Die Radsportsaison auf Mallorca steuert auf ihren Höhepunkt zu: Am Samstag (30.4.) steht das Inselrennen Mallorca 312 an. 8.000 Hobby-Radfahrer schwingen sich dann auf ihre Rennräder, um die maximal 312 Kilometer lange Strecke zu schaffen. Für die meisten Teilnehmer geht es nur darum, ins Ziel zu kommen. Roman Locher hingegen will siegen. Der Schweizer ist ein fanatischer Amateursportler. So eine Ausfahrt sei ja ganz schön und nett. „Aber die eigentliche Motivation sind die Rennen. Vorne mitfahren, gewinnen – das bringt mich dazu, schon morgens um 7 Uhr auf das Rad zu steigen.

Vom Brett gefallen

Der 37-Jährige kommt aus Scuol, einem kleinen Dorf im Dreiländereck, das die Schweiz, Österreich und Italien bilden. „Vor elf Jahren hatte ich einen Snowboard-Unfall. Der Arzt riet mir zu gelenkschonenden Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren. Ich entschied mich für Letzteres und steigerte mich hinein“, sagt Locher. Der Schweizer fing mit dem Mountainbike an und fuhr regelrechte Marathonrennen über acht bis zehn Stunden. Eines Tages versuchte er sich auf der Straße mit dem Rennrad. „Die Geschwindigkeit hat mir gefallen. In drei bis vier Stunden komme ich 100 Kilometer weit. Bei den Rennen düse ich dank des Windschattens mit einem Durchschnitt von 45 km/h durch die Landschaft. Es ist unglaublich, was für ein Tempo man in der Gruppe schaffen kann“, sagt Locher.

Wie so viele Hobby-Radsportler verbringt der Schweizer viel Zeit auf Mallorca. Anfangs waren es nur ein, zwei Wochen im Frühling. 2014 lernte er seine Freundin kennen, die als Guide Ausflüge mit den Radfahrern im Monnaber Nou Finca Hotel in Campanet macht. „Sie bietet die Touren für den Radhersteller Trek an. Die meisten Kunden kommen aus den USA“, sagt Locher. Seither bleibt er vier Monate lang auf der Insel – wegen seiner Freundin und des Radsports. „Ich bin in der IT-Branche in der sogenannten digitalen Forensik tätig. Überall wo es eine stabile Internetverbindung gibt, kann ich arbeiten“, sagt Locher.

Start für Sa Pobla

Wenn er nicht gerade vor dem Rechner sitzt, tritt er in die Pedale. „Pro Jahr fahre ich an die 600 Stunden. Das sind zwölf Stunden pro Woche. Es ist mein einziges Hobby, und ich investiere meine komplette Freizeit“, sagt der Schweizer. Locher hat Anschluss an die Radsportszene auf Mallorca gesucht und beim Radclub in Sa Pobla gefunden. „Es gibt nur wenige Ausländer in den mallorquinischen Clubs. Die Kommunikation ist im Rennen nicht immer einfach, wenn die Kollegen im Eifer des Gefechts vergessen, dass sie Spanisch mit mir sprechen müssen und nicht Mallorquinisch“, sagt Locher. Dass er nur Teilzeit-Resident ist, stört dabei keinen. „Ich fahre jedes Rennen, wenn ich auf der Insel bin. Damit mehr als so mancher Radsportler, der das ganze Jahr da ist. Es ist wie beim Fußball. Man trifft sich jedes Wochenende mit den Familien und quatscht miteinander. Die Mallorquiner haben akzeptiert, dass ich kein Tourist bin“, sagt Locher.

Mit Spickzetteln gewinnen

Der Schweizer, der sich als Allrounder sieht und auf hügeligem Gelände wohlfühlt, geht bei manchen Rennen sogar als Kapitän an den Start und bekommt Hilfe von den Teamkameraden. „Wir sind ziemlich professionell organisiert und gehen die Rennen auch so an. Da ich einige der lokalen Fahrer nicht kenne, schreibe ich mir die Startnummern auf einen Spickzettel, den ich auf den Lenker klebe. Ich weiß, wer mir gefährlich werden kann. Dann geht es darum, die Konkurrenz nicht davonziehen zu lassen“, sagt der 37-Jährige. „Radfahren ist ein Mannschaftssport, aber am Ende kann nur einer gewinnen.“

Bei den Dorfrennen auf der Insel ist das nicht selten der Schweizer. Sein größter Erfolg war der Sieg 2019 bei der Copa de Europa während der Semana Master auf Mallorca, was in etwa die Europameisterschaft der Amateure ist. Bei der Rennserie „3 Días de Mallorca“ gewann er kürzlich eine Etappe und wurde Dritter. Auch beim Pla de Mallorca, dem wichtigsten Etappenrennen der Insel, ist er oft vorne mit dabei. „Ich finde es gut, dass dieses Rennen nun an vier aufeinanderfolgenden Tagen statt an Wochenenden ausgetragen wird. So geht man am nächsten Morgen mit müden Beinen an den Start und fühlt sich wie ein waschechter Profi.“ Wirklich ein Profi sein will Locher aber nicht. „Es ist ein undankbarer Sport. Ich muss nicht Rad fahren, ich darf. Ich bin glücklich, so wie es ist. Den Druck, Siege einfahren zu müssen und um einen neuen Vertrag zu kämpfen, möchte ich mir nicht vorstellen. Ich hätte auch keine Lust, mich bei Dauerregen auf den Sattel zu setzen.“

Bloß keinen Platten

Da trifft es sich gut, dass die Wetterprognose für Samstag zur Mallorca 312 Sonne vorhersieht. „Wir sind etwa 100 Fahrer, die um den Sieg kämpfen. Nach dem Start kristallisiert sich dann meist eine Führungsgruppe von 30 Fahrern heraus“, sagt Locher. Ganz vorne erwartet wird der Deutsche Dominic Aigner. „Er kommt aus der Nähe von Köln und ist ein Freund von mir. Er hat schon zwei Mal gewonnen und wurde drei Mal Zweiter. Niemand dominiert die Mallorca 312 wie er.

Eher auf den hinteren Plätzen werden die Ex-Profis erwartet. „2019 bin ich mit Contador in einer Gruppe geradelt. In den Bergen konnte er aber nicht mehr mithalten. Dennoch finde ich es toll, dass die Profis mitmachen. Im Fußball wäre es wohl kaum vorstellbar, dass ein Messi mit Amateuren kickt“, sagt Locher. Dabei ist der Sieg auch ein wenig Glücksache. „Ich wechsle vor dem Rennen immer die Reifen, hatte aber dennoch schon vier Mal einen Platten“, sagt der Schweizer. „Ich bin öfter mit dem Taxi ins Ziel gekommen als mit dem Rad. Wenn ich um den Sieg fahre, kann ich nicht auch noch Flickzeug mitnehmen.“

Gesperrte Straßen, Stars und Tickets für Mallorca 312

Wie bei den vergangenen Ausgaben führt das über drei Strecken ausgetragene Rennen nicht mehr um die ganze Insel, sondern spart Palma und den Süden aus. Dennoch kommt es zu vielen Straßensperrungen, die bei mallorca312.com eingesehen werden können. Die 8.000 Startplätze sind bereits vergriffen. Restkarten gibt es im Huerzeler-Shop an der Playa de Muro für 150 Euro. Zu den Teilnehmern gehören auch Ivan Basso, Alberto Contador und Miguel Indurain.