Sportfans hassen die Sommerpause. „An spielfreien Samstagen sieht man meist Männer mit leeren Gesichtsausdrücken um die Stadien geistern, die nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen", drückte es mal der Kabarettist Frank Goosen aus. Die Corona-Krise ist wie eine Extremversion der Sommerpause. Die Sehnsucht nach dem Sport lässt jetzt auch die Dokumentationen boomen. Vergangene Woche ist die Michael-Jordan-Doku „The Last Dance" auf Netflix angelaufen. Der Sender ESPN, der die Serie in den USA zeigt, verzeichnete mit im Schnitt 6,1 Millionen Zuschauern eine Rekordquote.

Aktuell laufen bei den Streaminganbietern viele derartige Dokumentationen erfolgreich. Der Zuschauer sollte dabei aufpassen, dass er nicht an Marketingprojekte gerät, wie es bei den Serien über die Fußballclubs Manchester City, Borussia Dortmund oder Juventus Turin der Fall ist. „Der aufgeklärte Fan muss erkennen, dass solche Formate kein Journalismus sind und man damit keinen kritischen Blick auf etwas wirft, sondern dass das letztlich Elemente der Selbstdarstellung und Vermarktung sind", sagt Sebastian Uhrich, Professor für Sportbetriebswirtschaftslehre in Köln dem „Deutschlandfunk". Die MZ stellt eine Auswahl an Dokumentationen vor, die die Sportsehnsucht in Corona-Zeiten lindert.

Neue Filme

Die Netflix-Produktion „Last Chance U" von Greg Whiteley über American-Football-Teams in US-amerikanischen Colleges hat viele Kritiker überzeugt. Derzeit läuft die vierte Staffel. Die deutsche Übersetzung wirkt jedoch holprig, und den Protagonisten fehlt es an Charisma. Besser ist Whiteleys zweites Werk „Cheer". Dort begleitet er das Cheerleading-Team des Navarro College, das zu den besten des Landes gehört. Die Doku räumt mit dem Vorurteil auf, dass Cheerleader nur dumme Blondchen sind und zeigt die Aufopferung, die dahintersteckt.

Ebenfalls bei Netflix läuft seit Februar die zweite Staffel von „Drive to Survive". Hier geht es um die vergangene Formel-1-Saison. Im Gegensatz zur ersten Staffel sind diesmal alle zehn Teams zu sehen. Die Dokumentation nimmt den Zuschauer mit zu ihren wichtigen Besprechungen und schneidet auch die Flüche nicht weg, die den Fahrern und der Crew auffallend oft entgleiten. Authentizität ist in dieser Hinsicht also gewährleistet.

Amazon Prime hat gleich zwei Dokus mit dem Namen „All or Nothing" - beide sind sehenswert. In der fünften Staffel der American-Football-Variante geht es um die Philadelphia Eagles. Das Kamerateam hat den Super-Bowl-Sieger von 2018 während der vergangenen Saison begleitet. In der Fußballversion geht es um die brasilianische Nationalmannschaft rund um die Copa América 2019.

Einen tollen Einblick hinter die Kulissen eines professionellen Clubs gibt es bei „Sunderland 'Til I Die" auf Netflix. Derzeit läuft die zweite Staffel. Eigentlich wollte der Streaming­anbieter den Verein bei der Rückkehr in die Premier League filmen. Doch es folgte der Absturz in dritte Liga. Die Dokumentation zeigt, wie die Transferverhandlungen ablaufen. Ein Muss für alle Möchtegern-Manager.

In die gleiche Richtung geht es bei ­„Monchi 13". Die Serie auf dem Youtube-Kanal des FC Sevilla ist mehr eine Vortragsreihe. Sportdirektor Ramón Rodríguez Verdejo, als Monchi bekannt, schildert in 13 Folgen, wie das Geschäft abläuft. Der 51-Jährige gilt als Experte, wenn es darum geht, Transfererlöse durch Spielerverkäufe zu erzielen.

„Kaiser!" auf Movistar handelt von Carlos Henrique Raposo. Der Brasilianer konnte nicht wirklich Fußball spielen, stand aber trotzdem bei vielen Proficlubs unter Vertrag, weil er immer eine Ausrede parat hatte und sich bei den Kollegen einzuschmeicheln wusste.

Die Klassiker

Sönke Wortmann hat mit „Deutschland, ein Sommermärchen" den ersten Platz der Kinocharts erreicht. Der Film bleibt zwar oberflächlich, ist aber mitreißend. Ähnlich steht es um den Nachfolger 2014 „Die Mannschaft". Das „Sommermärchen" gibt es bei Youtube, den WM-Sieg bei Dailymotion, kostenlos.

Wesentlich tiefgründiger ist „Trainer!". Der Film von Aljoscha Pause aus dem Jahr 2013 begleitet eine Saison lang die deutschen Trainer Frank Schmidt, André Schubert und ­Stephan Schmidt. Die Doku wurde in acht Sprachen übersetzt und gilt als Meisterwerk. Sie ist derzeit im Stream bei Maxdome oder Amazon Prime zu sehen.

„Höllentour" zeigt die Qualen der Radsportler bei der Tour de France. Der Film von Regisseur Pepe Danquart fokussiert sich auf das Telekom-Team um die Fahrer Erik Zabel und Rolf Aldag bei der Tour 2003. Kritikpunkt: Doping ist in der Doku kein Thema. Den Film gibt es bei Youtube.

Der Rumble in the Jungle zählt zu den ­legendärsten Sportveranstaltungen aller Zeiten. Muhammad Ali traf 1974 in Kinshasa auf George Foreman. In „When We Were Kings" wird dieser Kampf porträtiert. Der 1996 entstandene Film erhielt den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Die Originalversion auf Englisch gibt es bei Amazon Prime.

Ein Klassiker ist auch „Senna" über den brasilianischen Rennfahrer, der 1994 bei einem Unfall starb. Der britische Regisseur Asif Kapadia stützt sich auf Archivaufnahmen und lässt Zeitzeugen zu Wort kommen. Bei Amazon Prime und Maxdome.

Mit Mallorca-Bezug

„A Perfect Plan" ist sicherlich keine kritische Berichterstattung, dafür eine emotionale Zusammenfassung der Rückkehr von Real Mallorca in die Primera División. Der Verein hat den Film Anfang des Jahres präsentiert. Spieler, Trainer und Verantwortliche schildern aus ihrer Sicht, wie der Durchmarsch von der dritten in die erste Liga klappte. Die Dokumentation ist auf Youtube zu sehen.

Das Klippenklettern ohne Hilfsmittel nennt sich Psicobloc. Der 2019 verstorbene Mallorquiner Miquel Riera gilt als sein Erfinder. In der TV-Reihe „Al filo de lo imposible" (Am Rande des Unmöglichen) stellte er seine Sportart vor. Die Doku gibt es auf Youtube.

Zu den Neuzugängen bei Netflix zählt „Ein unerwarteter Tag im Radrennsport". In der bislang sechsteiligen Serie geht es um das spanische Eliteteam Movistar, dem die beiden Mallorquiner Lluís und Enric Mas angehören.