um dann Lösungen zu finden." Mit der Hansa 303 sind bis zu 30 Knoten Geschwindigkeit drin.

Nach dem Einstieg in den Leistungssport ging es für Violeta del Reino schnell bergauf. 2014 startete der spanische Verband eine Kampagne für die Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro, wo noch eine Regatta im Skud 18 ausgetragen wurde. „Da dieses Boot von zwei Personen gesteuert wird, steckte man mich mit Sergi Roig in ein Boot", sagt Violeta del Reino. Dem Mallorquiner waren im Alter von vier Jahren beide Beine amputiert worden. „Damit der Wettkampf ausgeglichen ist, werden die Sportler kategorisiert", sagt Del Reino. „Sergi ist mit seiner schweren Behinderung Kategorie 1, ich bin Kategorie 7, die leichteste Behinderung."

Da beide Segler im Segelclub von Port d'Andratx beheimatet sind, kannten sie sich bereits. Dennoch gestaltete sich das gemeinsame Segeln schwierig. „Wir haben uns ständig gestritten. Sergi segelt mehr mit Instinkt, ich mehr mit dem Kopf. Er hat oft Wendemanöver eingeleitet, ohne mir Bescheid zu geben. Da musste ich ihn anschreien: Verdammt, wo willst du denn hin?" Erstmals gemeinsam segelte das Duo bei der Weltmeisterschaft 2014 in Irland. „Wir haben gegen Holland und die USA sogar einige Durchläufe gewonnen. Die haben uns gefragt: Wo seid ihr denn jetzt auf einmal hergekommen", sagt Violeta del Reino.

Bei den Paralympischen Spielen in Rio lief es dann nicht mehr so gut. „Dort waren wir mit dem Trainer vom spanischen Verband und nicht mit dem Coach unseres Clubs - sonst wäre es viel besser gelaufen." Das Duo landete nur auf dem neunten Platz. Besser erging es Violeta del Reino, als sie wieder allein segelte. Bei der WM 2017 in Kiel und der WM vor einer Woche in Cádiz holte sie den Titel.

„Ich segle aus Leidenschaft, aber mein Ziel lautet zu gewinnen." Bleibt noch der Traum von einer Medaille bei den Spielen. „Das Problem ist: Segeln ist nicht mehr im Trend. Viele junge Leute amüsieren sich lieber anderweitig." Dass es für die Paralympics zu wenig Teilnehmer gebe, habe auch mit Geld zu tun. „Ich verdiene mit dem Sport keinen Cent. Die Reisen zahlt mir der Club. Für meinen Lebensunterhalt arbeite ich als Englischlehrerin in Bendinat", sagt Violeta del Reino. Sollte das IPC seine Meinung nicht ändern, bleiben ihr nur noch die Weltmeisterschaften. Da steht die nächste im Oktober 2020 in Kalifornien an.