Für alle, die im Physikunterricht nicht immer bei der Sache waren: Auf dem Wasser gibt es nur zwei Möglichkeiten, von der Stelle zu kommen. Die eine heißt Verdrängen, die andere Gleiten. Erstere kommt auf den Weltmeeren in knapp 90 Prozent aller Fälle zur Anwendung. Frachter, Fähren, Kriegs- oder Kreuzfahrtschiffe drängen, schieben oder pflügen ihre tonnenschwere Last dank Tausender Pferdestärken aus dem Maschinenraum durch die See.

Etwas weniger mühselig funktioniert das Gleiten: Leichtgewichtigere Fahrzeuge wie Segelboote, Kajaks, Jetskis oder Windsurfer reduzieren den Reibungswiderstand im Wasser durch geringen Tiefgang und kleiner Rumpf- oder Auflagefläche.

Doch egal, ob man verdrängt oder gleitet: Verglichen zu Asphalt und Straße kommt man auf dem Meer nur sehr, sehr langsam voran.

Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Schiffbauingenieure in Deutschland und Italien erstmals auf die Idee, den physikalischen Beschränkungen bei der Geschwindigkeit von Wasserfahrzeugen ein Schnippchen zu schlagen. Sie montierten kleine Flügel mit 90-Grad-Knick unter die Rümpfe, die - ähnlich wie bei Flugzeugen - selbst bei geringer Antriebsgeschwindigkeit einen starken Auftriebsschub erzeugten. Ziel war es, nicht nur das ganze Boot aus dem Wasser zu heben, sondern es anschließend auch ins rasante Gleiten zu bringen. Diese später im Englischen als Hydrofoils bezeichneten Unterwasser-Kufen führten innerhalb der folgenden Jahrzehnte zur Entwicklung sogenannter Tragflächenboote, die doppelt oder gar dreifach höhere Geschwindigkeiten auf dem Wasser erzielten als ihre flügellosen Verwandten.

Voraussetzung: Wenig Last

Doch der scheinbar revolutionäre Technik-Trick, den weltweiten Schiffsverkehr fortan auf Tragflügel über die Ozeane gleiten zu lassen, um damit deutlich höhere Reisegeschwindigkeiten und weitaus niedrigere Treibstoffkosten zu erzielen, erwies sich in der Praxis letztendlich als Seifenblase. Hydrofoils funktionieren ausschließlich unter zwei Bedingungen, die im globalen maritimen Frachtverkehr zwischen Kap Hoorn und Skagerrak eher selten gegeben sind - ruhige See und wenig Last.

Die Pläne zum Bau hochseetüchtiger und kommerziell einsetzbarer Tragflächen-Frachter, die statt mehrerer Wochen womöglich wenige Tage für eine Atlantiküberquerung benötigen, verschwanden daher bereits in den 1960er-Jahren aufgrund ihrer unvorhersehbaren Entwicklungskosten und technischen Beschränkungen wieder in der Schublade von Werften und Bootsbauingenieuren. Übrig davon blieben auf der Welt ein paar Dutzend kleiner, noch heute operierender Tragflächen-Passagierfähren, die fast ausschließlich auf wellenlosen Gewässern wie Flüssen oder Seen zwischen Donau und Victoria als Touristenattraktion zum Einsatz kommen.

Die Stunde der Segler

Vielversprechender entwickelte sich die Hydrofoil-Technik im gleitfähigeren Segelsport. Ende der 90er-Jahre erhob der Internationale Segelsportverband ISAF eine von australischen Tüftlern entwickelte Einhand-Tragflügel-Jolle unter der Bezeichnung Moth zur offiziellen Wettbewerbsklasse. Allerdings: Einen halben Meter über der Wasseroberfläche auf Zentimeter langen Tragflächen zu fegen und dabei auch noch in Sekundenschnelle waghalsige Wendemanöver zu fahren, blieb vorerst nur absoluten Cracks vorbehalten.

Im Jahr 2013 wurde die berühmteste Segelregatta der Welt, der America' s Cup, erstmals unter Hydrofoil-Katamaranen ausgetragen. Das weltweit übertragene Medien-Spektakel millionenteurer Doppelrumpf-Segelyachten, die auf Tragflügeln mit Geschwindigkeiten von knapp 50 Knoten (etwa 92 Kilometer pro Stunde) über das Regattafeld flogen, führte zu einem Hydrofoil-Hype innerhalb der internationalen Freizeit-Wassersportbranche.

Auch auf Mallorca. „Wir werden seit vergangenem Jahr mit Anfragen nach Foilsurfing-Kursen aus Deutschland und anderen Ländern geradezu überschüttet", sagt Mike Weber, Co-Geschäftsführer der Schule Mallorca Kitesurf, die seit dem Jahr 2014 in der Bucht von Pollença Einzel- und Gruppenkurse im Wind- und Kitesurfen anbietet. Dass sich immer mehr Hobbysurfer für den Ritt übers Wasser auf Tragflügeln interessieren, habe verschiedene Gründe: „In den vergangenen Jahren wurde die Hydrofoil-Technik immer weiter verbessert und verfeinert. Das Segeln oder Surfen auf Tragflächen war anfangs nur echten Könnern vorbehalten. Heutzutage ist das anders", so Weber. Die Konstruktion der Flügel wurde den Anforderungen der Masse an Freizeitsurfern angepasst, „sie sind jetzt breiter und damit auch stabiler als früher, um auf dem Board leichter manövrieren zu können."

Größter Vorteil der Foils sei auch nicht mehr die im Vergleich zu normalen Boards höheren Geschwindigkeiten auf dem Wasser, sondern vielmehr die Möglichkeit, selbst bei wenig Wind ins Gleiten zu kommen. „Konventionelle Wind- oder Kitesurfboards brauchen dafür in der Regel mindestens zehn bis zwölf Knoten. Mit Flügeln beginnt der Spaß dagegen bereits bei sechs Knoten. Sie können dadurch also viel öfter genutzt werden."

Das Foil- und Nicht-Foilsurfen unterscheidet sich im Wesentlichen in zwei Aspekten: Verletzungsgefahr und Fahrfeeling. „Der nur Millimeter dünne Flügel unter dem Brett kann beim Kentern zu ernsten Schnitt- oder Bruchverletzungen führen. Aus diesem Grund gehören Helm und Aufprallschutzweste zur Standardausrüstung", erklärt Weber. „Die Flügel heben das Brett je nach ihrer Länge bis zu einem halben Meter aus dem Wasser. Bereits nach kurzer Zeit stellt sich dabei das Gefühl ein, über dem Meer zu fliegen." Angeblich kaum zu beschreiben.

Nächster Trend: Wing-Surfen

Tragflächenflügel werden seiner Meinung nach auch in anderen Wassersportarten zukunftsweisend sein. Perfektes Beispiel dafür das seit Kurzem ebenfalls in Mode gekommene Wing-Surfen: Statt mit einem Segel wie beim Windsurfen oder einem an langen Zugleinen hängenden Drachen wie beim Kiten lassen sich Wing-Surfer ausschließlich mithilfe ihrer Oberarme übers Wasser ziehen. Ein kleiner aufblasbarer Segeldrachen dient dabei als Antrieb und Lenkrad zugleich. „Ohne Foil-Technik wäre diese neue Wassersportart unmöglich", sagt Mike Weber. „Tragflügel lassen sich auch unter Stand-up-Paddles, Kajaks oder Jetskis montieren." Echt abgehoben.