Atlético Baleares in der Krise: Die Fans halten dennoch zum "deutschen" Drittligisten auf Mallorca

Der Verein galt einst in seiner Spielklasse als Spitzenteam. Nun verliert der Club ein Spiel nach dem anderen

Jordi Herrero steht auch in Krisenzeiten zu seinem Atlético Baleares.

Jordi Herrero steht auch in Krisenzeiten zu seinem Atlético Baleares. / Privat

Ralf Petzold

Ralf Petzold

„Die Fans des VfL Bochum gehen ins Stadion, um sich aufzuregen. Und der Verein gibt den Leuten, was sie wollen“, sagte der Kabarettist Frank Goosen einst über seinen Herzensclub. Der Spruch gilt auch für Atlético Baleares. Den mallorquinischen Drittligisten und den Bundesligisten verbinden mehrere Dinge: die blau-weißen Vereinsfarben, das Image als Arbeiterclub und die Position auf dem Abstiegsplatz nach einem desolaten Spiel am vergangenen Wochenende.

Jordi Herrero gehört zu den treuen Anhängern des Vereins aus Palmas Osten. Der 50-Jährige leitet den Fanclub Jogo Bonito. „Bei uns kursiert die Redensart: Es ist einfach, Fan von Real Mallorca zu sein. Anhänger von Atlético Baleares zu sein, kommt dagegen von Herzen“, sagt er vor dem Anpfiff des Heimspiels am Sonntag (26.2.) gegen Amorebieta.

Von Real Mallorca zu Atlético Baleares gewechselt

Sein Papa habe ihn früher immer mit ins Stadion des großen Inselrivalen genommen. „Ich habe aber immer gespürt, dass sich das nicht richtig anfühlt“, meint Jordi Herrero. Auf den Rängen des Lluis Sitjar, wo früher Real Mallorca spielte, saßen zu viele Erfolgsfans. „Mein Vater war einer von ihnen. Er war nicht mit dem ganzen Herzen dabei, sondern wollte einfach nur mit seinen Freunden ein Fußballspiel schauen.“ Die Eltern nahmen es dem damals 15-Jährigen daher nicht krumm, als er die Lager wechselte. „Ich fand heraus, dass mehr dazugehört. Ein Fan zu sein ist auch eine Lebenshaltung. Atlético Baleares ist ein bescheidener Arbeiterclub, und wir stehen auch politisch eher links – ein wenig wie die Fans von FC St. Pauli in Deutschland“, sagt Jordi Herrero. Dazu gehört dann auch, in Krisenzeiten bedingungslos zum Club zu stehen.

Gemeinsam Krise meistern

Es sieht ziemlich düster aus für den Verein des deutschen Eigentümers Ingo Volckmann. Auch an diesem Sonntag. Fast jeder Pass landet in der Anfangsphase an den Füßen des Gegners. Ein Abwehrspieler von Atlético Baleares kann ein einfaches Zuspiel nicht stoppen, ein gegnerischer Angreifer taucht plötzlich alleine vor dem Tor auf. Herrero prustet erleichtert auf, als der Schuss am Tor vorbeigeht.

„Ihr überdeckt eure eigenen Fehler mit Trainerwechseln“, steht auf einem Plakat hinter dem Tor zu lesen. Angebracht hat es der an Nachwuchsproblemen leidende und mit der Clubführung über Kreuz liegende Ultra-Fanblock „Grada Popular“. Für Trainer Tato García, der vor zwei Wochen für Onésimo Sánchez übernommen hat, ist es das Heimdebüt. Tato ist bereits der vierte Trainer in dieser Saison. Sein Vorgänger saß keine zwei Monate auf der Bank.

Die gute Stimmung vergeht

Ingo Volckmann, der mit seinem deutschen Freundeskreis und Sportdirektor Patrick Messow auf der Haupttribüne sitzt, nimmt das Geschehen auf dem Platz an diesem Sonntag noch locker. Es werden Witze gerissen und gelacht. Die Stimmung erinnert nicht an Abstiegskampf. Und tatsächlich fängt sich seine Mannschaft nach der nervösen Anfangsphase. Linksverteidiger Marc Baró, der mit Abstand beste Spieler bei Atlético Baleares derzeit, knallt den Ball aus der Distanz an den Pfosten von Amorebieta. „Vor zwei Jahren wäre das Ding reingegangen“, sagt Herrero.

Doch rein geht der Ball kurz vor der Pause auf der anderen Seite. Auf der Haupttribüne wird nicht mehr gelacht. Die Laune von Ingo Volckmann, der schon lange keine Interviews mehr gibt, hat sich schlagartig verschlechtert – und wird auch nicht mehr besser. Der zweite Durchgang ist ein Trauerspiel. Atlético Baleares spielt apathisch und hat Glück, dass es beim 0:1 bleibt. Die Fans auf der Tribüne müssen bis zum Abpfiff leiden. Es ist die vierte Niederlage in Folge. Jetzt sind es schon fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer.

Vom FC Bayern der dritten Liga zum Punktelieferanten gewandelt

Dabei gehört der Verein zu den finanzstärksten der dritten Liga. „Die Qualität des Kaders ist zweifelsfrei hoch“, sagt Jordi Herrero nach dem Spiel. Mit Angreifer Dioni hat man den besten Drittligatorjäger aller Zeiten, Rechtsverteidiger Laure hat 117 Erstligaspiele in seiner Vita stehen. „Und dennoch stecken wir seit der vergangenen Saison in einer Abwärtsspirale“, seufzt Herrero. „Früher waren wir der FC Bayern der dritten Liga, die Gegner hatten Angst vor uns. Heute freuen sie sich schon im Vorfeld darauf, dass wir ihnen die Punkte liefern werden.“

Warum das so ist, weiß auch er nicht. „Ich bin Hotelrezeptionist und kein Profitrainer. Ich habe keine Ahnung von Taktik“, sagt der 50-Jährige und will niemanden die Schuld zuweisen. „Es ist vor allem Kopfsache. Vor drei Wochen spielten wir gegen neun Gegner und schafften es nicht zu gewinnen. Das Team ist viel zu nervös. Da muss einfach ein Schalter umgelegt werden.“

Jetzt stehen erst einmal zwei Auswärtsspiele an. „Das wird schwierig“, sagt Jordi Herrero, verliert aber seinen Optimismus nicht. „Vor vier Spieltagen haben wir noch gerechnet, wie wir die Play-offs erreichen können. Wir kommen da unten raus, auch wenn es eine enge Kiste wird.“ Atlético-Baleares-Fans wissen eben zu leiden, es ist schließlich eine Herzenssache.

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