Früher war alles anders. Egal ob man Fußball mochte oder nicht. Es gab quasi kein Entrinnen vor der Euphoriewelle, die die großen Turniere ausgelöst haben. Man denke an die Fanmeilen in Deutschland, an die Sommermärchen, an die Siegesfeiern an der Playa de Palma. Davon fehlt dieses Jahr noch so gut wie jede Spur. Nein, ein wirkliches EM-Fieber ist auf Mallorca bislang nicht ausgebrochen. Die Briten, die auf der Insel sonst so groß am Feiern sind, dürfen noch gar nicht auf die Insel. Die Spanier regen sich - falls überhaupt - nur über ihr Team auf. Lediglich bei den Deutschen hat die Löw-Elf einen kleinen Funken entfacht, der sich je nach Turnierverlauf noch in ein großes Feuer verwandeln könnte.

„Statistisch lässt es sich nur schwer belegen. Aber was ich so in meinem Umfeld höre, ist die Stimmung schon deutlich unterschiedlich zu früheren Turnieren", sagt der deutsche Fußballreporter und Mallorca-Resident Manfred Breuckmann. „Einige meiner Bekannten pfeifen völlig auf die EM." Die Gründe dafür seien unterschiedlich. „Die Pandemie hat viele Leute angeknockt. Monatelang gab es keine Fans und somit keine Atmosphäre in den Stadien. Das hat sich auf die EM übertragen und die Erwartungshaltung gedämpft", sagt der 70-Jährige. Zum Teil hat es sich die deutsche Nationalmannschaft auch selbst zuzuschreiben. „Eine Aufbruchstimmung gibt es nicht. Seit 2018 hat das Team viel Mist abgeliefert." Nach der Auftaktpleite gegen Frankreich holten die Deutschen am Samstag (19.6.) einen über weite Strecken souveränen 4:2-Sieg gegen Portugal. Gegen Ungarn am Mittwoch (23.6.) zitterte sich die Löw-Elf ins Achtelfinale. „Wenn es weiter so wie gegen die Portugiesen geht, wird das EM-Fieber im Turnierverlauf noch ausbrechen", sagt Breuckmann.

Auch bei den Spaniern kam die Initialzündung spät. Nach zwei mauen Unentschieden gegen Schweden und Polen schaffte die Roja am Mittwoch durch einen 5:0-Sieg gegen die Slowakei den Einzug ins Achtelfinale. „Die spanischen Fans sind nicht bekannt dafür, dass sie die Spieler in schwierigen Momenten antreiben", hatte Miguel Bestard vor dem Spiel gesagt. Der Präsident des balearischen Fußballverbandes hat die Spiele im Stadion in Sevilla verfolgt. „Die Andalusier sind etwas lebhafter und die Stimmung war normal. Wenn aber nur 13.000 Zuschauer zugelassen sind, gehen die in einem so großen Stadion natürlich unter."

Die Mallorquiner sind nicht für ihren Nationalstolz bekannt. Spanische Fahnen an Autos, Fensterscheiben und Balkonen sucht man in Palma vergebens. „Die Franzosen, Engländer und Deutschen tragen inbrünstig ihr Trikot. Wir sind eigensinnig wie Don Quijote. Zudem ist es schwierig, Euphorie bei den Mallorquinern zu entfachen", sagt Bestard.

Deutlich ambitionierter sind die Engländer in die EM gestartet. „Nach dem erfolgreichen Auftakt gegen Kroatien dachten wir alle, dass wir die anderen Teams vom Platz fegen. Gegen Schottland wurden wir von der Realität eingeholt", sagt Matthew O'Connor vom Best Swim Centre in Colònia de Sant Jordi. Dennoch ist England als Gruppensieger in die K.O.-Runde eingezogen und spielt gegen den Zweiten der Deutschland-Gruppe. „Eigentlich wäre die Party nun in Magaluf und Palmanova in vollem Gange." Viele englische Pubs sind aber geschlossen, da kaum Touristen da sind. Die englischen Residenten weichen auf die spanischen Bars aus. „Das Ambiente zu den England-Spielen ist zwar lebhaft, aber nicht zu vergleichen mit anderen Jahren. Aber immerhin lenkt es von der Pandemie ab", sagt O'Connor.