Miquel Bestard hat ein einnehmendes Wesen. Jedes Mal, wenn die MZ ihn anruft, freut sich der 79-Jährige als wäre sein bester Freund in der Leitung. Bei kaum jemanden klingt das „¿qué tal?“ so sehr nach Interesse wie bei ihm. Auch wenn er beim nächsten Anruf den Redakteur schon nicht mehr kennt. Anfang des Monats hat der Präsident des balearischen Fußballverbands verkündet, sein Amt nach knapp 20 Jahren niederzulegen. Vize-Präsident Pep Sansó übernimmt das Kommando, ehe es in zwei Jahren zu Wahlen kommt. Die MZ hat Bestard zum Abschiedsinterview getroffen.

Warum treten Sie zwei Jahre vor Ende Ihrer Amtszeit zurück?

Da gibt es eine einfache Erklärung. Als ich damals das Amt antrat, habe ich mir vorgenommen, mit 80 Jahren aufzuhören. Ehrlich gesagt hatte ich nicht daran geglaubt, überhaupt so lange durchzuhalten. Meinen Geburtstag feiere ich im November. Ich dachte, dass es besser ist, wenn ich jetzt in der Sommerpause gehe anstatt mitten in der Saison. Als ich bei der Sitzung meinen Abschied verkündet habe, ist diese Nachricht wie eine Bombe eingeschlagen und hat spanienweit für Schlagzeilen gesorgt. Ehrlich gesagt waren die vergangenen Jahre mit der Pandemie auch eine Qual und schwierig auszuhalten.

Inwiefern?

Corona hat die Menschen verändert. Ich suche immer eine friedliche Lösung bei Diskussionen und fange nicht an, zu streiten. Daher hatte ich selten Probleme. Durch die Pandemie sind die Leute aber seltsam geworden. Das sieht man im Fall der Aggression gegen die Schiedsrichter, die zugenommen hat. Das gipfelte im Streik der Schiris und dem abgesagten Spieltag in der vergangenen Saison.

Warum sind die sonst so gemächlichen Mallorquiner beim Fußball so aggressiv?

Auf der Insel gibt es jede Woche 700 Spiele. So viele Fälle sind es dann auch wieder nicht. Manchen Leuten brennen die Sicherungen durch. Das Problem sitzt meist auf der Tribüne. Im Jugendfußball zum Beispiel ist es nicht notwendig, dass die Eltern ihre Schützlinge zusätzlich anheizen. Kinder wollen sich in allen Dingen messen. Die Motivation ist von Natur aus gegeben.

Waren Sie schon immer so eng mit dem Fußball verbunden?

Ich bin ein Fußball-Liebhaber und wurde schon mit einem Ball am Fuß geboren. Als Spieler habe ich in meinem Dorf Bunyola als Stürmer gespielt. Ich habe nie Geld damit verdient, dafür aber viele Freunde gefunden. Jeder, der einmal gekickt hat, weiß: Nach einem Spiel sind alle schlechten Gedanken, die vorher durch den Kopf schossen, verschwunden. Noch besser als meine Spielerkarriere war meine Zeit als Trainer. Da habe ich einen beachtlichen Lebenslauf. Mit den alevines (entspricht der E-Jugend in Deutschland; Anm. d.  Red.) der balearischen Auswahl holte ich den spanischen Meistertitel, obwohl wir zuvor nie etwas gewonnen hatten. Danach war ich Co-Trainer der spanischen Jugendnationalmannschaft. Das werde ich nie müde, zu erwähnen.

Trotz all der Erfolge haben Sie nie die Karriere bei einem Proficlub eingeschlagen?

Angebote gab es tatsächlich, aber ich wollte nicht. Es war nie mein Ziel, in das Profigeschäft einzusteigen. Ich hatte schon als junger Mann immer etwas Geld in der Tasche und konnte mir ein anständiges Leben ermöglichen. 30 Jahre lang habe ich für ein Bauunternehmen gearbeitet. Fußball war für mich immer eine Ablenkung. Da musste ich mir den Druck mit täglichem Training nicht geben.

Welchen Einfluss auf den Fußball haben Sie als Präsident gehabt?

