„Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen - und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Das bekannte Zitat vom Ex-Profi Gary Lineker lässt sich auf den Ironman ummünzen. 2019 gab es beim Finale auf Hawaii einen deutschen Doppelsieg. Bei den Männern ging der Titel in den vergangenen sechs Jahren stets an Deutschland. 2017 und 2018 hatte Patrick Lange die Ehre. Der 33-Jährige aus Bad Wildungen war 2018 auch Deutschlands Sportler des Jahres. 2019 lief es bei dem Triathleten hingegen durchwachsen. Er musste das Ironman-Finale vorzeitig ab­brechen. Lange trainierte drei Wochen lang auf Mallorca.

In einem vergangen Interview haben Sie der abgelaufenen Saison die Note 5 gegeben. War es das schwierigste Jahr Ihrer Karriere?

Das würde ich so nicht sagen. Ich habe mit der Asia Pacific Championship eine interkontinentale 70.3-Meisterschaft gewonnen. Das ist mir vorher noch nicht gelungen. Die zweite Saisonhälfte war natürlich viel schlechter als erwartet. Im Großen und Ganzen hatte ich aber schon schlechtere Jahre. Da stand ich aber nicht in dem medialen Fokus, in dem ich mich seit drei Jahren befinde.

Was war im Oktober auf Hawaii los?

Die Vorbereitung lief vielversprechend. Ich war in guter Verfassung. Am Tag vor dem Rennen habe ich jedoch einen Schwächeanfall gehabt. Ich bin für zwei Stunden auf dem Boden eingeschlafen. Am nächsten Morgen hatte ich einen viralen Infekt, der schlagartig kam. Ich habe mich dennoch dafür entschieden, an den Start zu gehen. So leicht wollte ich mich nicht unterkriegen lassen. Ich hatte mich immerhin das ganze Jahr darauf vorbereitet. Als das Radfahren begann und die Temperatur stieg, kam das Fieber zurück. Da musste ich die Reißleine ziehen. Ich hätte meine Karriere aufs Spiel gesetzt, wenn ich nicht ausgestiegen wäre.

Was ging da in Ihnen vor?

Ich war niedergeschlagen und wollte mich nur noch verbuddeln. Es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass einem der Körper einen Strich durch die Rechnung macht. Das hat ein paar Wochen gedauert, bis ich das verarbeitet hatte. Jetzt stehen die Zeichen aber wieder auf ­Angriff. Es gehört im Sport dazu, mal ins Klo zu greifen.

Ständig gewinnen die Deutschen auf Hawaii. Verliert Mallorca bald den Titel als beliebteste Insel?

In Sachen Ironman mit Sicherheit. Der Ironman auf Hawaii ist unser Heiliger Gral. Da hat Mallorca einen schweren Stand dagegen. Was die Trainingsbedingungen und die kulturellen Sachen anbelangt, ist Mallorca aber noch weit vorne. Ich bin jedes Jahr mindestens einmal auf der Insel und genieße es sehr.

Warum sind die Deutschen auf der Ironman-Distanz so stark?

Das hat verschiedene Gründe. Wir haben über Generationen hinweg eine gewachsene Triathlon-Elite gesehen. Mit Faris Al-Sultan hat mich ein ehemaliger Ironman-Gewinner trainiert, der seine Erfahrung weitergegeben hat. Schon in kleineren Klassen ist der Konkurrenzkampf sehr hart. Wenn man in Deutschland bei einem Dorftriathlon 500 Euro Preisgeld gewinnen möchte, muss man fast schon Profi sein. Durch Jan Frodeno, Sebas­tian Kienle und mich ist eine Dynamik entstanden, die viele zu besseren Leistungen motiviert. Es ist auch eine mediale Geschichte. Der Ironman Hawaii hat in Deutschland einen riesigen Stellenwert. Das schlägt sich bei der Wahl zum Sportler des Jahres nieder. Das wäre in anderen Ländern undenkbar. In England zum Beispiel: Alistair Brownlee hat zwei Mal Gold bei den Olympischen Spielen geholt und ist nur Fünfter bei der Wahl zum Sportler des Jahres geworden.

Jan Frodeno hat auf Hawaii seinen dritten Titel gefeiert und Ihnen die Rekordzeit abgenommen. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm und zu Kienle?

Wir sind sehr verschiedene Charaktere. Das empfinde ich trotzdem als ganz angenehm. Wir pushen uns auf immer höhere Level. Freunde werden wir aber wohl nicht mehr.

Ist etwas vorgefallen?

Zwischen Sebastian Kienle und mir hat es auch schon öffentlich gekracht, als er mir Windschattenfahren vorgeworfen hat. Er hat da eine aggressive Herangehensweise, was die Konkurrenz betrifft. Derartige Angriffe liegen mir fern. Dennoch: Wir haben ein kollegiales Verhältnis und geben uns vor dem Rennen die Hand. Es sind keine Feindschaften.

Sie haben mit Björn Geesmann einen neuen Trainer verpflichtet. Wie kam es dazu?

Nach vier Jahren war es Zeit für neue Denk­anstöße. Die Doppelbelastung als Bundestrainer und mein Trainer war für Faris Al-Sultan zu viel. Besonders im Hinblick auf Olympia 2020. Wir haben uns im Guten getrennt. Björn ­Geesmann soll neuen Wind und eine wissenschaftlichere Sichtweise reinbringen.

Neu in Ihrem Trainerstab ist auch ein Mentalcoach...

Da geht es um alltägliche Problemstellungen. Er soll mich unterstützen. Es ist ein Bereich, den ich zuvor nie angegangen war. Ich möchte mental stabiler werden, da auch der Druck gewachsen ist.

2020 wollen Sie das perfekte Ironman-Rennen abliefern. Wie ist ein Titel zu toppen?

Am Ende des Tages ist immer der Sieg entscheidend. Wie man dahin kommt oder sich dabei fühlt, ist erst mal nicht so wichtig. Bei beiden Ironman-Siegen hatte ich nicht unbedingt das beste Gefühl. In manchen Disziplinen musste ich extreme mentale Tiefpunkte und Hürden überwinden und meinen Körper antreiben. Es gibt seltene Wettkämpfe, wo einem alles gelingt. Man gleitet durchs Wasser, kann auf dem Rad alle Attacken problemlos abwehren und kommt förmlich in einen Lauf, wo alles von allein funktioniert. Danach streben und suchen Profisportler. So ein Rennen habe ich noch nie gehabt. Da stellt sich für mich die ­Frage, ob das durch das Training beeinflusst wird oder eine mentale Sache ist. Daher auch der Mentaltrainer.

Sie sind Vegetarier. Aus moralischen Gründen?

Ich hab vor zehn Jahren mit der vegetarischen Ernährung begonnen und damit gute Erfahrungen gemacht. Ich regeneriere schneller und fühle mich wacher. Wenn ich dadurch der Umwelt noch etwas Gutes tue, umso besser. Ich bin dabei kein militanter Vegetarier, der anderen sein Fleisch auf dem Teller ausreden möchte. Ich werbe aber dafür, dass es jeder mal ausprobiert.

Vor dem Trainingslager haben Sie einen Leistungscheck absolviert. Wie sind Sie drauf?

Für Dezember schon ganz gut. Zum Glück ­zeigen die Testergebnisse, dass ich nicht in Höchstform bin. Denn sonst würde ich etwas falsch machen. Mein nächster großer Wettkampf ist voraussichtlich erst in sieben Mo­naten. Ich muss einen Ironman absolvieren, um mich für das Finale zu qualifizieren. Bis ­dahin hangel ich mich mit kleineren Wettkämpfen durch.