Entspannen, den Kopf ausschalten und an nichts denken - das ist eines der Geheimnisse, um beim Apnoe-Tauchen möglichst lange die Luft anhalten zu können. Man darf dabei aber nicht einschlafen. „Die Spanier lachen sich noch heute darüber schlapp", sagt Nicolai Gebhardt. „Bei einem Wettkampf war ich so in Trance, dass ich den Startschuss nicht mitbekommen habe." Der Deutsche ist balearischer Meister, Inhaber aller Rekorde sowie Vorsitzender des Verbands und Chef des einzigen Clubs der Sportart auf Mallorca. Am Samstag (27.3.) taucht er bei den Meisterschaften in der Schwimmhalle Melani Costa in Calvià ab.

Das Tauchen ohne Sauerstoffflasche oder andere technische Hilfsmittel wird auf der Insel immer beliebter. Die Sportler wollen ihre Lunge etwa dafür trainieren, um im Meer die Unterwasserlandschaften genießen zu können oder Fische zu jagen. Einige wie Nicolai Gebhardt betreiben Apnoe auch aus sportlichem Ehrgeiz. „Ich bin 2001 als professioneller Flamenco-Tänzer auf die Insel gekommen. Nach Kursen zum Tauchführer wurde mir klar, dass es mir nur mit Badehose und ohne die ganze Ausrüstung wesentlich mehr Spaß macht", erzählt der 52-jährige Hamburger. 2005 trat er das erste Mal bei der balearischen Meisterschaft an. Bis heute ist er bei allen Wettkämpfen ungeschlagen.

Grundlage für den langen Atem ist der Tauchreflex. „Dieser ist angeboren. Kommt das Gesicht mit dem Wasser in Kontakt, wird der Körper in Tauchbereitschaft versetzt. Der Herzschlag verlangsamt sich, das Blut wird aus den Extremitäten Richtung Herz transportiert. Das alles sind Schutzmaßnahmen gegen das Ertrinken." Die Apnoe-Taucher versuchen, diesen Reflex gezielt einzusetzen. „Bei mir ist er zum Beispiel erst beim dritten Tauchgang besonders ausgeprägt", sagt Gebhardt.

Da das Gehirn rund 30 Prozent des Sauerstoffs verbraucht, ist es entscheidend, zur Ruhe zu kommen. „Leistungsdruck ist kontraproduktiv. Wenn ich auf Teufel komm raus eine bestimmte Minutenanzahl die Luft anhalten will, klappt das nicht. Der Weg ist das Ziel." Daher ist das Apnoe-Tauchen auch eng mit Entspannungstechniken wie Yoga und Medita­tion verknüpft. „Nur zehn bis 20 Prozent der Leistung macht die körperliche Fitness aus. Der Rest ist mental."

Besonders wichtig für Apnoe-Taucher ist daher die Vorbereitung außerhalb des Schwimmbeckens. „Mit Atemübungen wärme ich mein Zwerchfell auf. Ich entspanne mich mit leichten Dehnübungen und meditiere anschließend eine halbe Stunde, um in Trance zu kommen." Es ist anschließend ein schmaler Grat. Denn einerseits darf der Taucher nicht zu sehr wegtreten, um das Abtauchen womöglich zu verpassen. Die Trance soll aber andererseits auch nicht so sehr gelöst werden, dass das Gehirn wieder aktiv wird.

Im Becken angekommen, muss Luft geholt werden. „Ich atme maximal ein." Danach kommt das sogenannte Packen. Mit der Zunge pressen die Apnoe-Taucher weitere Luft in die Lunge. „Die Technik wende ich 35 bis 40 Mal an. Das dauert zwar 20 Sekunden, die dann bei der gestoppten Zeit fehlen, aber es lohnt sich. Ich habe ein Lungenvolumen von 7,2 Litern. Mit dem Packen drücke ich noch mal zwei bis drei Liter Luft obendrauf."

Unter Wasser müssen alle Gedanken verdrängt werden. „Ich denke an eine langsame Flamenco-Musik und zähle mantraartig den Takt mit. Wie Schäfchenzählen entspannt es mich." Falscher Ehrgeiz kann unter Wasser tödlich enden. „Es ist eine Grundregel, dass wir selbst beim Training immer einen Aufpasser haben." Der Atemreflex wird über die Anreicherung von Kohlenstoffdioxid im Blut ausgelöst. „Ohne Sauerstoffzufuhr fängt das Zwerchfell zu zucken an. Das wird immer stärker und unangenehmer. Atmet man nicht, schaltet der Kopf ab und man wird bewusstlos." Das sei noch gar nicht so schlimm. „Zwei bis drei Minuten hat man dann noch bis zum Ertrinken. Es gibt auch keine Folgeschäden, wenn man in der Zeit aus dem Wasser gezogen wird."

Bei den Meisterschaften gibt es drei Diszi­plinen. Beim Statiktauchen geht es darum, einfach so lange wie möglich die Luft anzuhalten. Die Sportler liegen dabei wie Wasserleichen im Becken. „Für Zuschauer ist das der langweiligste Sport der Welt." In den anderen beiden Kategorien muss zudem möglichst weit getaucht werden, mit und ohne Flossen. „Ich halte alle Balearen-Rekorde: 7 Minuten und 47 Sekunden im Statiktauchen, 132 Meter ohne Flossen und 170 Meter mit Flossen. Dieses Jahr gibt es aber starke Konkurrenz, und meine Rekorde könnten gebrochen werden." Vielleicht auch von ihm selbst. „Während der Pandemie hatte ich viel trainiert und habe im Meer 8 Minuten und 15 Sekunden geschafft."

Den Weltrekord hält seit 2009 Stéphane Mifsud mit 11 Minuten und 35 Sekunden. In der Szene wird aber gemunkelt, dass der Franzose gemogelt und vor dem Tauchgang puren Sauerstoff eingeatmet habe, was in der Sportart gewissermaßen als Doping zählt.