Einmal um die Welt segeln, ganz allein. 46.300 Kilometer müssen die Einhandsegler mit Booten der Open-60-Klasse zurücklegen, ohne Hilfe und ohne Zwischenstopp. Die Vendée Globe ist die härteste Regatta der Welt. Ganz unmittelbar: Seit 1992 haben zwei Segler bei dem ­Rennen das Leben gelassen, einer gilt als verschollen. Didac Costa kam bei der vergangenen Ausgabe 2016 nach 108 Tage und 19 Stunden an. Im November will sich der 39-jährige Katalane zum zweiten Mal bei dem Rennen ver­suchen, das alle vier Jahre in Frankreich startet. Sein Schiff „One Planet One ­Ocean" ließ er dafür im Hafen von Palma warten.

Der Mindestabstand ist in diesen Tagen wichtig. Muss es aber gleich eine selbst auferlegte Quarantäne sein?

Das ist ein treffender Vergleich. Sowohl beim Rennen als auch beim Alarmzustand ist man auf einem engen Raum eingesperrt. Wir tun uns das für den Sport freiwillig an.

Wie halten Sie es 108 Tage auf dem Schiff aus, ohne vor Einsamkeit durchzudrehen?

So ganz allein bin ich dann doch nicht. Ich stehe die ganze Zeit im Austausch mit meinem Team an Land, das mir meteorologische Daten zukommen lässt. Ich habe ein Telefon und sogar Internet. Ich schicke meiner Familie Fotos und Videos, damit ich mit ihnen im Kontakt bleibe. Viel Zeit bleibt für private Angelegenheiten aber nicht.

Wie feiern Sie Weihnachten?

Genau wie Silvester ist die Feier etwas anders als sonst. Ich gönne mir ein paar Kleinigkeiten bei der Verpflegung, um die Routine aufzubrechen. Zum Beispiel eine kleine Champagnerflasche. Das Boot muss aber auch an den ­Feiertagen segeln und tut das nicht allein. Ich rechne damit, dass ich Weihnachten im Süden von Australien und Silvester vor Neuseeland bin. Dann habe ich immerhin die halbe Strecke schon geschafft.

Es ist Ihre zweite Teilnahme. Hat Ihnen der Kick beim ersten Mal nicht gereicht?

Als ich vor vier Jahren das Rennen beendet habe, kam ich völlig erschöpft an. Zu dem Zeitpunkt kann man sich natürlich überhaupt nicht vorstellen, das Ganze noch einmal auf sich zu nehmen. Doch im Lauf der Zeit kehrt der Ehrgeiz zurück, und man will es besser ­machen. Das ist das Ziel.

Sie setzen auf den Sieg?

Nein, das ist zu schwierig. Die Boote sind zwar alle von der gleichen Klasse, aber es gibt ältere und neuere Schiffe. Im Prinzip kann man sich das Ergebnis schon vorher ausrechnen. Es reicht, darauf zu schauen, zu welcher Generation das Schiff gehört. Manche Teams haben sich zudem besser vorbereitet und einen größeren Etat zur Verfügung. Es hängt nicht alles nur vom Steuermann ab. Dann kommt noch der Zufallsfaktor hinzu. Wir steuern durch fast unbekannte Gewässer, wo das Meer wild sein kann. Es kann immer etwas passieren, was dich zum Aufgeben zwingt. Wegen alledem habe ich eher bescheidene Ziele.

Die da wären?

Mein Ziel ist, in weniger als 100 Tagen anzukommen.

Was ist die größte Gefahr beim Rennen?

Ein großes Problem ist der Müll, der im Meer schwimmt. Davon gibt es immer mehr. Das können alte Container oder Reste von Fischerbooten sein. Eine Kollision kann dazu führen, dass Wasser ins Boot dringt und dich schnell vor große Hürden stellt. Die Schiffe sind zwar bestmöglich auf solche Fälle vorbereitet, doch man kann ein Kentern nie zu 100 Prozent ausschließen. Man kann nicht die ganze Zeit nach vorne gucken, um zu sehen, was da treibt. Es gab auch schon Zusammen­stöße mit Walen. Zudem sorgt der Klima­wandel dafür, dass rund um die Antarktis mehr Eisberge treiben.

