Traditionell gesehen ist Fußball ein Männersport. Sowohl auf dem Platz als auch auf der Tribüne sind die Herren meist in der Überzahl. Frauen kamen früher meist nur ihren Freunden und Ehemännern zuliebe mit ins Stadion. Bei der Familie Carrillo ist das anders. Dort hat eine Frau die Fußballleidenschaft entfacht. Heute ist Paco Carrillo, der Inhaber der urigen Bar Vera Cruz in Palma, glühender Anhänger von Real Betis. Der Arbeiterclub aus Sevilla spielt am Samstag (30.11., 18.30 Uhr) im Stadion von Son Moix gegen Real Mallorca.

Paco Carrillo und seine Vorfahren kommen eigentlich aus der Extremadura. „Mein Opa hat sich aber in ein Mädchen aus Sevilla verguckt und ist ihretwegen nach Andalusien gezogen", sagt der 54-Jährige. „Als er dort ankam, hat er beim Thema Fußball noch die Nase gerümpft." Doch seine Freundin war Fan von Real Betis, und der Liebe wegen begleitete er seine Herzensdame ins Stadion. „Dann hat es ihn gepackt, und er war voller Eifer dabei. Er wurde Vereinsmitglied und hat mich auch später bei Betis angemeldet."

In vielen spanischen Städten werden die beiden größten Fußballvereine entweder der Arbeiterklasse oder der Oberschicht zugeordnet. Meist ist das schon im Vereinsnamen ersichtlich. So sind Atlético Madrid oder Atlético Baleares zumindest historisch eher proletarisch angehaucht, ihre Rivalen Real Madrid und Real Mallorca eher aristokratisch, wie schon das königliche „Real" im Namen besagt.

In Sevilla ist es andersrum. Real Betis Balompié, wie der Verein mit vollem Namen heißt, ist der Arbeiterclub, der FC Sevilla, ­dessen zweite Mannschaft als Sevilla Atlético aufläuft, hat seinen Ursprung im besser betuchten Stadtviertel Nervión. Ähnlich verhält es sich mit der politischen Gesinnung. Während die meisten Fanclubs von Arbeiterclubs dem linken Spektrum zugeordnet werden können, positionieren sich viele Anhänger von Betis eher in der rechten Szene.

Ob sein Verein nun Real heißt oder nicht, ist Paco Carrillo egal. Er tat es seinem Opa gleich und ist für seine Frau umgezogen. Seit 34 Jahren lebt er auf der Insel, vor 14 Jahren eröffnete er das Vera Cruz im Carrer del Pare Bartomeu Pou, eine Arbeiterkneipe mit einem Faible für Tischfußball.

In Spanien ist Real Betis ein beliebter Club. Umfragen ergeben immer wieder, dass viele Fußballfans neben ihrem Herzensverein mit den Andalusiern sympathisieren. „Wir sind ein bescheidener Verein, der hin und wieder mit seinen Mitteln die großen Clubs ärgert", sagt Carrillo. „1977 waren wir der erste Sieger der Copa del Rey." 2005 gewann das Team den Pokal erneut. Im Trophäenschrank ist auch eine Meisterschaft aus dem Jahr 1935 zu finden. Auch auf Mallorca ist die Zahl der Fans, die derlei zu erzählen wissen, beträchtlich. Zwölf Fanclubs und mehr als 300 Anhänger haben sich am Samstag für einen gemeinsamen Gang zum Stadion um 15.30 Uhr am S'Escorxador in Palma verabredet.

Sportlich läuft es derzeit schlecht bei den Andalusiern. Trotz namhafter Spieler wie dem Weltmeister Nabil Fekir, Europameister ­William Carvalho oder dem spanischen Nationalspieler Sergio Canales steckt das Team im Abstiegskampf. „Wenn wir diese Saison die Klasse halten, bin ich schon glücklich", sagt ­Carrillo, der das Spiel lieber in seiner Bar guckt. „Jedes Mal, wenn ich Betis im Son Moix gesehen habe, haben sie verloren. Da bleib ich dem Stadion lieber fern." Große Chancen räumt er seinem Team gegen die heimstarken Mallorquiner nicht ein. Der Inselclub ist froh über jedes Heimspiel. Denn auswärts ist das Punktekonto nach der 1:2-Niederlage gegen Levante am Freitag (22.11.) nach sechs Spielen leer. In der Tabelle hat Real Mallorca dank der Heimstärke zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Da es in der Woche darauf auswärts gegen Barça geht, müssen Punkte her.