Mallorca hat einen neuen Motorrad-Weltmeister: Izan Guevara, der gerade mal 18-jährige Pilot des Rennstalls GasGas Aspar, hat sich am Sonntag (16.10.) in der Moto3-Kategorie den Titel geholt, und zwar mit erstaunlicher Souveränität. Guevara, der aus dem Stadtteil Sa Indioteria im Norden von Palma stammt, verwandelte beim Großen Preis von Australien gleich seinen ersten Matchball und ließ seinen Gegnern keine wirkliche Chance.

Ein zweiter Platz hätte ihm für den vorzeitigen Titelgewinn genügt, doch Guevara setzte alles auf eine Karte und kämpfte sich von seinem siebten Platz zum Start schnell in die Spitzengruppe. Ab der neunten Runde übernahm er die Führung, fiel allerdings fünf Runden vor Ende des Rennens wieder auf den vierten Platz zurück. In unwiderstehlicher Art und Weise riskierte Guevara danach alles und wurde mit dem Sieg belohnt.

Damit krönte der 18-Jährige eine Saison, die eher mittelmäßig begann, in der sich der Mallorquiner aber stetig steigerte. Izan Guevara ist ein weiterer Spross der erfolgreichen spanischen Motorsport-Schule, 23 Weltmeister hat das Land bereits hervorgebracht, die insgesamt 56 Weltmeistertitel geholt haben. Speziell Mallorca hat sich an dieser Titeljagd vor allem mit Jorge Lorenzo, aber auch mit Joan Mir bereits ganz ordentlich beteiligt. Acht Titel gingen bislang auf die Insel.

Ohne Stipendien und große Entbehrungen wäre Karriere nicht möglich gewesen

Izan Guevara kommt, anders als viele andere Spitzensportler, nicht aus einer wohlhabenden Familie, die ihrem Sprössling jegliche Förderung bieten kann. Die Familie Guevara Bonnín lebt in dem Arbeiterviertel Sa Indioteria und hatte nie sonderlich viel Geld, wie die Mutter von Izan Guevara, Marga Bonnín, jüngst dem „Diario de Mallorca“ erzählte. „Wir haben häufig regelrecht zaubern müssen, damit das Geld bis zum Monatsende reichte“, sagt Bonnín.

Izans großer Bruder Aitor habe auf vieles verzichten müssen, damit die Familie den Jüngsten und seine Motorsport-Begeisterung fördern konnte. Reisen, teure Klamotten – das war häufig nicht drin. Ohne Stipendien und die Unterstützung von Firmen, auch außerhalb der Insel, wäre die Karriere von Izan Guevara beendet gewesen, noch bevor sie wirklich begonnen hätte.

Dass Izan Guevara eines Tages ein großer Motorrad-Rennfahrer werden würde, zeichnete sich nämlich sehr früh ab. Mutter Marga Bonnín erinnert sich an einen Moment aus der frühesten Kindheit des Jungen. Die Familie saß vor dem Fernseher, um ein Motorrad-Rennen anzuschauen. Da habe sich der kleine Izan zu ihr umgedreht und gesagt: „Mama, eines Tages wirst du hier auf diesem Sofa sitzen und mir dabei zusehen, wie ich Rennen fahre.“ Izans sportliche Karriere führte zunächst über eine Mitgliedschaft in einem Fußballverein. Doch das war von wenig Erfolg gekrönt. „Er hat immer nur geweint und gesagt, er will ein Motorrad“, erinnert sich die Mutter.

Mutter Marga: "Verabschiede mich, als würde ich ihn nie wiedersehen"

Auch wenn die Familie keine logische Erklärung für diese Liebe eines dreijährigen Jungen zum Motorsport fand, kauften die Eltern Izan doch ein elektrisches Spielzeug-Motorrad und meldeten ihn in der Motorsportschule von Chicho Lorenzo an, dem Vater von Jorge Lorenzo. Schon nach zwei Wochen, erinnert sich die Mutter, sei Chicho Lorenzo auf sie zugekommen und habe gesagt: „Diesem Kind könnt ihr schon ein benzinbetriebenes Motorrad kaufen, das ist sein Leben.“

Von diesem Moment an gab es kein Zurück mehr. Und gerade weil seine Eltern nicht die Möglichkeit hatten, ihm bereits Wochen vor den Rennen Reisen zu den Rennstrecken zu ermöglichen oder nach jedem Rennen neue Reifen zu kaufen, machte Izan Guevara aus der Not kurzerhand eine Tugend: Er war bei seinen Gegnern dafür berüchtigt, auch auf ihm unbekannten Strecken schnell Höchstleistungen abzurufen oder auf abgefahrenen Reifen besser zu fahren als andere auf neuen. Mutter Marga Bonnín ist zwar von den Fahrkünsten ihres Jungen überzeugt, dennoch hat sie höllische Angst um ihn. „Jedes Mal, wenn er zu einem Rennen fährt, verabschiede ich mich, als würde ich ihn nie wiedersehen.“