Es sind wohl weniger die sportlichen Erfolge, die das Rathaus von Inca Mitte Oktober dazu bewogen haben, die Schwimmhalle nach Catalina Corró zu benennen. Ausschlaggebend ist vielmehr die Willensstärke der 24-Jährigen. Bei der Mallorquinerin haben Ärzte 2017 einen vier Zentimeter großen Gehirntumor entdeckt, den sie erfolgreich entfernen konnten. Ein Jahr später holte die Schwimmerin in 4:39.42 Minuten Gold über die 400 Meter Lagen bei den Mittelmeerspielen in Tarragona und übertrumpfte dort selbst die spanische Weltmeisterin und Olympiasiegerin Mireia Belmonte. Dieses Jahr kam der nächste Rückschlag: Corró musste im Oktober erneut operiert werden. Die MZ erreichte sie per Telefon in ihrem Wohnort Barcelona.

Wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Ich erhole mich sehr schnell. Ich kann zwar noch nicht viele Dinge machen, aber die Heilung müsste schneller gehen als beim ersten Mal. Ich stecke mittlerweile in der Rehabilitation und versuche langsam, meinen Körper wieder aufzubauen.

Wie kam es zu der erneuten OP?

Nach der ersten OP mussten die Ärzte fünf Prozent des Tumors drinlassen. Sie dachten, dass dieser Teil nicht wachsen würde. Jedoch haben sich die epileptischen Anfälle und Momente der geistigen Abwesenheit bei mir wieder gehäuft. Da war klar, dass irgendetwas los ist. Vor einem Jahr haben die Ärzte dann festgestellt, dass der Tumor doch wieder gewachsen ist und ich erneut unters Messer muss.

Wie haben Sie diese Nachricht aufgenommen?

Es war anders als beim ersten Mal. Damals dauerte es, bis ich die Situation realisiert hatte. Diesmal war es einfacher, da ich den ganzen Ablauf kannte. Dennoch hatte ich wahnsinnige Angst. Nicht nur, weil es eine höchst riskante Operation ist, sondern auch, weil die Ärzte erneut ein Stück vom Tumor in meinem Kopf lassen, der wieder wachsen kann.

Das heißt, der Albtraum ist noch nicht vorbei?

Ein Prozent des Tumors ist weiter in meinem Kopf. Den konnten die Ärzte nicht entfernen, da er zu nah an einer Arterie lag. Dennoch haben sie mir versichert, dass ich zu 99 Prozent nie wieder operiert werden muss. Das gibt mir Hoffnung.

Ihre Leidensgeschichte begann 2017. Wie erinnern Sie sich an damals zurück?

Es war ein schwieriges Jahr. Ich hatte viele epileptische Anfälle und keine Ahnung, woher die kamen. Es war eine Dauerschleife von medizinischen Untersuchungen, die immer wieder ergebnislos blieben. Vom Moment an, als feststand, dass ich einen Tumor habe, ging alles recht schnell. Zwei Wochen später wurde ich schon operiert. Erst danach wurde mir die Tragweite dieses Eingriffes wirklich bewusst.

Wie fühlt es sich an, wenn man so eine Diagnose gestellt bekommt?

Die ganze Welt, die du kennst, gleitet dir aus den Händen. Man kann absolut gar nichts kontrollieren. Dein ganzes Leben wird zerstört. Ich habe den Weg als Medizinstudentin und Leistungssportlerin eingeschlagen. Dann sagen mir die Ärzte, dass ich nach der OP vielleicht nie wieder ins Wasser springen darf. Da hat man nichts, woran man sich festhalten kann. Denn sonst half mir der Sport immer dabei, schlechte Nachrichten zu verarbeiten.

Wie haben Sie es dann geschafft, das mental zu verarbeiten?

