Dieser Mann macht aus Ihrem Kind auf Mallorca einen Motorradweltmeister

Vier Champions hat die Insel hervorgebracht. In die Lehre gegangen sind sie alle bei Chicho Lorenzo

Chicho Lorenzo hat sich auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert. Hier ist er bei einem MZ-Besuch 2017 zu sehen.  | FOTO: NELE BENDGENS

Chicho Lorenzo hat sich auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert. Hier ist er bei einem MZ-Besuch 2017 zu sehen. | FOTO: NELE BENDGENS / Matías Vallés

Matías Vallés

Vor zehn Jahren hat Chicho Lorenzo, Vater des dreifachen MotoGP-Champion Jorge, in einem Interview mit dem „Diario de Mallorca“ versprochen, der Insel einen weiteren Weltmeister zu verschaffen. Mit Izan Guevara (Moto3), Augusto Fernández (Moto2) und Joan Mir (MotoGP) sind daraus in den vergangenen zwei Jahren gleich drei geworden. Sie alle lernten das Motorradfahren in der Fahrschule des Venezolaners. Nun fordert der 64-Jährige, der sich mit seinem Sohn Jorge zerstritten hat, Anerkennung ein.

Sind alle mallorquinischen Champions so etwas wie Ihre Söhne ?

Ich war ein wichtiger Bestandteil ihrer Karrieren, und ich habe dafür gesorgt, dass der Motorsport für ihre Familien bezahlbar war. Alles Weitere baute darauf auf.

Haben es Ihnen die Weltmeister gedankt?

Nein, sie haben vergessen, wie wichtig ihre Ausbildung in dieser bescheidenen Motorsportschule war. Sie hat ihnen einen günstigen Einstieg in die Karriere ermöglicht.

War Ihr Sohn Jorge eifersüchtig, dass Sie so viel Zeit in seine Konkurrenten und Nachfolger investiert haben?

Ja, das war aber auch mein Ziel. Ich wollte ihm zeigen, dass ich nicht nur ihn zum Weltmeister formen kann.

Was zeichnet Jorge aus, was seine Nachfolger auf dem Podium nicht haben?

Er hat mehr Jahre mit mir gearbeitet.

Wie ist Ihre Beziehung derzeit?

Nicht existent.

Wussten Sie im Vorfeld, welches der Kinder eines Tages Weltmeister sein wird?

Es zum Champion zu schaffen, ist nicht leicht. Einige, die das Zeug dazu hatten, sind auf der Strecke geblieben. Entweder, weil sie es so wollten oder weil die Eltern einen Schlussstrich gezogen haben.

Welche Eigenschaften muss ein Motorradfahrer mitbringen, um Champion zu werden?

Er muss vor allem Talent und charakterliche Stärke vereinen.

Und wie sieht es damit bei den mallorquinischen Weltmeistern aus?

Joan Mir ist der talentierteste Bursche, den ich in meinem Leben trainiert habe. Augusto Fernández hat weniger Talent, ist aber ein intelligentes Kerlchen. Izan Guevara wird eine ganze Epoche prägen. Er wird Marc Márquez beerben. Er ist selbstsicher, clever und hat Intuition. Und sie sind alle noch jung.

Wer von Ihnen wird den nächsten WM-Titel im MotoGP holen?

Joan Mir war schon mal auf dem Thron und gibt sich damit zufrieden. Augusto Fernández muss noch an einigen Punkten arbeiten. Daher setze ich auf Izan Guevara. Wenn kein Unglück geschieht, wird er eines Tages einer der besten Motorradfahrer aller Zeiten sein. Er hat es im Blut und den Kopf dafür.

Sind die Eltern der größte Feind des Lehrers?

Das lässt sich nur schwer verallgemeinern. Nehmen wir Augusto Fernández: In den sieben Jahren, in denen er bei mir war, haben seine Eltern mir ganz und gar vertraut. Wir waren Komplizen.

Die Ausbildung beginnt manchmal schon mit vier Jahren. Was sehen Sie in den Kindern?

Mir reicht eine halbe Stunde mit ihnen, und ich habe alles, was ich brauche. Das ist für mich wie eine Blutanalyse und eine Computertomografie für einen Arzt. Leidenschaft und Talent erkenne ich sofort.

Viele Eltern haben Angst, dass der Motorsport die Kinder umbringt …

Ich streite nicht ab, dass es ein Hochrisikosport ist. Man kann so viele Protektoren anbringen, wie man will. Die Gefahr lässt sich nicht komplett bannen.

Sicherlich trauen einige Eltern Ihren Kindern einen umsichtigen Umgang mit den Maschinen nicht zu …

Viele Jugendliche müssen daher bis zur Volljährigkeit warten, ehe sie das erste Mal auf ein Motorrad steigen. Die Eltern verbieten es rigoros. Ich versuche in solchen Fällen auch nicht, sie umzustimmen. Stellen Sie sich mal vor, es passiert wirklich ein Unfall.

Ein Video eines serbischen Tennistrainers ging viral, das zeigt, wie er auf seine Tochter einprügelt …

Gewalt führt in der Ausbildung zu nichts. Das klappt nicht. Dennoch drehen manche Leute durch. Es gibt andere Wege, zum Beispiel den guten alten Anschiss. Den brauchen die Fahrer, sie trainieren im Anschluss besser.

Sind Sie ein Streithahn?

Ich habe eine kurze Zündschnur und gewinne meist auch die verbalen Auseinandersetzungen. Ich habe mit der Zeit aber gelernt, mich nicht mehr in Streitereien einzumischen, die mich eigentlich gar nicht interessieren. Eine andere Sache ist natürlich, seinen eigenen Standpunkt zu verteidigen.

Geben Sie es zu: Sie haben mich um dieses Interview gebeten.

Vor zehn Jahren haben Sie mich aufgefordert, einen zweiten Jorge Lorenzo zu fabrizieren. Damals habe ich gesagt: Daran arbeite ich in meiner Fahrschule. Ich werde 20 Champions ausbilden, um einen Ersatzmann zu haben, wenn mal einer ausfällt.

Toni Nadal ist immer noch auf der Suche nach einen Klon seines Neffen Rafa Nadal.

Dafür haben die Nadals einen Sportkomplex geschaffen, der mehr auf das Geschäft ausgelegt ist als auf den sportlichen Erfolg.

Sprechen wir uns in zehn Jahren wieder?

Wenn wir dann noch leben. Die Aufgabe vom vergangenen Mal ist erfüllt, und die Ausbildung der Profis macht wegen der ständigen Scherereien mit dem Umfeld keine Freude mehr. Ich arbeite nun lieber mit zwei jungen Fahrern zusammen, die zu den fünf weltweit Besten ihrer Altersstufe gehören. Zudem will ich ein Projekt auf die Beine stellen, um den Motorsport günstiger zu machen. Er hat schon viele Familien in den Bankrott getrieben.