Der FC Barcelona ist derzeit ein Scherbenhaufen. Fast wöchentlich beschwert sich Superstar Lionel Messi nach seinem gescheiterten Abgang im Sommer über dies und das. Präsident Bartomeu trat nach zahlreichen Protesten von Spielern und Fans Ende Oktober zurück. Der Verein ist wegen fehlender Einnahmen in der Corona-Krise hochverschuldet und laut Medienberichten im Januar bankrott. Und sportlich läuft es nach dem Neustart unter Trainer Ronald Koeman nur in der Champions League. In der Primera División dümpeln die Katalanen nach der 0:1-Pleite am Samstag (21.11.) gegen Atlético Madrid weiter im Tabellenmittelfeld. Nun soll - oder besser gesagt: will - Toni es richten. Rafael Nadals Onkel, früherer Trainer und Mentor ist im Gegensatz zu seinem Real Madrid zugetanen Neffen

Barça-Anhänger. Er unterstützt die Kandidatur von Wirtschaftsboss Víctor Font - Gründer der Zeitung „Ara" und Vorsitzender des Investmentfonds Delta Partner Groups - für den Posten des Präsidenten. Sollte Font gewählt werden, will Toni Nadal den Spielern endlich Manieren beibringen. Die Wahlen sind derzeit für den 24. Januar geplant. Neben Font gibt es derzeit sieben weitere Kandidaten.

Dieses Interview stammt aus der MZ vom 26. November. Beim Gehaltsverzicht haben mittlerweile Profis und Club eine Einigung erzielt.

Warum ist Víctor Font der beste Mann für den Job des Präsidenten?

Er ist ein katalanischer Unternehmer aus

Granollers. Er will Barça helfen, indem er die Strukturen des Clubs modernisiert und den Verein so weit es geht umgestaltet, damit er auch in den kommenden Jahren einer der besten der Welt ist. Víctor kommt bei der arbeitenden Bevölkerung gut an. Er kann die Leute überzeugen und vertritt ihre Meinung.

Welche Rolle spielen Sie dann?

Ich soll als Bindeglied zwischen den verschiedenen Institutionen fungieren und mich um das korrekte Verhalten kümmern.

Wie kann man sich das vorstellen?

Wir wollen den Leuten im Club bewusst machen, dass sie nicht nur Fußball oder Basketball spielen, sondern etwas viel Größeres repräsentieren. Sie halten die Hoffnungen und Träume von vielen Fans in ihren Händen.

Wollen Sie den Spielern Werte eintrichtern, wie Sie es einst bei Ihrem Neffen Rafael getan haben?

Die Leute müssen glücklich sein, ein Teil von Barça sein zu dürfen. Sie müssen sich ihrer Arbeit hergeben. Es muss sich etwas in der Welt des Fußballs ändern. Dabei geht es um kleine Details. Wenn eine Mannschaft einem Gegner eine schmerzhafte Niederlage zufügt, gibt es oft unsportliche Verhaltensmuster. Barça ist ein Sportclub und muss sich als solcher benehmen. Das heißt, einen fairen Kampf abliefern. Das müssen wir erreichen.

Bei einer hohen Führung machen manche Fußballer Tricks, statt ernsthaft zu spielen. Wollen Sie das sogenannte Hacke, Spitze, ein, zwei, drei verbieten?

Nein, um die Spielweise geht es mir gar nicht so sehr. Die Spieler sollen den Gegner einfach nicht auslachen. Ein Roger Federer hat sich nie über uns lustig gemacht, wenn er Rafael Nadal auf dem Platz eine Tracht Prügel ausgeteilt hat.

Ist der Mangel an Disziplin einer der Gründe dafür, warum der FC Barcelona ein derzeit so schlechtes Bild abgibt?

Das trägt sicherlich dazu bei. Es fehlt diese Einstellung, dieses Wissen, dass man Teil eines großen Clubs ist. Manche Verhaltensweisen dürfen sich so nicht wiederholen.

Der Club hat Schulden in Höhe von 820 Millionen Euro. Im Januar droht ein Insolvenzverfahren. Wie kann der Verein sich retten?

Die Finanzsituation ist sehr kompliziert. Das geht nicht nur Barça so, sondern vielen Unternehmen. In der Fußballwelt gibt es oft das Problem, dass die Vereine lediglich als Sportvereine und nicht als Unternehmen geführt werden. Das aber sind sie nun einmal, ob es einem gefällt oder nicht. Víctor Font ist ein hervorragender Betriebswirt. Es liegt an ihm, eine Lösung zu finden.

Ist die Existenz von Barça bedroht?

Nein, der Club wird nicht verschwinden. Aber natürlich müssen wir in dieser Situa­tion vorsichtig sein. Vor allem, wenn der Club weiter in den Händen seiner Mitglieder bleiben und nicht von einem Investor geführt werden soll.

Die Liga hat in der vergangenen Woche die Gehaltsobergrenzen der Vereine veröffentlicht. Der FC Barcelona muss die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 190 Millionen Euro kürzen. Die Profis lehnen einen Gehaltsverzicht ab. Bleibt da als letzte Lösung nur noch die Entlassung?

Wir müssen den Spielern klarmachen, wie gravierend die derzeitige Situation ist. In Krisenzeiten muss man zusammenrücken. Wir werden am Ende die Spieler davon überzeugen und die bestmögliche Lösung finden. Da bin ich mir sicher.

Ein Dauerthema ist der mögliche Abgang von Lionel Messi. Ab dem 1. Januar kann er frei mit anderen Teams über einen neuen Vertrag verhandeln. Sie haben immer wieder betont, dass Sie ihn unbedingt halten wollen. Wie wollen Sie das schaffen?

Wir müssen ihn von unserem Projekt überzeugen, ihm klarmachen, dass wir ein Siegerteam auf die Beine stellen werden, das die Champions League gewinnen wird und ihm die Chance auf den Titel des Weltfußballers ermöglicht, Messi hat sich jahrelang bei Barça wohlgefühlt. Da müssen wir wieder hingelangen.

Sie haben also noch Hoffnung, dass Messi nicht wie von vielen erwartet bei Manchester City unterschreibt?

Hoffnung habe ich, Informationen aber keine. Ich vertraue darauf, dass Messi bei uns bleiben möchte. Wenn er letztlich geht, soll es nur nicht unsere Schuld gewesen sein.

In der Liga steht Barça mit elf Punkten aus acht Spielen auf dem 13. Platz. Wie bewerten Sie die sportliche Situation?

Wir werden langsam besser. Wenn wir das mit dem Fußball vergleichen, den wir bei der Klatsche in der vergangenen Saison gegen die Bayern gezeigt haben, haben wir Fortschritte gemacht. Wir sind noch nicht auf dem Top-Niveau angekommen, das wir anvisieren. Aber wir haben Chancen in der Liga und der Champions League. Wenn wir unseren Weg weitergehen, werden wir Titel holen.

Müssten Sie für die Stelle bei Barça Abstriche bei Ihrem Job als Leiter von Nadals Tennisakademie machen?

Theoretisch kann ich beides machen. Ich weiß aber nicht, wie es genau sein wird. Zuerst müssen wir die Wahl gewinnen. Danach unterhalten wir uns darüber, welches Ausmaß meine Tätigkeit haben wird.

Ihr Bruder Miguel Ángel hat Legendenstatus bei Barça, Sie selbst sind ein treuer Fan. Wie kommt es, dass Ihr Neffe dennoch Anhänger von Real Madrid ist?

Er kann sich selbst das Team aussuchen, welches er unterstützen will. In seinem Fall ist das nun einmal Real Madrid. Mich stört das nicht.