Real Sociedad aus San Sebastián führt seit sechs Spieltagen die Tabelle der Primera División an. Das Team überzeugt mit jungen Talenten, die einen ansehnlichen Offensivfußball zeigen. Mit dabei, wenn auch eher am Spielfeldrand, ist Miguel Ángel Moyà. Der 36-Jährige aus Binissalem - 274 Erstligaspiele und Champions-League-Finalist mit Atlético Madrid 2016 - ist der Ersatztorwart. Dennoch gebe es keinen Ort, an dem er derzeit lieber wäre als in San Sebastián, sagt er.

In den vergangenen 16 Jahren hat immer ein Team aus Barcelona oder Madrid die Meisterschaft gewonnen. Wird das diese Saison anders?

Das würde ich gerne bejahen. Die Saison ist aber lang und wir haben gerade mal ein Viertel aller Spiele absolviert. Wir hatten einen traumhaften Start und viele Leute meinen, dass es unser Jahr oder das von Atlético Madrid sein wird. Die großen Teams kehren aber immer wieder auf die Bildfläche zurück. Daher müssen wir vorsichtig sein.

Liegt es an der Pandemie, dass der FC Barcelona und Real Madrid derzeit so schwach sind?

Da kommen wohl mehrere Faktoren zusammen. Barça befindet sich in einer Übergangsphase. Real Madrid konnte wegen der Pandemie nicht wie gewollt auf dem Transfermarkt zuschlagen. Jedoch wünscht sich jedes andere Team einen Kader wie diese beiden Clubs zu haben. Bei der Qualität gibt es keine Ausreden. Die Liga kann nur ein Team gewinnen. Vergangene Saison hat Real Madrid gewonnen. Dadurch haben sie Barça und Atlético Madrid unter Zugzwang gesetzt. Diesen Druck haben wir nicht. Wir haben die Illusion, etwas Großes zu erreichen.

Hat Ihre Mannschaft das Zeug dazu, den Titel zu gewinnen oder ist das bloß eine Glückssträhne?

Diese Frage wäre perfekt fünf Spieltage vor Saisonende, wenn sich die Situation abschätzen lässt. Derzeit ist es noch zu früh. Allein schon durch unsere Teilnahme am Wettbewerb haben wir logischerweise Chancen auf den Titel. Natürlich sind diese kleiner als bei den großen Favoriten.

Wie erklären Sie sich den derzeitigen Erfolg?

Es ist ein Mix aus harter Arbeit, der Qualität im Kader und der Ambition von jungen Spielern. Hinzu kommt ein unerfahrenes Trainerteam. Unser Trainer ist zwar schon ewig im Verein, aber für ihn ist es erst die zweite Saison in der ersten Liga. Das sorgt dafür, dass er mit Vorfreude an die Herausforderung herangeht. Sicherlich trägt auch die Spielweise dazu bei. Den Fußballern im Verein wird von kleinauf beigebracht, dass sie die Kontrolle im Spiel übernehmen müssen und den Gegner frühzeitig attackieren.

Laut Experten ist David Silva das entscheidende Puzzlestück, um aus einem guten Team eine Spitzenmannschaft zu machen€

Wir sprechen hier von einem der besten Spieler der spanischen Fußballgeschichte. Und den haben wir in unseren Reihen. Er ist die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte. Wir waren schon zuvor auf allen Positionen stark besetzt. Aber David passt zu uns wie die Faust aufs Auge.

Verzweifeln Sie als Torwart, wenn ein ehemaliger Weltmeister im Training Ihnen ein Tor nach dem anderen einschenkt?

So etwas hat mich nie gestört. Wenn jemand mir ein Traumtor einschenkt, bin ich der erste, der dem Schützen gratuliert. Andersrum freut sich David auch für mich, wenn ich mit einer Glanzparade seinen Abschluss ruiniere.

Ihr Trainer Imanol Alguacil hat behauptet, David Silva sei besser als Maradona. Wie sehen Sie das?

