Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das war offenbar das Motto von Marvin Olawale ­Akinlabi Park, der es vor drei Wochen erstmals in die Startelf von Real Madrid geschafft hat. „Der Junge hat nie ein Wort gesagt. Weder zu mir noch zu den Mitspielern. Er war extrem schüchtern", erinnert sich Xisca Coll, die damals Teambetreuerin beim Inselclub Penya Arrabal war, von wo aus Park 2016 zu den ­Königlichen gewechselt ist.

Angeblich sollen die Verantwortlichen der Madrilenen anfangs nicht geglaubt haben, dass Marvin Park Spanier ist. Wirklich mallorquinisch klingt der Name des 20-Jährigen nicht. Der in Palma geborene Sohn eines Nigerianers und einer Südkoreanerin reiht sich in die fußballerischen Inselexporte ein, die bei den Spitzenclubs für Schlagzeilen sorgen. Fünf Mallorquiner sind von ihren je­weiligen Vereinen für die K.-o.-Runde der Champions League gemeldet. Neben Mateu Morey von Borussia Dortmund und Toni Moya von Atlético Madrid hat Real Madrid drei Insulaner am Start: Neben Marco Asensio und Park ist der 19-jährige Innenverteidiger Pablo ­Ramón gemeldet.

Park startete bei Atlético Rafal die Profikarriere. Als seine Eltern in England Arbeit fanden, zog er mit neun Jahren nach Birkenhead, eine Kleinstadt in der Nähe von Liverpool. Dort kickte er für die Tranmere Rovers. 2012 zog es die Familie zurück auf die wärmere und sonnigere Insel. Im Jahr darauf lernte er Xisca Coll kennen. „Er spielte gemeinsam mit meinem Sohn für La Salle. Da dort der Trainer aufhörte und zu Penya Arrabal wechselte, folgten ihm gleich acht Spieler, darunter ­Marvin und mein Sohn", sagt Coll, die als Teambetreuerin mitzog. „Am Anfang hat der Junge mir große Sorgen gemacht, da er nicht gesprochen hat. Erst langsam wurde mir klar, dass es sein Charakter ist. Seine Eltern haben mir auch versichert, dass er sich wohlfühlt."

Der Club, der auf einem Platz nur wenige Meter weg vom Stadion von Real Mallorca spielt, setzt nur auf die Nachwuchsarbeit. „Die meisten Vereine auf der Insel machen das so. Nur wenige haben Herrenteams. Mit 18 Jahren werden die Spieler praktisch vor die Tür gesetzt", sagt Coll, die heute Teambetreuerin der balearischen Landesauswahl ist.

Auch wenn Penya Arrabal nicht sonderlich ruhmreich klingt, so spielt der Verein in der Jugendabteilung dennoch in der División de Honor, der höchsten Jugendliga Spaniens, gegen Teams wie den FC Barcelona. „Real Mallorca und das Filialteam San Francisco sind auch dort vertreten. Sie schnappen sich die größten Talente der Insel", sagt Coll, die im Nachwuchsfußball zwei verschiedene Typen von ­Eltern unterscheidet: „Diejenigen, die ­wollen, dass die Kinder einen Ausgleich zur Schule haben. Das Kind soll Spaß am Sport haben, das Ergebnis ist egal. Kommt dann aber der Anruf von Real Mallorca, sagt so gut wie keiner Nein. Und dann gibt es die Eltern, die ihre Kinder als Abbild von sich selbst sehen. Sie wollen mehr und sehen die Clubs immer als zu schlecht für ihren Nachwuchs an."

Für Penya Arrabal bleibt daher meist nur die Resterampe übrig. Oder Spieler, die unter dem Radar bleiben. Wie eben Marvin Park. „Er war zwar immer ­einer der Besten im Team, aber nie so wie Marco Asensio oder Luka ­Romero, wo man schon im sehr jungen Alter das große ­Talent gesehen hat", sagt Coll. Erst in der Saison 2015/2016 gelang ihm der Durchbruch. „Er spielte eine fantastische Saison und überzeugte mit der Balearen-Auswahl bei der spanischen Meisterschaft. Im Fe­bruar 2016 kam das ­Angebot von Real Madrid. Gleichzeitig hat sich Real ­Mallorca um ihn bemüht, kam aber zu spät."

Xisca Coll war traurig ob des Abschieds. „Jetzt, wo du endlich aufgetaut bist und mit uns sprichst, gehst du, habe ich ihm scherzend vorgeworfen." Bei den Madrilenen brauchte der Mallorquiner auch wieder einige Monate, ehe er sich heimisch fühlte. Er durchlief die ­Jugendmannschaften und wechselte 2019 in den Männerbereich, wo er für Castilla, die zweite Mannschaft, unter Fußballlegende Raúl ­González spielte. „Er hatte schon immer einen enormen Antritt und ein wahnsinniges Tempo, auch mit Ball", sagt Coll. „Unter Raúl hat er dann auch noch das Verteidigen gelernt." Ähnlich sieht es der Nachwuchstrainer der Madrilenen. „Er ist der schnellste Spieler, den ich je gesehen habe. Er hat die Beine eines Sprinters", so Álvaro Benito zur Zeitung „El País".

Während Park beim Inselclub meist als zentraler Stürmer spielte, ist er bei Real Madrid als Außenbahnspieler vorgesehen. Bereits im vergangenen Sommer durfte er bei einem Testspiel gegen Getafe für die Profis von Zinédine Zidane ran. Sein Erstliga-Debüt feierte er im September gegen Real Sociedad. Vor zwei Wochen folgte der erste Startelf-Einsatz, der auch den vielen Verletzungen im Kader geschuldet war. Wieder ging es gegen Getafe, Park musste als offensiver Außenverteidiger ran. Da auch Marco Asensio spielte, war es das erste Mal seit 72 Jahren, dass zwei Mallorquiner zu Spielbeginn für die Königlichen aufliefen. „Er hat sich nicht viel getraut. Er muss versuchen, noch mehr Vorteil aus seiner Geschwindigkeit zu ziehen", so Benito. Nach 55 Minuten musste Park mit Muskelproblemen ausgewechselt werden, die ihn bis heute vom Platz fernhielten.

Vielleicht feiert der 20-Jährige in der Champions ­League sein Comeback. Dort geht es am 16.3. erneut gegen Atalanta Bergamo.