Als Retter hat Manix Mandiola seinen Platz in der Geschichte von Atlético Baleares schon ­sicher. 2018 bewahrte er den Club des deutschen Eigentümers Ingo Volckmann vor dem Absturz in die vierte Liga. Im Jahr darauf scheiterte der Arbeiterclub nach einer herausragenden Saison knapp im Play-off-Finale. Schafft der baskische Trainer im zweiten Anlauf (siehe Kasten rechts) am Sonntag (19.7., 22 Uhr) im Endspiel gegen Cartagena den Aufstieg, kann er wohl für eine Statue posieren. Die Statistik spricht aber gegen den 62-Jährigen.

Play-offs in dieser Form hatten Sie sich ­sicher nicht gewünscht...

Ich habe schon viele Play-offs gespielt. Natürlich ist es diesmal anders. Aber vielleicht hilft uns das. Wir haben im Vorjahr gesehen, dass wir es unter normalen Umständen nicht schaffen und noch zusehen mussten, wie die Gegner in unserem Stadion den Aufstieg feiern. Diesmal spielen wir auf neutralem Boden. Das finde ich attraktiv.

Wie gehen Ihre Spieler damit um?

Ich glaube, die sehen das genauso wie ich. Ich habe sie aber nicht gefragt. Die Spieler können nach 90 Minuten in die zweite Liga aufsteigen. Viele von ihnen werden so eine Chance nie wieder bekommen. Daher sollten sie voller Vorfreude sein.

Ist das Team nach der Corona-Pause fit?

Die Unterbrechung des Wettbewerbs hat ­niemandem gutgetan. Aber unser Team ist konkurrenzfähig. Wirklich.

Die Pause hat Atlético Baleares in einem Tief erwischt. Die Mannschaft hatte gerade zwei Spiele in Folge verloren...

Das stimmt. Wir hatten aber auch viele ver­letzte Spieler. Nun kann ich fast auf den ­kompletten Kader zurückgreifen.

Wie bewerten Sie Ihre bisherige Saison?

Eine 10.

Die Bestnote?

Wenn ich uns als Tabellenführer nicht die ­beste Note gebe, was bleibt dann noch für den ­Tabellenletzten übrig?

Ihre Spieler haben gesagt, dass Sie während der Quarantäne nicht mit ihnen in Kontakt standen. Stimmt das?

Mit den Spielern, die den Alarmzustand auf der Insel verbracht haben, hatte ich am wenigsten Kontakt. Sie waren schließlich zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld. Ich habe etwas mehr mit den Fußballern gesprochen, die durch die Quarantäne von ihrer Familie getrennt waren.

Sie selbst haben die Zeit im Baskenland verbracht. Konnten Sie abschalten?

Ich bin zwischen Mallorca und meiner Heimat Eibar gependelt. Im Baskenland lebe ich in den Bergen. Dort ist man von der Außenwelt isoliert, aber ich finde immer etwas zu tun. Ich habe weder abgeschaltet noch wie besessen die ganze Zeit an Fußball gedacht. Ich habe die Nachrichtenlage mit den Ansteckungen und den Todeszahlen, aber auch die geplante Rückkehr des Sports verfolgt. An einem gewissen Punkt habe ich festgestellt, dass ich eh nichts ändern kann und habe einfach die Entscheidung abgewartet.

Sie haben sich einen Quarantäne-Bart stehen lassen?

Man hat mir oft gesagt, ich sei mit verdecktem Gesicht hübscher. Daher der Bart.

Warteten Ihre Spieler auch mit Überraschungen auf?

Sie sind Profis. Wenn sie weiter im Geschäft bleiben wollen, müssen sie auf sich selbst ­achten. Einige hatten zwar ein paar Pfund mehr auf den Rippen. Aber das hält sich alles im Rahmen.

Sie bereiten sich seit anderthalb Monaten auf ein Spiel vor. Wie geht das?

Da muss ich improvisieren. Niemand hat so eine Situation mal erlebt, und ich versuche lediglich, dass die Spieler körperlich fit sind. Das Problem ist, dass wir uns nicht unter Wettkampfniveau ausprobieren können. Wir durften zwar ein paar Testspiele absolvieren, das ist aber nicht das Gleiche. Das hat man bereits in der Vorbereitung auf die Saison gesehen. Da probiert man Tausende Sachen aus und weiß am Ende dennoch nicht, woran man ist.

Angeblich soll Ihr Ligakonkurrent Ibiza über einen absichtlichen Ausbruch des Virus nachgedacht haben, damit die Play-offs nicht gespielt werden und das Team direkt aufsteigt. Das ist etwas makaber, oder?

Wissen Sie, woran das liegt? Da es kein Fußball gab, hatten die Leute viel Zeit zum Reden. Und irgendetwas musste gesagt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand die ­Gesundheit der Gesellschaft dafür riskiert. Jede Mannschaft hat versucht, das Beste für sich rauszuholen: Der Fünftplatzierte wollte die Saison fortsetzen, um es noch in die Play-offs zu schaffen. Der Tabellenletzte wollte den Abbruch, um dem Abstieg zu entgehen.

Halten Sie die Entscheidung letztlich für fair?

Ich denke schon. Blöderweise sind wir sehr stark von unseren Fans abhängig, und die Unterstützung wird uns in den Play-offs fehlen. Aber die Leute halten schöne Momente immer in Erinnerung. Die Balearicos schwärmen noch heute vom Aufstieg vor 60 Jahren. Die Fans werden auch diesmal dem Ganzen etwas Positives abgewinnen.