Hier müssen wir den Fußball in den Profi-, Amateur- und Jugendbereich unterteilen. Das verstehen viele Leute nicht. Kinder haben bei Fußball nur Messi im Kopf. Dabei steckt dort viel mehr dahinter. Die Profis wissen, was sie zu tun haben. Dort müssen wir selten helfen. Meine Hauptaufgabe war es daher, den Jugend- und Amateurfußball zu unterstützen. Wie das geht? Indem man sich immer sehr volksnah gibt. Wer mit mir sprechen wollte, hat mich immer antreffen können. Wir haben es geschafft, dass jede Jugendmannschaft einen ausgebildeten Trainer hat. Ich habe den Clubs geholfen, Geldmittel aufzutreiben.

Auf welche Momente Ihrer Amtszeit sind Sie besonders stolz?

Ich habe mir nie langfristige Ziele gesetzt, sondern immer von Tag zu Tag geschaut, aus den kleinen Dingen das Maximum herauszuholen. Eine Sache, die hervorsticht, sind die 20 balearischen Auswahlmannschaften, die bei der spanischen Meisterschaft antreten. Stolz bin ich auch auf die Fortschritte, die wir im Frauenfußball gemacht haben.

Was hätten Sie gern noch verändert?

Ich hatte mal eine Schnapsidee, die ich aber wirklich vorgeschlagen habe. Im Sportunterricht in den Schulen legt der Lehrer fest, was geübt wird. Wie wäre es aber, wenn die Kinder sich entscheiden könnten? Die, die Fußball spielen wollen, können das tun. Das Gleiche gilt für Basketball, Volleyball, Leichtathletik und andere Sportarten. Wir könnten viel mehr Kinder vom Sport begeistern.

Was waren die schwierigsten Momente?

Die ersten vier Jahre meiner Amtszeit waren grauenhaft. Es gab viele Hürden zu überwinden. Meine Vorgänger haben mir nur Probleme bereitet, anstatt mich zu unterstützen. Danach folgte ein radikaler Wandel und es ging stetig bergauf.

Kann sich der Präsident des Fußballverbands öffentlich zu einem Club bekennen?

Ich bin mallorquinista. Warum? Die klassische Geschichte: Mein Vater war Anteilshaber von Real Mallorca, und ich konnte als Siebenjähriger kostenlos mit ins Stadion. Das prägt fürs Leben. Als Präsident des Verbands war ich natürlich für alle meine Schäfchen. Dass das Herz in eine Richtung geht, ist eine andere Sache. Als Hooligan würde ich mich nun aber auch nicht bezeichnen.

Wie wird Ihr Alltag als Rentner aussehen?

Als Präsident habe ich aufgehört, zu den Spielen ins Stadion zu gehen. Ich habe wenige Partien geschaut, obwohl es mir gefällt. Irgendein Idiot hat mich im Stadion immer erkannt und angefangen, mich zu beleidigen. Wenn der Schiedsrichter eine Entscheidung getroffen hat, die dem Fan nicht gefallen hat, hat der geschrien: Schaut, da sitzt der Präsident, der es verbockt hat. Jetzt will ich endlich Fußball gucken. Ich werde mir das komplette Programm geben: Von Freitagabend bis Sonntag schaue ich so viele Spiele wie möglich. Da ist es mir egal, ob es Jugendfußball, Amateure oder Profis sind.

Neben Ihrer Position als Chef des balearischen Fußballverbands waren Sie auch Vize-Präsident des spanischen Verbands. Präsident Luis Rubiales hat schon angekündigt, Sie auf keinen Fall gehen zu lassen …

Ich fühle mich in Madrid sehr wohl. Ich denke schon, dass ich das Amt dort beibehalte. Als Vizepräsident bin ich der Berater von Luis Rubiales. Mit der Nationalmannschaft darf ich um die Welt reisen. Das gefällt mir sehr. Der kleine Junge aus Bunyola, der es als Fußballer nicht weit gebracht hat, ist mit den Profis unterwegs. Vor und nach jedem Länderspiel tausche ich mich mit Nationaltrainer Luis Enrique aus, und wir analysieren es gemeinsam.