Er hat nicht gesagt, dass er besser als Maradona sei, sondern dass er mit seiner Spielweise uns eher als ein Maradona helfen kann. David Silva arbeitet mehr nach hinten. Bei Real Sociedad kann sich kein Spieler aus den Defensviarbeiten herausnehmen.

Real Sociedad ist im Durchschnitt eine der jüngsten Mannschaften der Liga. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?

Weder das eine noch das andere. Es ist die Realität. Vielleicht fehlt auf der einen Seite hin und wieder ein Ticken Erfahrung, auf der anderen Seite spürt man dann aber in manchen Situationen auch den Schwung, den junge Spieler mit sich bringen.

Mit 36 Jahren sind Sie fast der Opa des Teams. Erspart Ihnen das die klassischen Aufgaben wie Toreschleppen und Bälleeinsammeln im Training?

Das fast können Sie aus der Frage streichen. Ich kann praktisch der Vater von einigen meiner Mitspieler sein. Das stört mich aber nicht. Das gehört zum Fußball dazu. Erst ist man das Nesthäkchen, später der Haudegen. Auf eine gewisse Hierarchie muss man schon achten. Durch meine Art bin ich aber der letzte, der sich bei solchen Arbeiten herausnimmt. Ich helfe dem Team, wo ich kann.

Von Ihnen wird erwartet, dass Sie die jungen Spieler führen. Wie machen Sie das?

Ausgerechnet heute hat mich ein Trainer zur Seite genommen und mir gesagt: 'Du hast keine Ahnung, welchen Wert du mit deiner Persönlichkeit und deiner Trainingsleistung für das Team hast.' Für mich ist das natürlich. Ich bin eine optimistische Person und mir gefallen keine Trauerminen. Daher muntere ich meine Mitspieler immer auf. Auf gewisse Weise ist das ansteckend.

Derzeit haben Sie gegen Álex Remiro das Nachsehen. Begnügen Sie sich in Ihrem Alter mit einem Bankplatz?

Das Wort 'Begnügen' passt nicht zu einem Fußballer. Ich kann meine Rolle aber gut ausfüllen und bin da, wenn man mich braucht. Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere angekommen, an dem ich festgestellt habe, dass das Wohl des ganzen Teams zu meinem persönlichen Wohl beiträgt. Wenn ich dem Team von der Seitenlinie aus helfen soll, dann mache ich das. Meine Trainingsleistungen sind auch dafür verantwortlich, dass sich Remiro derart verbessert hat. Durch die Konkurrenzsituation schaukeln wir uns gegenseitig hoch. Gleichzeitig ist er aber ein guter Freund von mir.

Ein Torwartwechsel passiert im Fußball eigentlich nur bei Verletzungen oder in Krisenzeiten. Hand auf's Herz: Hoffen Sie insgeheim, dass Ihr Kollege patzt?

Das Karma würde zurückschlagen, wenn ich meinem Mitspieler Pech wünsche. Wie Sie gesagt haben, ist ein Torwartwechsel ungewöhnlich. Aber diese Saison habe ich in der Europa League gegen Alkmaar eine Chance bekommen, obwohl Remiro gesund und gut drauf war. Ich bin sehr zufrieden damit, wie der Trainer mit mir umgeht. Ich bin mir sicher, dass ich im Saisonverlauf noch weitere Chancen erhalten werde.

Sie haben in einem anderen Interview gesagt, dass Sie hoffen, dass es nicht Ihre letzte Saison im Profifußball sein wird. Von welchen Faktoren hängt die Entscheidung ab?

In erster Linie von mir, dass ich weiter Fußball spielen will. Körperlich fühle ich mich gut und habe weiter Lust. Dann brauche ich natürlich ein Team, das mir einen Vertrag geben will. Ich wäre bereit, bei Real Sociedad zu verlängern. Wie zuvor ist auch das eine Frage, die ich erst gegen Ende der Saison ehrlich beantworten kann.