Was war der kritischste Moment, den Sie vor vier Jahren erlebt haben?

Das war kurz nach dem Start. Wir haben Wassertanks auf dem Boot, die zur Stabilität beitragen. Die kann ich je nach Situation mit Meerwasser befüllen. Ich hatte das beim Start getan. Einer der Schläuche war jedoch kaputt und hat das Wasser direkt ins Boot gepumpt. In zehn Minuten hatte ich einen halben Meter Wasser im Boot. Zum Glück erlaubt es das ­Regelwerk, dass man zum Starthafen zurückkehren kann. Nach vier Tagen war das Problem gelöst und ich konnte mich wieder auf die ­Reise machen. Wäre mir das auf hoher See ­passiert, hätte ich aufgeben müssen.

In den Anfangsjahren der Vendée Globe in den 90er-Jahren gab es Tote und Verschollene. Ist das Rennen heutzutage sicherer?

Ja, wir haben viel mehr Informationen über das Wetter, und die Kommunikation mit anderen Booten ist viel einfacher. Die anderen Wettkampfboote haben meist den kürzesten Rettungsweg, da wir in Gebieten segeln, die Hubschrauber nicht erreichen können. Und Flugzeuge können höchstens deinen Standort lokalisieren.

Es gibt demzufolge mehr Kameradschaft als Konkurrenz?

Natürlich will jeder schneller als der andere sein. Aus Solidarität sind wir aber dazu verpflichtet, den anderen zu helfen. Wir können ja niemanden ohne Hilfe zurücklassen.

Was passiert im Krankheitsfall?

Das ist ein großes Problem. Schließlich sind wir allein, und das Boot muss weitersegeln. Ich habe einen ziemlich umfangreichen Erste-Hilfe-Kasten und habe auch eine Fortbildung auf diesem Gebiet absolviert. Über das Telefon kann ich auch einen Arzt erreichen.

Mit Boris Herrmann gibt es erstmals einen deutschen Teilnehmer. Er meinte, dass die Segler nicht mehr als 30 Minuten am Stück schlafen können. Stimmt das?

Das stimmt. Wir müssen stets achtsam sein, ob sich der Wind dreht. Dafür gibt es verschiedene Alarmsysteme. Je nach Wetterbedingungen kann man bis zu 40 Minuten am Stück schlafen. Das akkumuliert sich dann zu Stunden.

Wie ernähren Sie sich auf hoher See?

Da ist es wichtig, dass die Vorräte nicht viel wiegen. Ich habe dehydriertes Essen dabei. Das gibt es in Tütenform. Mit einem Camping­kocher erhitze ich Wasser und bereite mir so die Mahlzeit zu. Es gibt Fleisch, Pasta und sogar Nachtisch aus der Tüte. Das macht 90 Prozent der Ernährung aus. Einige Segler setzen zudem auf Nahrungsergänzungsmittel. Astronauten machen es ähnlich. Es ist zwar praktisch, und ich muss später keine Teller waschen, aber mit der Zeit ist es wenig abwechslungsreich.

Und Trinkwasser?

Da hab ich eine Maschine an Bord, die mir aus dem Meerwasser Trinkwasser zubereitet.

Was kostet das ganze Projekt?

Einige Teams geben bis zu fünf Millionen Euro aus. In meinem Fall sind es etwa 400.000 Euro. Das übernehmen Sponsoren, den Rest begleicht das Team aus der eigenen Tasche.

Ihr Schiff wird zeitgleich für Forschungszwecke genutzt?

Das Boot ist mit einem Sensor ausgestattet, der die ganze Zeit die Temperatur und den Salz­gehalt des Meeres misst. Mit einem kleinen Netz fangen wir zudem Plankton, um zu schauen, wie viel Leben es in den Gewässern gibt, wo sonst kaum ein Mensch entlangsegelt.