„Mädchen schlägt man nicht“, diesen Spruch bekamen Jungs zumindest früher im Kindergarten zu hören. In Ermangelung an Sparringspartnerinnen trainiert die Boxerin Cristina Navarro auch mit Männern. „Die Jungs haben oft Hemmungen, mich zu schlagen. Dabei sollten sie nicht zu lange zögern, sonst haue ich sie auf die Matte“, sagt die kecke Dame. Die 32-Jährige gehört zu den besten Boxerinnen der Insel und steht kurz vor ihrem Profidebüt.

Navarro kommt aus Zaragoza und wuchs in Madrid auf. „Schon als kleines Mädchen hat mir der Boxsport gefallen, und ich habe mir die Kämpfe im Fernsehen angeschaut. Dabei komme ich aus einer fußballverrückten Familie.“ Trotz dieser Leidenschaft wagte sie sich lange Zeit nicht in den Ring. Navarro begann erst mit 24 Jahren zu boxen. „Ich hatte mich ins Madrider Nachtleben gestürzt, bin oft ausgegangen und habe viel gegessen. Dadurch habe ich einige Kilos zugenommen und musste Sport treiben.“

Heimweh in Rom 

Anfangs war das Boxen für sie nur ein Fitnesskurs. Ihren Lebensunterhalt verdient Navarro als Fotografin. Sie studierte in Madrid und sammelte erste berufliche Erfahrungen in Rom. „Ich hatte Lust zu reisen und wollte mal raus aus Spanien kommen.“ Doch das Heimweh holte sie schnell ein. Das gute Wetter und der Strand zogen Navarro vor fünf Jahren auf die Insel, wo sie sich heute als freiberufliche Fotografin in der Gastro- und Modebranche einen Namen gemacht hat. „Die Restaurants heuern mich an, um Fotos von ihren Gerichten für ihre Internetauftritte zu machen“, sagt sie.

Der erste Kampf

Schon wenige Monate nach ihrer Ankunft auf Mallorca trat sie in den Ring. „Ich hatte mich zwar schon als Kind gerne geprügelt, aber das war etwas komplett anderes. Im Boxkampf bin ich nicht wütend. Angst, ein blaues Auge zu bekommen, hatte ich nie. Der Schmerz wird durch das Adrenalin ausgeblendet. Es ist nicht einfach, sich zu zwingen, einem anderen Menschen Schaden zufügen zu wollen“, sagt Navarro.

Diesen Schalter muss man umlegen. Es gibt Boxer, die dafür ihre Persönlichkeit ändern, wenn der Gong ertönt, der die erste Runde des Kampfes einleitet. Aus braven Schreibtischhengsten werden wilde Bestien im Ring. „Manch einer denkt an Streitereien mit dem Chef, um sich zu motivieren. Bei meinem ersten Kampf habe ich auch einfach nur wie eine Verrückte losgeprügelt“, sagt die 32-Jährige, die damals durch K.o. ge wann. „Nun versuche ich, mich auf meine Taktik und das Boxen zu konzentrieren. Meine besten Kämpfe mache ich, wenn ich den Kopf frei habe und mit mir im Reinen bin.“

Vor zwei Wochen gewann die Boxerin die spanische Meisterschaft in Murcia. Es ist ihr erster Titel, 2019 hatte es für Navarro nur zu Silber gerreicht.

Für Olympia zu alt

Anders als viele ihrer Kolleginnen träumt die Sportlerin nicht von den Olympischen Spielen. „Für Tokio hatte sich keine Spanierin qualifiziert. Das hat zu einem Umdenken beim Verband geführt. Heute gibt es viele junge, talentierte Boxerinnen, die auf Olympia hinarbeiten. Ich bin schlicht zu alt dafür.“ Auch auf der Insel macht sich der Trend bemerkbar. „Derzeit sind wir sechs bis sieben Amateurboxerinnen. Aber es werden immer mehr. Unser Sport verliert langsam das schlechte Image, den er früher hatte. Er ist nicht gewalttätig, sondern eine olympische Disziplin.“

Navarro möchte in die Fußstapfen ihrer Teamkollegin vom Motorcity Boxing Club, Farah El Bousairi, treten. Die Tochter marokkanischer Eltern ist Mallorcas erste und einzige Profi-Boxerin. Im Training stehen sich die beiden Frauen oft gegenüber, in einem offiziellen Kampf geht das nicht. „Weil wir im gleichen Boxclub kämpfen, und das auch noch in unterschiedlichen Gewichtsklassen“, sagt Navarro. Die Noch-Amateur-Boxerin bringt 48 Kilogramm auf die Waage und kämpft im Halbfliegengewicht. El Bousairi tritt im Fliegengewicht mit drei Kilogramm mehr an. „Das klingt wenig, ist aber ein großer Unterschied. Zumal wir uns einen Tag vor dem Kampf nach langem Fasten wiegen. Im Ring sind es dann vielleicht noch einmal zwei Kilogramm mehr, die uns beide unterscheidet“, so Navarro.

Boxer verdienen in Spanien kaum Geld

Der Schritt ins Profigeschäft ist nicht einfach. Navarro muss sich einen Manager suchen, der die Kämpfe organisiert. Ihr Profidebüt plant sie nun nach der spanischen Meisterschaft im Juli. „Mit 32 Jahren bin ich zwar spät dran mit dem nächsten Karriereschritt, aber ich fühle mich gerade auf dem Höhepunkt.“ Im Amateurbereich kämpfen die Frauen nur drei Runden, bei den Profis sind es zehn Durchgänge. „Im Amateurboxen kommt es eher selten zu einem K.o. Oft bricht der Ringrichter den Kampf ab, wenn er sieht, dass eine Kämpferin haushoch überlegen ist.“

Bei den Profis lässt sich schon eher ein K.o. erzwingen, zumal der Boxhandschuh kleiner und die Schläge dadurch härter sind. Extraschichten im Training kann Navarro nicht einlegen. „Ich trainiere schon sechs von sieben Tagen die Woche. Dabei kombinieren wir Technik, Kraft und Ausdauer.“ Es ist auch eine Zeitfrage. Denn Geld verdienen die Boxer in Spanien kaum. Wer nicht talentiert bei der Sponsorensuche ist, muss nebenbei arbeiten. „Als Freelancer kann ich mir immerhin die Zeitfenster für das Training freihalten“, sagt Cristina Navarro.