Beim ersten Mal blieb gar keine Zeit, um das vor der OP zu verarbeiten. Diesmal haben mir mein Trainer und meine beste Freundin geholfen - wobei das nicht einfach war: Mir ging es richtig dreckig, und ich hatte eine schlimme Depression. Es kam so unerwartet. Wahr ist aber auch: Es ist zwar nicht schön, was mir passiert ist, es hätte aber auch schlimmer kommen können. Wenn der Tumor nicht entdeckt worden wäre, wäre ich nicht mehr hier. Man muss die Umstände akzeptieren, wie sie sind.

Wie sehr hat Sie das als Person verändert?

Es hat mich völlig verändert. Dinge, die mir früher unwichtig waren, haben für mich heute eine viel größere Bedeutung. Ich analysiere viele Situationen genauer und kann dadurch alles besser wertschätzen.

Keine drei Monate nach der OP waren Sie schon wieder im Schwimmbecken. Es gibt Fußballer, die mit einem Schnupfen länger pausieren.

Die Ärzte hatten mir gesagt, dass ich wohl ein Jahr lang auf das Schwimmen verzichten muss. Ich bin aber willensstark und habe meinen Kopf durchgesetzt. Ich wusste, dass es mir erst wieder gut geht, wenn ich zurück im Wasser bin. Beim ersten Training habe ich exakt zehn Meter geschafft. Aber für mich gibt es wenig Schöneres im Leben, als die Ruhe unter Wasser.

Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Trifft das Sprichwort auf Sie zu?

Auf jeden Fall. Es wäre aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen, das zwei Mal unter Beweis zu stellen. Aber da ich mich nun zwei Mal dem Tod gestellt habe, habe ich gezeigt, dass ich für alles im Leben bereit bin.

Ein Jahr nach Ihrer ersten OP holten Sie 2018 bei den Mittelmeerspielen Gold.

Weder mein Trainer noch ich hatten mit diesem Erfolg gerechnet. Fast noch wichtiger als der Sieg ist mir, dass ich einen neuen Mittelmeer-Rekord aufstellten. Hätte ich nach der OP nicht so früh mit dem Training angefangen, wäre das nicht möglich gewesen. Daher gefällt mir auch ein weiteres Sprichwort: Si quieres, puedes (Wenn du es willst, kannst du es auch schaffen).

Sie haben auf Mallorca jetzt Ihre „eigene" Halle. Dennoch leben Sie lieber in Barcelona. Wieso?

Ich kann es immer noch nicht wirklich glauben, dass das Rathaus die Halle nach mir benannt hat. Sie liegt in der Nähe vom Haus meiner Eltern und ich sehe sie immer, wenn ich da bin. Dennoch sind die Trainingsmöglichkeiten in Barcelona besser. Zudem studiere ich hier an der Uni.

Hängt Ihr Wunsch, Ärztin zu werden, mit Ihrem eigenen Schicksal zusammen?

Ich hatte schon vor der ersten Operation Medizin studiert. Das Studium hat mir aber geholfen, die Zusammenhänge zu verstehen und ruhig zu bleiben. Ich bin erst im zweiten Jahr, will später aber Chirurgin werden. Damit kann ich dann Menschen helfen, denen es wie mir ergeht.

Wie geht es bei Ihnen sportlich weiter?

Ich bin vergangene Woche wieder ins Training eingestiegen. Mein Trainer hat aber darauf geachtet, dass ich ganz langsam mache. Ich muss erst einmal sehen, wie mein Körper auf die Belastung reagiert. Geduld ist da das richtige Stichwort. Vielleicht kann ich im Sommer wieder auf hohem Niveau schwimmen. Langfristige Ziele setze ich mir aber nicht mehr. Vor meiner ersten OP hatte ich mir vorgenommen, bei den Olympischen Spielen in Tokio dabei zu sein. Jetzt lebe ich den Moment und genieße das Schwimmen. Wenn ich es eines Tages zu den Olympischen Spielen schaffe, dann gerne. Wenn nicht, dann ist es eben so. Es gibt wichtigere Dinge im Leben.