Es wirkt zuweilen zärtlich, wie die Kämpfer auf der Matte im „Hugo Kan Karate-Dojo" in Palma eng umschlungen herumrollen. Die schmerzverzerrten Gesichter lassen dann aber doch erahnen, dass es sich um einen Kampfsport handelt. „Beim Jiu Jitsu geht es darum, den Gegner mit Techniken bewegungsunfähig zu machen", sagt Juan Reyes. Der 47-Jährige war 2014 Weltmeister. Heute trainiert er in Palma die Mallorquiner in der Sportart, die eigentlich als Selbstverteidigung erfunden wurde.

„Jiu Jitsu geht auf die tibetanischen Mönche zurück. Sie dürfen keine Waffen verwenden. Um sich dennoch vor Angreifern zu ­schützen, haben sie diese Kampftechnik erfunden", so Reyes. Später hätten sich die japanischen Samurai den Kampfstil angeeignet und den ­Kimono als Bekleidung eingeführt. „In Japan war Jiu Jitsu nur der wohlhabenden Bevölkerung ­vorbehalten. Es durfte schließlich nicht sein, dass Banditen die Techniken lernen", so Reyes.

Anfang des 20. Jahrhunderts brachte der japanische Großmeister Mitsuyo Maeda das Jiu Jitsu nach Brasilien, wo er es einer Familie namens Gracie beibrachte. Diese entwickelte den Kampfstil weiter und erfand das Brazilian Jiu Jitsu, welches Juan Reyes heute in Palma lehrt. „Die Gracie hatten viele Kinder. Der jüngste Bruder war seinen Geschwistern körperlich unterlegen. So überlegte er, wie er sich behaupten kann. Im Brazilian Jiu Jitsu nutzt der Kämpfer die Beine und das Körpergewicht des Gegners. Mit einer Hebelwirkung kann man so selbst viel schwerere Gegner besiegen."

Reyes war früher Boxer

Reyes kommt aus Ourense (Galicien) und wohnt seit 31 Jahren in Palma. „Früher war ich Boxer und Kickboxer und brachte mit ordentlich Muskelmasse 100 Kilogramm auf die ­Waage." 2006 lernte er einen französischen Jiu-Jitsu-Kämpfer kennen. „Ich hab nicht viel von den Techniken gehalten. Als mich dann aber ein 60 Kilogramm schwerer Mann auf die Matte warf, war ich überzeugt." Nach der anfänglichen Skepsis trainierte Reyes täglich und ­arbeitete sich bis zum Weltmeistertitel 2014 hoch. Er trägt den schwarzen Gürtel, hinter dem roten Gürtel der zweithöchste Rang. „Im Karate oder Judo braucht man in der Regel nur vier Jahre, um den schwarzen Gürtel zu erlangen. Im Jiu Jitsu habe ich 13 Jahre gebraucht."

Die Wettkämpfe starten wie im Judo im Stehen. „Während dort aber der Kampf endet, wenn einer der Kämpfer auf der Matte liegt, geht es bei uns dann erst richtig los." Zehn ­Minuten dauert ein Kampf, wenn keiner der Kämpfer vorher aufgibt. „Mit Beinklammern oder Armhebeln versuchen wir, den Gegner zu strangulieren." Dafür gibt es Punkte. Nach zwanzig Sekunden müssen die Kämpfer einen Würgegriff abbrechen und eine neue Technik anwenden. Sonst gibt es Punktabzug.

Lungenembolie verhindert weiteren Titel

Der Wahlmallorquiner wollte eigentlich seinen WM-Titel verteidigen. Nach einer Lungenembolie musste er aber den Kämpfen fernbleiben. Auch seinem Job als Automechaniker kann er nicht mehr nachgehen. So mietete er sich mit seinem Club Aranha Mallorca im ­Karate-Dojo in Pere Garau ein und nahm Schüler auf. „Heute gibt es fünf Jiu-Jitsu-Clubs auf der Insel. Bei uns sind etwa 40 Leute angemeldet."

Wer sich selbst mal in der Sportart ver­suchen möchte, kann bei den Kursen für Anfänger montags und mittwochs ab 20.30 Uhr vorbeischauen (aranhamallorca.com). „Im ­Prinzip kann jeder Jiu Jitsu lernen. Nicht alle halten es aber aus, wenn ein anderer Mensch auf einem liegt und Druck ausübt." Die Mitgliedschaft kostet im Monat 45 Euro. Dafür kann man auch täglich zum Training kommen.

Neben der Sicherheit, die einem die Selbstverteidigungstechniken geben, sei Jiu Jitsu auch gut, um sich schlechte Angewohnheiten abzugewöhnen. „Durch den Kampf erlernt man Disziplin. Das hilft einem, mit dem Rauchen oder Trinken aufzuhören." Deshalb wäre Reyes auch nicht glücklich, wenn seine Sportart eines Tages olympisch wird. Entsprechende Pläne liegen vor. „Das zerstört die Essenz des Jiu Jitsu. Es würden zahlreiche neue Regeln eingeführt, die den Sport kaputtmachen. Ähnlich ist es dem Judo ergangen."