Gewissermaßen hat Malik Fathi die Ära von Jogi Löw eingeläutet. Der heute 37-Jährige war im August 2006 der erste Fußballer, der vom deutschen Fußball-Nationaltrainer neu ins Team berufen wurde. Zweimal lief der Berliner für Deutschland auf. Nach seinem Karriere­ende bei Atlético Baleares 2018 ist Fathi heute Trainer der U-23 von Hertha BSC Berlin. Zudem ist er Teilhaber einer Shisha-Bar an Palmas ­Paseo Marítimo. Die MZ sprach mit ihm über die anstehende EM, die den Schlusspunkt in der Ära Löw setzen wird. Deutschland startet am Dienstag (15.6., 21 Uhr) gegen Weltmeister Frankreich ins Turnier.

Können Sie sich nach 15 Jahren noch an Ihr Debüt im Nationaltrikot erinnern?

Zwei, drei Szenen aus dem Spiel habe ich noch im Kopf. Ansonsten ist die Erinnerung sehr verblasst. Ich war tierisch aufgeregt. Mich hat beeindruckt, wie professionell die Nationalmannschaft geführt wird. Das ist noch mal ein anderes Level im Vergleich zum Verein.

Wie hat man Sie im Team aufgenommen?

Ich war damals noch jung. Da guckt man nicht schlecht, wenn man auf einmal neben einem Michael Ballack steht und mit ihm trainieren darf. Das Team hatte gerade das Sommermärchen 2006 geschrieben.

Hatten Sie da erst mal die Hosen voll?

Dafür bin ich zu cool. Das ist aber eine ganz ­besondere Aura, in die man sich da begibt.

Die Nationalmannschaft kommt nur wenige Tage zusammen. Wie kann man in so kurzer Zeit eine Einheit formen?

Es ist ein Prozess, den der Nationaltrainer in Gang bringt. Es kommen die besten Spieler ­zusammen, die sofort ein gewisses Niveau abrufen können. Das macht es einfacher. Nach einer gewissen Zeit sind die Spieler dann auch eingespielt.

Hat sich die deutsche Elf nun schon zum Team zusammengefunden? In der Vorbereitung holperte es ja kräftig...

Kommen wir auf das Sommermärchen 2006 zurück: Damals lag vor der WM auch einiges im Argen. Im Trainingslager gibt es dann teambildende Maßnahmen. So kommt die Einheit zusammen. Die Ergebnisse sind zwar nicht schön, aber nicht aussagekräftig. Wichtig ist, dass das Trainingslager nun glattläuft.

Die EM ist das Ende der Ära Löw. Kommt der Abschied zu spät?

Nö, ganz im Gegenteil. 15 Jahre lang hat Deutschland mit der Ausnahme der vergangenen WM immer das Halbfinale oder Finale erreicht. Das war ein ganz hohes Level. Die Kritik ist völlig überzogen. Der Zeitpunkt wird an dem Turnier jetzt gemessen. Wenn Deutschland erfolgreich ist, hat Jogi Löw eine tolle Arbeit verrichtet. Bleibt der Erfolg aus, war seine ganze Amtszeit schlecht. Das ist mir zu einfach.

Was halten Sie von seinem Nachfolger Hansi Flick?

Er kam fast zeitgleich mit mir als Co-Trainer zur Nationalmannschaft. Bei den Bayern hat er einiges gerissen. Wenn er den Umgang mit den Menschen im Nationalteam beibehalten kann, kann man nur den Hut ziehen.

Deutschland ist in einer Hammergruppe mit Portugal und Frankreich. Kommen die Deutschen überhaupt weiter?

Da gehe ich fest von aus. Wie Sie am Anfang ­gesagt haben, geht es jetzt darum, die Einzelkönner zu einer Einheit zu formen. Wir haben viele unterschiedliche Qualitäten: Geschwindigkeit über die Außen, Strategen im Zentrum. Wir sind komplett.

Wo sehen Sie die Schwäche beim Team?

Die Spieler dürfen nicht zu sehr an die vergangenen Ergebnisse denken. Das kann sonst schnell zu mentalen Problemen führen.

Deutschland spielt in der Abwehr mit einer Dreierkette. Das ist man von einer deutschen Mannschaft nicht gewohnt...

Ich halte nicht viel von den Formationen. Das steht zwar auf dem Zettel, im Spiel kommt es dann aber meist anders. Mittlerweile sind die Systeme sehr flexibel. Die Dreierkette bietet viele Möglichkeiten. Wenn man die gut spielt, dann ist es eine richtig geile Formation. Das hat zuletzt der FC Chelsea beim Champions-League-Sieg gezeigt. Unterm Strich ist es egal, ob Viererkette oder Dreierkette. Man muss die Spieler so integrieren, dass sie auf ihrer Position effektiv spielen können.

Wen sehen Sie als Favoriten?

Argentinien (lacht). England ist stark dabei, und uns Deutsche sehe ich weit vorne. Frankreich kann man vielleicht noch mit ins Boot holen.

Spanien zittert nach einem Corona-Fall um einige Spieler und hat für den Notfall eine zweite Mannschaft nominiert. Was trauen Sie den Spaniern zu?

Wie die Deutschen haben die Spanier das Spiel oft in der eigenen Hand. Es fehlt aber die Durchschlagskraft und die Konstanz der vergangenen Jahre. Mehr als das Halbfinale wird es wohl nicht. Im besten Fall hat Corona keine Auswirkungen, und wir sehen das qualitativ hochwertigste Turnier.

Hier kann man die EM sehen

Nicht alle Spiele der EM sind im deutschen Free-TV zu sehen. Der Bezahlsender Magenta TV hat sich die exklu­siven Rechte an zehn Gruppen­spielen ohne deutsche Beteiligung ­gesichert. Alle anderen ­Spiele werden auf ARD und ZDF übertragen. In Spanien läuft die EM auf den Privatsendern Telecinco und Cuatro. Wer nicht allein gucken möchte, kann die Spiele auch in verschiedenen Bars gucken. EM-Feeling gibt es an der Playa de Palma unter anderen im Bierkönig, Bamboleo, Amrum Beach Club und Al Faro. Dabei müssen die aktuellen Corona-Regeln befolgt werden.