Bereits vor dieser Saison haben Sie für einen neuen Vertrag eine Gehaltskürzung um 50 Prozent akzeptiert. Spielt das Geld bei Ihrer Zukunftsplanung schon keine Rolle mehr?

Bei einer Vertragsverhandlung gibt es mehrere Faktoren. Das Geld hat bei mir nicht mehr oberste Priorität. Ich habe auf die Hälfte des Gehalts verzichtet, weil es der Club ist, bei dem ich sein möchte. Meine Familie fühlt sich in San Sebastián wohl. Die Leistung des Teams hat nun meine Entscheidung bestätigt.

Was beeindruckt Sie so an San Sebastián?

Auf sportlicher Ebene ist es ein ambitionierter Club, der sich nach oben keine Grenzen setzt. Die Infrastruktur und das Stadion sind neu. Die Fans sind wunderbar. Sie lassen dich in Ruhe dein Leben leben, nicht wie bei anderen Teams, wo du ständig die Aufmerksamkeit hast. Die Stadt bietet eine hohe Lebensqualität. Die Wege sind kurz. Aus gastronomischer Sicht ist es einer der besten Städte der Welt. Die Kombination ist perfekt.

Sie hatten auch ein Angebot für eine Rückkehr zum Spitzenclub Atlético Madrid?

Ein offizielles Angebot gab es nicht, daher habe ich auch nichts abgelehnt. Es hätte sicherlich eine Möglichkeit gegeben, da dort der Ersatztorwart weggegangen ist. Im Endeffekt waren es aber mehr Gerüchte in den Zeitungen.

Viele Spieler wollen ihre Karriere bei ihrem Heimatclub beenden. Verfolgen Sie das Geschehen bei Real Mallorca?

Ich schließe nichts aus. Hätte ich dieses Jahr nicht bei Real Sociedad verlängert, wäre die Insel sicherlich auch eine Möglichkeit gewesen. Es wäre schön, den Kreis zu schließen. Man weiß aber nie, was im Profileben passiert. Unter Trainer Luis García Plaza habe ich drei Jahre lang bei Getafe gespielt. Er ist ein Arbeiter, der ein gutes Verhältnis zu seinen Spielern pflegt.

Der E-Sport wird immer beliebter. Sie spielen aber nicht Fifa, sondern sind ein Simracer. Was ist das?

Seit vielen Jahren habe ich eine Leidenschaft für Autos. Das Rennfahren ist mein Hobby. Da ich als Profifußballer dafür keine Zeit habe, habe ich geschaut, welche Möglichkeiten es gibt, um das zu Hause zu tun. Eine Firma aus Bilbao haben mir einen Simulator zur Verfügung gestellt. Das ist super, da ich bei einem Unfall nicht meine Karriere gefährde und keinen Schaden bezahlen muss. Wie im Fußball gibt es unterschiedliche Ligen je nach Fahrkönnen.

Wären Sie gerne Rennfahrer?

Ich kann Ihnen versichern, dass ich sofort nach meinem Karriereende bei nationalen Meisterschaften mitfahren werde. Schließlich muss ich dann noch einige Jahre meines Lebens füllen. Eines Tages möchte ich bei den 24-Stunden-Rennen von Montmelo und Le Mans mitfahren. Dort gibt es das Konzept des Gentleman Drivers. Du bezahlst deinen Anteil am Auto und kannst mit Profifahrern ein Team bilden.

Den klassische Weg eines Ex-Profis, der Trainer wird, wollen Sie nicht gehen?

Ich sage schon seit vielen Jahren, dass mich der Trainerberuf nicht reizt. Das heißt nicht, dass ich mich komplett aus dem Fußballgeschäft entferne. Aber Trainer werde ich sicherlich nicht. Der Druck ist schon im Spielerleben enorm. Bei einem Trainer ist er nochmal höher. Man muss schwierige Entscheidungen treffen und hat keine Zeit für Familie oder Hobbys.