Judo ist für Pep Mascaró mehr als eine Sportart. Mit 22 Jahren stand er das erste Mal auf der Matte. „Seitdem habe ich keine Trainingseinheit ausgelassen“, so der heute 64-Jährige. Judo ist seine Leidenschaft, sein Beruf, „ja, sogar meine zweite Ehefrau“, sagt er. Und es ist eine Lebenseinstellung. Um Medaillen und Ruhm ging es ihm nie, sondern darum, die Lehre an andere weiterzugeben und daran selbst zu wachsen. Beides ist ihm gelungen. Heute ist Mascaró der bedeutendste Judoka Mallorcas, trainiert jährlich bis zu 300 Schüler und hat im Dezember in Madrid den achten Dan verliehen bekommen.

Von außen macht Mascarós Judoschule Renshinkan in Manacor nicht den Eindruck, die bedeutendste der Balearen zu sein. Das Schild mit dem Namenszug ist schlicht, das Gebäude unscheinbar. Doch wer Prunk und Protz erwartet, ist in der Welt des Judo ohnehin falsch. „Judo zu leben, bedeutet, bescheiden und friedlich zu sein, zu teilen und zu kooperieren“, findet Pep Mascaró.

Als gelernter Schreiner hat er die hölzerne Eingangstür und die gegenüberliegenden hölzernen Schränke selbst gebaut. Sie sind voller Pokale und wirken dennoch schlicht. Mascaró verbirgt seinen Erfolg nicht, aber er stellt ihn auch nicht in den Vordergrund. An der Wand hängen vier Dan-Auszeichnungen. „Die anderen habe ich noch gar nicht angebracht“, sagt Mascaró, als falle es ihm gerade erst ein.

Den Meistern hinterhergereist

„Renshinkan ist japanisch und bedeutet Haus, in dem man mit dem Herzen lehrt“, erklärt der Mallorquiner. Zwei Mal war er bereits in Japan, trainierte auch in der Kodokan-Schule, in der das Judo seinen Ursprung hat. Mascarós Wissensbegierde für die orientalische Leibesertüchtigung scheint unerschöpflich zu sein. Als Delegierter des Balearen-Kaders nahm er als Besucher in den vergangenen Jahrzehnten an zahlreichen nationalen und internationalen Wettkämpfen teil. „Und jedes Mal habe ich etwas Neues gelernt. Es ist faszinierend, Profis dabei zuzusehen, wie sie die Techniken ausüben oder wie die Trainer sie vermitteln.“

22 ist nicht gerade jung, um in eine Sportart einzusteigen – in seiner Judoschule nimmt Mascaró bereits Schüler ab drei Jahren auf. „Aber Judo kann jeder unabhängig von seinem Alter und seinen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten praktizieren.“ Dass an seinen Kursen auch Menschen mit Behinderung teilnehmen – und durchaus erfolgreich sind – ist für Mascaró seit Jahrzehnten und fernab von Inklusionsdebatten selbstverständlich.

„Ich war eigentlich mein Leben lang Judoka, schon in der Schule habe ich das Kämpfen geliebt, nicht Schlägereien, sondern Zweikämpfe.“ Mit zwölf schenkte ihm ein Mitschüler sein erstes Judobuch. Mascaró war wie gefesselt – erstmals konnte er seine Lebenseinstellung in einer Philosophie wiederfinden. „Doch da war mein Vater erst ein paar Jahre tot und meine Mutter wollte nicht, dass ich Judo mache. Außerdem war ich zu schüchtern, um alleine hinzugehen.“

Gründung der Judoschulen in Manacor und Cala Ratjada

Eher durch Zufall fand er zehn Jahre später dann doch den Zugang, damals im Judoclub Dojo Orient in Manacor, in dem ein Freund von ihm angemeldet war. Keine zwei Jahre später, 1982, war er bereits als Hilfslehrer angestellt und gründete mit dem damaligen Vorsitzenden, der sich wenig später zurückzog und Mascaró die Leitung überließ, einen Ableger in Cala Ratjada. 1985 dann der Trainertitel, 1987 die Gründung der Judoschule Renshinkan mit Standorten in Manacor und Cala Ratjada.

Um selbst bei Wettbewerben aufzutrumpfen, war es für Mascaró damals bereits zu spät, doch vor allem zwei japanische Judolehrer aus Palma inspirierten ihn, seine Technik mit den Jahren immer weiter zu verbessern. „Gerade die orientalischen Judoka setzen viel mehr auf Technik als auf Fitness und Kraft, und das passt auch zu mir.“ Bis zum schwarzen Gürtel 1984 und dann weiter bis zum achten von insgesamt zehn Dan im Dezember kämpfte Mascaró sich hoch– weiter hat es bisher keiner auf den Inseln gebracht. „Meine besten Lehrer sind meine Schüler, denn sie fordern mich permanent, und es gibt keine bessere Trainingsmethode als die, das eigene Wissen anderen zielführend zu vermitteln“, findet er.

Judo bedeutet, keinen Streit zu suchen

Auch in seinem Alltag außerhalb der Matte spiele Judo permanent eine Rolle. „Judo bedeutet, keinen Streit zu suchen, ruhig zu bleiben und die maximale Wirkung mit minimalem Kraftaufwand zu erzielen, auch verbal.“ Genau das will er seinen Schützlingen vermitteln – nicht, um sie auf dem Siegertreppchen zu sehen, sondern um ihnen Werte für ihr Leben mitzugeben.

Für Mascaró ist Judo nicht einmal eine Kampfsportart im herkömmlichen Sinn. Dass die Techniken auf dem Schulhof oder der Straße tabu sind, bläut er seinen Schützlingen vom ersten Moment an ein. „Allerdings ist Judo ideal zur Selbstverteidigung von Frauen. Mit der richtigen Technik kann eine Frau einen Angreifer zu Fall bringen, auch wenn er drei Mal so schwer ist wie sie, indem sie seine Kraft für sich nutzt.“

Eine Frage der Persönlichkeit

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Letztlich gehe es aber vor allem darum, die Schützlinge auch in ihrer Persönlichkeit zu formen und zu festigen. Der sportliche Erfolg komme direkt danach. Kein Judoverein auf den Balearen hat so viele Teilnehmer an nationalen Meisterschaften hervorgebracht wie Mascarós Renshinkan. Der 64-Jährige bietet zudem im ganzen Inselosten Judo-AGs an Grund- und weiterführenden Schulen an, insgesamt sind jährlich bis zu 300 Kinder und Erwachsene über Renshinkan eingetragen.

Nur bis Olympia schaffte es bisher keiner von Mascarós Judo-Schülern. „Es ist auf den Balearen nahezu unmöglich, international Erfolg zu haben“, sagt Mascaró. Ab einem gewissen Niveau müssten die Sportler zwangsläufig aufs Festland wechseln. Auch er selbst nahm seine Vorbereitungskurse für den achten Dan hauptsächlich in Madrid wahr, weil es auf den Balearen keine Angebote für diese Leistungsstufe gibt. „Was das angeht, ist die Insellage ein Nachteil.“ Stillstand kommt für den Judoka trotzdem nicht infrage.