Sieben, acht Monate auf dem Ozean. Ohne Zwischenstopp. Ganz auf sich allein gestellt. In einem winzigen Boot den Naturgewalten ausgeliefert. Mit ganz wenigen Kommunikationsmöglichkeiten. Das kann einen in den Wahnsinn treiben. Nur sechs der 26 Einhandsegler, die bislang beim Golden Globe Race den Planeten umrundet haben, sind überhaupt am Ziel angekommen. Einer von ihnen, der Brite Donald Crowhurst, kehrte 1969 gar nicht mehr zurück. Er stürzte sich, wohl geistig umnachtet, nach einem Betrugsversuch bei dem Rennen mutmaßlich in die Fluten.

„Das macht mir am meisten Sorgen. Ich weiß nicht, wie ich mich in der langen Zeit der Einsamkeit verändern werde. Es ist eine Fahrt ins Unbekannte“, sagt Aleix Sellés. Der 34-jährige Katalane ist einer der 24 Teilnehmer der dritten Ausgabe der Weltumrundung, die im September startet. Sein Boot „Onsoro“ wird vom Nobelhafen Port Adriano gesponsert. Sellés stattete der Insel kürzlich einen Besuch ab und berichtete über die Vorbereitungen.

Aleix Sellés in Port Adriano. | FOTO: SELLÉS Ralf Petzold

„Manchmal sitze ich bis zu 16 Stunden im Büro. Per Handy bin ich rund um die Uhr zu erreichen. Aus diesem Kreislauf will ich ausbrechen“, begründet der Bootsarchitekt seine Entscheidung, bei der Regatta mitzusegeln. „Meine Freundin versteht es und sie unterstützt mich. Meine Eltern hingegen sind nicht einverstanden“, sagt er.

Technik auf dem Stand von 1968

Los geht es am 4. September im französischen Hafen Les Sables-d’Olonne. Das Design der Boote darf nicht jünger als 34 Jahre sein. Die Schiffe können höchstens 36 Fuß lang – das entspricht knapp elf Metern – und müssen mindestens 6.200 Kilogramm schwer sein. Sellés ist zwar seit seiner Kindheit ein begeisterter Segler, hat aber bislang nur zweiwöchige Regatten auf dem Buckel. Die Technik an Bord darf nur auf dem Stand des Jahres 1968 sein. GPS und Autopilot sind verboten. „Einmal die Woche bekomme ich per Fax Basis-Wetterinfos. Ansonsten muss ich mit einem Barometer und meinen meteorologischen Kenntnissen auskommen.“ Zur Navigation nutzt er einen Sextanten.

Aleix Sellés in Port Adriano. | FOTO: BENDGENS

Stadtlärm auf Kassette

Die Strecke führt ab Frankreich die Westküste Afrikas entlang nach Süden und dann ostwärts eine Runde um den Planeten herum. „Je weiter südlich wir segeln, umso schneller sind wir. Die Rennleitung gibt jedoch eine Grenze vor, um die Gefahr von Zusammenstößen mit Eisbergen zu verringern“, sagt Sellés. An vier Punkten – vor Lanzarote, Kapstadt, Hobart und Punta del Este – können während der Fahrt Filme und Briefe abgeworfen sowie Interviews gegeben werden. Die Kommunikation mit der Rennleitung ist ebenso streng eingeschränkt wie die Nutzung zweier Satellitentelefone an Bord. Ansonsten bleibt die Verständigung per Funk. Zur Unterhaltung will sich der Segler Bücher und einen Kassettenrekorder, der entsprechend alt sein muss, mitnehmen. „Vielleicht werde ich auf das ein oder andere Band Stadtlärm und Alltagsgeräusche aufnehmen. Ich kann mir vorstellen, dass ich das vermisse.

Dass die Segler auf sich allein gestellt sind, ist wörtlich zu nehmen. „Ich besuche gerade reihenweise Erste-Hilfe-Kurse, lerne, wie ich mir selbst eine Wunde nähen oder einen Tropf legen kann“, sagt Sellés. Im Notfall kann er sich auch eine Adrenalin-Spritze setzen. Schäden am Boot muss er selbst flicken können. Wenn es hart auf hart kommt, kann der Segler einen Motor anwerfen. „Der Treibstoff wird am Ende der Regatta gemessen. Jeder verbrauchte Tropfen bedeutet Zeitabzug.“ Die Segler werden mit einem GPS-Tracker geortet, können ihren eigenen Standort dadurch aber nicht erfahren. „Wenn ich aufgebe, kann es bis zu drei Tage dauern, ehe Hilfe eintrifft. Das kann dann heißen, drei Tage in einem Schlauchboot auszuharren.“

Häppchenweise schlafen

Die wohl größte Herausforderung neben der Einsamkeit ist der Schlafrhythmus. „Natürlich ist es schon ein Erfolg, einfach wieder in Frankreich anzukommen. Es bleibt trotz allem aber ein Rennen und das Boot muss ständig in Bewegung sein. Mehr als eine knappe Stunde am Stück werde ich nicht schlafen können. An guten Tagen kommen vielleicht sechs Stunden Schlaf zusammen, an schlechten Tagen muss ich durchmachen“, sagt Sellés. Häppchenweise schlafen, auch das trainiert er bereits.

Ein Knackpunkt ist noch die Verpflegung, die es aus der Tüte gibt. Hinzu kommen Motivationshilfen in Form von Schokolade. „1968 gab es aber noch keine mobilen Wasseraufbereitungsanlagen“, sagt Sellés. Die Alternativen: Wasserkanister, die zusätzliches Gewicht und dadurch weniger Tempo bedeuten, oder Regen mit dem Segel einfangen. „Das geht ganz gut. Man wartet fünf Minuten, bis der Regen den Dreck runtergespült hat, und fängt das Wasser mit Eimern auf. „Ich setze auf einen Mix aus beiden Möglichkeiten“, sagt der Katalane. Wie viele Kanister er mitnimmt, sei Teil der Rennstrategie und somit geheim.

Um die Erde ohne Stopp

Das Golden Globe Race geht auf den britischen Einhandsegler Francis Chichester zurück, der 1968 mit nur einem Stopp in Australien die Welt umrundete. Nach seiner Rückkehr nach London stiftete die „Sunday Times“ eine Trophäe und ein Preisgeld von 5.000 Pfund – heute etwa 106.000 Euro – für denjenigen, der die Welt ohne Zwischenstopp umsegelt. Das Golden Globe Race war geboren. Neun Männer machten sich 1969 auf, nur der Brite Robin Knox-Johnston kam ins Ziel. Eine zweite Ausgabe zum 50. Jahrestag der ersten Weltumrundung folgte 2018, von den 17 gestarteten Teilnehmern kamen fünf im Ziel an.

Nun die dritte Ausgabe. Einen Vergleich mit der bekannteren, seit 1989 ausgetragenen Weltumrundung Vendée Globe lässt Sellés nur bedingt zu. „Mit ihren großen Schiffen und der modernen Technik sind deren Teilnehmer nur 80 Tage unterwegs“, sagt Sellés. Im Vergleich zu seiner Reise ist das kaum mehr als ein verlängertes Wochenende. „Das Golden Globe Race steht für die Essenz des Segelns“, sagt Sellés. Ein Boot, ein Mensch und die schier unendliche Weite des Meeres.