Thomas Ullrich kann seine familiären Bande schlecht leugnen - und will es auch nicht. Würde er sich den Bart abrasieren, wäre die Ähnlichkeit zu seinem Bruder Jan gar nicht mehr zu übersehen. Wie der ehemalige Tour-de-France-Sieger startete auch der 42-Jährige eine Karriere im Radsport. Gesundheitliche Probleme zwangen ihn zu einem Job am Schreibtisch. Heute ist Thomas Ullrich verantwortlich für das Marketing des Fahrradverleihs Rad-Salon Mallorca. Um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, will das Unternehmen Luxusräder anbieten.

Den Brüdern nacheifern

Der Rostocker ist der Jüngste der drei Ullrich-Brüder. „Rangeleien gab es bei uns nicht. Wir waren immer wie beste Freunde und haben alles zusammen gemacht", sagt Ulle, wie sich Thomas Ullrich selbst nennt. Da die älteren Brüder mit dem Radsport anfingen, eiferte das Nesthäkchen ihnen nach. „Es begann damit, dass Jan mir ein Rennrad geschenkt hatte. Die gab es im Osten damals so gut wie nicht." Thomas wechselte auf ein Leistungszentrum und fuhr für das Nachwuchsteam TEAG Köstritzer. 1993 wurde er deutscher Vizemeister in seiner Altersklasse im Querfeldeinrennen. „Einige Trainer haben mir eine bessere körperliche Konstitution als meinem Bruder Jan attestiert. Zu einem guten Radsportler gehört aber auch eine starke Psyche dazu." Immer wieder plagten den Radsportler Knieprobleme. „Ich habe mich immer wieder rangekämpft, um dann wieder pausieren zu müssen. Das zermürbt

einen jungen Menschen."

Zweiter Bildungsweg

Während Thomas Ullrich um seine Karriere kämpfte, fuhr sein Bruder von Erfolg zu Erfolg. „Meine Familie kennt keinen Neid. Wie Jan sich durch sein unermüdliches Training an die Weltspitze gekämpft hat, war das Geilste, was ich je gesehen habe. Man muss mein Leben davon aber differenziert betrachten. Ich bin nicht Jan, sondern Thomas." Mit 21 Jahren musste er einsehen, dass es mit der Profi-Karriere im Radsport nichts wurde. „Ich musste meine größte Liebe, den Radsport, ziehen lassen. Das waren schwierige Zeiten für mich." An einem Abendgymnasium holte Ullrich seine Schulbildung nach und arbeitete bis 2017 als Manager in der Versicherungsbranche.

Konkurrenz zu Huerzeler

Im vergangenen Jahr hat der Rostocker seinen Bachelor in BWL abgeschlossen. „Ich wollte wieder im Radsport tätig sein." Da kam das Angebot von Thomas Britz, dem Chef des Rad-Salon, gelegen. Britz gründete den Radverleih 2011 in Saarbrücken, zwei Jahre später expandierte er nach Mallorca. Heute verfügt das Unternehmen über drei Läden an der Nordküste zwischen Can Picafort und Alcúdia sowie drei Stände in Hotels, darunter zwei in Can Pastilla. „2018 kamen 140.000 Radsporttouristen in der Hauptsaison auf die Insel. Die Hälfte davon hatte ein eigenes Rad dabei", sagt Britz. Um die andere Hälfte herrscht große Konkurrenz unter den Leihanbietern. Die meisten radlosen Urlauber greift Huerzeler ab. Danach folgt laut eigenen Aussagen schon der Rad-Salon. „Unser Verhältnis zu Huerzeler ist gut. Wir müssen ihm dankbar sein, dass er den Radsport auf der Insel überhaupt erst salonfähig gemacht hat", sagt Britz.

Kontakt zum Bruder

Thomas Ullrich soll mit seiner Erfahrung, seinen Kontakten und auch seinem Namen der Firma helfen. Der andere mögliche Markenbotschafter, sein Bruder, ist nach seinen Eskapaden 2018 etwas abgetaucht. Laut Medienberichten ist der 46-Jährige von seiner Finca auf Mallorca zurück nach Merdingen gezogen, wo er bereits zu seiner aktiven Zeit lebte. „Jan geht es gut", sagt Thomas Ullrich, der nur ungern über seinen Bruder reden möchte. „Wir stehen regelmäßig in Kontakt, so wie das bei Brüdern nun einmal so ist."

Räder so teuer wie Kleinwagen

Die neue Marketingstrategie von Thomas Ullrich sieht vor, auf Luxusräder zu setzen. Die können dann schon mal bis zu 20.000 Euro kosten. „Die Nachfrage ist da", sagt Ullrich. Während ein durchschnittliches Leihrad einen Neuwert von bis zu 4.000 Euro hat und 140 Euro pro Woche Ausleihe kostet, gibt es die Luxusräder für etwa 340 Euro die Woche. Durch die Probefahrten sollen auch potenzielle Käufer angeworben werden. „Über eine Finanzierung machen wir die Räder auch der Mittelklasse zugänglich", sagt Ullrich. So können sich die Hobbyfahrer bei der Ausfahrt durch die mallorquinischen Berge wie ein Profi bei der Tour de France fühlen.