In der Saisonvorbereitung haben Sie einen Test gegen Cartagena mit 2:3 verloren. Können Sie daraus Rückschlüsse ziehen?

Nicht wirklich. In der Vorbereitung waren wir nicht mal in der Lage, gegen Viertligisten zu gewinnen. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich gar nicht an das Spiel erinnert, wenn Sie nicht danach gefragt hätten.

Cartagenas Trainer Borja Jiménez meinte, er hätte stundenlang Videos Ihrer Mannschaft gesehen, um sich vorzubereiten. Was halten Sie davon?

Im Fußball geht es nur um das Ergebnis. Es ist derselbe Trainer, der uns im Vorjahr mit Mirandés im Play-off-Finale geschlagen hat. Damals fehlte uns das Glück bei einem Torschuss in der letzten Aktion. Wenn der Ball reingegangen wäre, hätte all sein Videostudium nichts genützt. Nach Mirandés ist Jiménez nach Griechenland gegangen. Wenn sein Videostudium so erfolgreich ist, dann frage ich mich, warum man ihn dort derartig vom Hof gejagt hat. Ich bin kein Fan von Videoanalysen und werde meinem Team keinen zweistündigen Film vorspielen. Ich vertraue lieber auf meine Erfahrungen. Zumal die Spieler bei solchen Videoanalysen eh immer „Ja" sagen und es im Spiel dann doch anders machen.

Hegen Sie noch Groll gegen Jiménez wegen der verlorenen Partie im Vorjahr?

Nö. Wenn ich auf alle sauer wäre, die mich mal besiegt haben, könnte ich mit der halben Welt nicht mehr reden.

Jiménez hat Ihr Team als aggressiv und mutig bezeichnet und erwartet ein rasantes Spiel mit viel Platz für beide Mannschaften. Sehen Sie das ähnlich?

Ich arbeite darauf hin, dass dem nicht so ist. Wir werden versuchen, unser Spiel aufzuziehen und die Lücken zu nutzen, die Cartagena uns anbietet.

Haben Sie die Aufstellung schon im Kopf?

Bis auf zwei, drei Positionen ist sie mir schon ziemlich klar. Es wird keine großen Überraschungen geben. Kein Spieler wird überrascht sein, wenn er auf der Bank sitzt oder die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sagen: „Oh Gott, ich muss wirklich spielen?"

Samuel Shashoua ist nach seiner starken Vorsaison zum Zweitligisten Tenerife gewechselt, wo er nicht zum Zug kam. Nun ist er auf Leihbasis zurück. Wie geht es ihm?

Samuel hatte sich zum Ende der vergangenen Saison verletzt und die letzten anderthalb Monate die Zähne zusammengebissen. Daher konnte er seitdem nicht mehr spielen. Jetzt sind seine Akkus wieder aufgeladen, und ich sehe ihn in einer guten Verfassung.

Für Sie persönlich werden es die achten Play-offs sein. Ihre Statistik ist nicht son­derlich gut...

Da muss ich korrigieren: Von der dritten in die zweite Liga habe ich sieben Aufstiegsrunden gespielt und eine gewonnen. Dafür habe ich von der vierten in die dritte Liga den Aufstieg in einem Anlauf geschafft. Das habe ich noch gut in Erinnerung, da es einer der wenigen Erfolge war und die Ausgangssituation ungünstig war. Wir waren Vierter und haben uns gegen die drei Mannschaften vor uns durchgesetzt. Es stimmt, dass ich an die anderen nur ungern zurückdenke. Drei davon waren ähnlich knapp wie die Pleite im Vorjahr mit Atlético Baleares.

Schuldet der Fußballgott Ihnen daher noch einen Aufstieg?

Der Fußball hat mir so viel gegeben. Ich bin glücklich. Die Fans von Atlético Baleares aber hätten sich die Freude über den Aufstieg ­verdient.

Wie würde es mit der Mannschaft im Aufstiegsfall weitergehen?

Drei oder vier Spieler würden weiter Stammkräfte sein. Andere drei oder vier schaffen es vielleicht auf die Bank und weitere drei oder vier schaffen es ins Team, ohne aber wirklich eine Rolle zu spielen. Die restlichen zehn müssen sich einen neuen Club suchen. So ist das nun einmal im Fußball

Ihr Vertrag läuft aus. Wie geht es bei Ihnen weiter?

Ich habe meine Entscheidung getroffen. Die habe ich Patrick Messow und Ingo ­Volckmann auch schon in persönlichen ­Gesprächen mitgeteilt. Der Öffentlichkeit ­verrate ich sie aber erst nach der Werbung.

Play-offs: So wird gespielt und so können Sie zuschauen

Die Play-offs um den Aufstieg in die zweite Liga werden in Málaga nach alt­bekanntem Muster ausgespielt. Zuerst treffen die Tabellenführer der vier ­Gruppen aufeinander. Neben der Partie Atlético Baleares?-?Cartagena spielt an diesem Sonntag Castellón gegen Logroñés. Beide Sieger haben ihr Ticket für die zweite Liga sicher. Bei einem Unentschieden gibt es Verlängerung und Elfmeterschießen. Die Verlierer bekommen eine zweite Chance und steigen in die Halbfinals der Aufstiegsrunde der Zweit- bis Viertplatzierten ein, wo weitere zwei Aufsteiger ausgespielt werden. Die Spiele werden auf der kostenpflichtigen Plattform footters.com übertragen. Für die Fans hatte Atlético ­Baleares eine Reise nach Málaga geplant, um beim Spiel zumindest in der ­gleichen Stadt zu sein. Diese musste der Verein nun aber absagen.