Kay Rothenpieler ist wahrlich kein Glücks­pilz. Zu seiner aktiven Zeit ist der Ex-Hand­ballnationalspieler drei Mal im deutschen ­Pokalfinale gescheitert, und eine Verletzung verhinderte eine Olympiateilnahme. Mittlerweile ist der 48-Jährige Trainer des Zweitligisten ASV Hamm-Westfalen. Mit seinem Heimat­verein steht Rothenpieler vor der Rückkehr in die Bundesliga. Damit ginge für ihn ein Traum in Erfüllung - der dann aber auch wieder schnell enden würde. Unabhängig davon, ob sein Team den Aufstieg schafft, muss der Coach zum Saisonende seinen ­Arbeitsplatz räumen. Obwohl: In der Beziehung zwischen ­Rothenpieler und dem ASV Hamm hat es schon viele überraschende ­Wendungen gegeben.

Hallo Schwiegereltern

Da die Nationalmannschaften gerade um den EM-Titel spielen, haben die Vereine frei. „Das mit der Winterpause hat sich mittlerweile im Handball eingependelt. Jedes Jahr steht eine WM oder eine EM an", sagt Rothenpieler. Während die deutschen Fußballer fast alle ins Trainingslager nach Spanien aufbrechen, bleiben die Handballer oft in der Heimat. Immerhin leidet ein Hallensport nicht sonderlich unter dem Wetter. „Viele Vereine halten die Trainingslager in Sportschulen ab." Da die Schwiegereltern von Rothenpieler eine Immobilie in Calvià haben, plante er einen Mallorca-Besuch. Und nahm die Mannschaft gleich mit.

Als Spieler war Rothenpieler hauptsächlich für den ehemaligen Bundesligisten TV Niederwürzbach unterwegs. Elf Spiele absolvierte er für die Nationalmannschaft. Bei einem großen Turnier war er nie dabei. „Für Olympia 1996 in Atlanta hatte mich der Verband schon eingekleidet. Kurz vor dem Turnier verletzte ich mich aber." Deutschland schied, wie nun bei der EM auch, frühzeitig aus. „Wir haben in der Vorrunde einfach nicht gut gespielt", bilanziert Rothenpieler die derzeitige Lage. Nach einer Pleite trotz starker Leistung gegen Kroatien war der Traum vom Titel futsch. Auch Weltmeister Dänemark und die sonst so starken Franzosen flogen in der Vorrunde raus. „Einige Teams hatten den ­Fokus auf Olympia gelegt", sagt Rothenpieler. Das trifft auch auf Deutschland zu. Der Verband will nach wie vor in Tokio den Titel holen.

Mallorquiner weggeschossen

Eine Woche lang schufteten die Spieler des ASV Hamm-Westfalen im Trainingslager auf der Insel. In bis zu drei Einheiten pro Tag ging es neben taktischen Dingen vor allem um Fitness. Bis zum nächsten Ligaspiel am 2. Februar ist in Deutschland dann noch eine Woche Zeit. Der Verein nutzt sie für Testspiele gegen drei Erstligisten. Die Freundschaftsspiele gegen die mallorquinischen Clubs waren wenig ­aufschlussreich. „Die zweite deutsche Liga zählt zu den stärksten Ligen Europas", sagt Rothenpieler. Der mallorquinische Drittligist Marratxí konnte da nicht mithalten. 39:22 gewannen die Deutschen. Viertligist Mata de Jonc erwischte es mit 46:18 noch schlimmer. „Ich hatte mit den Verantwortlichen von Marratxí schon vorher Kontakt. Das sind fantastische Leute. Sie haben uns alles gegeben, was wir brauchten. Sportlich ist das aber doch ein anderes Niveau", sagt der Trainer.

Erst Aufstieg, dann Absturz

Der Verein aus der knapp 180.000 Einwohner großen Stadt im Nordosten von Dortmund spielte ein Jahr lang Bundesliga. 2009 fusionierten der ASV Hamm und die Ahlener SG. Gemeinsam schafften die Clubs in der Saison darauf den Aufstieg. „So ein Zusammenschluss ist nicht einfach. Man steht plötzlich mit 28 Spielern und zwei Trainerteams da."

Rothenpieler trat vom Traineramt ab und wurde Sportdirektor. Es war nicht einfach in der ersten Liga: „Der wirtschaftliche Sprung ist riesig. Wir haben von Anfang an nur um den Klassenerhalt gespielt." Nachdem Ahlen-Hamm in den ersten zehn Spieltagen nur ein Unentschieden holte, kehrte Rothenpieler auf die Trainerbank zurück. Er machte das Team wettbewerbsfähig. „Für den Klassenerhalt fehlte am Ende nur ein Punkt", erinnert sich Rothenpieler wehmütig. Danach räumte er erneut die Trainerbank und wollte erst einmal nichts mehr mit Handball zu tun haben . Stattdessen stieg Rothenpieler ins Familienunternehmen ein, ein Gartencenter.

Sein Team plagten nach dem Abstieg Finanzsorgen. Die Spielgemeinschaft mit Ahlen wurde aufgelöst. Da der Nachfolger von Rothenpieler erfolglos war, musste der 48-Jährige wenige Monate später wieder ran. Bei seiner dritten Amtszeit stabilisierte er das Team in der zweiten Liga. 2015 übergab er das Zepter erneut, und der ASV Hamm-Westfalen startete das „Projekt 2-5-1", also von der zweiten Liga in fünf Jahren in die erste Liga aufsteigen. Und nachdem zwischenzeitlich wieder der Absturz in die dritte Liga drohte, übernahm Rothenpieler 2017 erneut.

Nun also könnte der Fünfjahresplan in dieser Saison aufgehen. Hamm steht nach 18 Spieltagen auf dem zweiten Tabellenplatz. Die ersten beiden Mannschaften steigen direkt auf. „Unser Vorteil ist, dass wir die direkten Duelle gegen die Konkurrenz alle zu Hause austragen", sagt der Trainer.

Zum Saisonende muss er sich dann dennoch wieder einmal verabschieden. „Bei meiner Rückkehr hatten wir ausgemacht, dass ich drei Jahre bleibe. Der Verein will ein neues Gesicht auf der Bank sehen." Dabei würde er ob des derzeitigen Erfolges gern weitermachen. „Es ist mein Traum, noch einmal in der ersten Liga zu trainieren. Zwischen mir und den Vereinsverantwortlichen ist nichts vorgefallen. Etwas unverständlich ist die Entscheidung schon." Er hoffe nun auf attraktive Angebote. „Vielleicht ein ambitionierter Zweitligist oder ein Club im Ausland."

Möglicherweise läuft es bei Hamm aber nach einem etwaigen Aufstieg auch wieder schlecht, und Rothenpieler kann sich doch noch seinen Traum erfüllen.