Die fünfte Corona-Welle flaut langsam ab. Endlich kann man sich auf Mallorca wieder über vernünftige Dinge streiten. Über die Sprachpolitik auf den Balearen zum Beispiel, um die es in den vergangenen 18 Monaten sehr still geworden war. Und über kaum ein anderes Thema streiten die Inselbewohner leidenschaftlicher als über ihre Sprachen – also die Muttersprache Mallorquinisch-Katalanisch auf der einen Seite und die Sprache des Vaterlandes Spanien auf der anderen. Neben den tatsächlichen Inhalten ist es auch eine Debatte von Dorf gegen Stadt, von links gegen rechts, Peripherie gegen Zentrum, von Barça gegen Madrid.

Der jüngste Aufreger waren nun mehrere Fälle mutmaßlicher Sprachdiskriminierung in den öffentlichen Gesundheitszentren. Am höchsten schlugen die Wellen in Palmas Ambulanz Son Pisà. Eine Ärztin soll eine Patientin unterbrochen haben, als die ältere Frau begann, ihre Beschwerden auf Mallorquinisch zu erklären. Sie solle doch bitte auf Spanisch sprechen, soll die Ärztin gesagt haben, weil sie sonst nichts verstehe. Der Sohn zeigte den Vorfall an. Die Politiker machten daraus ein Politikum. Die lokale Presse berichtete über die Details. Zum Beispiel, dass die vom spanischen Festland stammende Ärztin bereits seit sieben Jahren auf der Insel lebe und deshalb in der Lage sein sollte, die Inselbewohner wenigstens zu verstehen, wenn sie ihre Muttersprache sprechen. Ob der Seniorin mit ihren Beschwerden schließlich geholfen wurde, erfuhren wir hingegen nicht in der Presse.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Campos. Ein Patient mit einer schweren Handverletzung erklärte auf Katalanisch, wie es zu dem Unfall gekommen war. Die Krankenschwester hielt ihn an, doch bitte Spanisch zu sprechen, damit sie ihn verstehe. Bei diesen beiden Vorfällen handele es sich nur um zwei der insgesamt 50 Beschwerden, die in den vergangen Monaten bei der Generaldirektion für Sprachpolitik in der Balearen-Regierung eingegangen sind, heißt es.

Die links-ökologisch-regionalistische Partei Més, einer der beiden Junior-Koalitionspartner der regierenden Sozialisten, griff die Vorfälle auf und wetterte gegen die Diskriminierung in ihrer Muttersprache sprechenden Mallorquiner. Dabei wurde auch bemängelt, dass viele der Hinweisschilder in den öffentlichen Gesundheitszentren ausschließlich in spanischer Sprache aushingen. Dass innerhalb von Més gerade interne Wahlen anstehen, mag das Thema zusätzlich beflügelt haben.

Die anderen beiden Koalitionspartner – die ebenfalls für die Sprachproblematik empfänglichen Sozialisten und die Linkspartei Podemos – einigten sich schließlich auf eine gemeinsame Position. Die Regierung soll damit beauftragt werden, den Fällen von Sprachdiskriminierung nachzugehen und, je nach Ausgang der Ermittlungen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem solle es künftig eine direkte Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitsdienst IB-Salut und der Direktion für Sprachpolitik geben. Die Ausschilderung in den Gesundheitszentren müsse – zusätzlich – auf Katalanisch sein.

Illustrationen zum Thema Körper aus einem Bilderlexikon für Ausländer des Inselrats von Mallorca. Consell de Mallorca

Auch der von derselben Linkskoalition regierte Inselrat wurde aktiv. Alle Repräsentanten der Institution sollen per Inselparlamentsbeschluss angehalten werden, immer dann auf Katalanisch zu sprechen, wenn sie ihr Amt oder ihre öffentliche Funktion ausüben. Die Abstimmung im Inselrat erfolgt am Donnerstag (9.9.).

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Die konservative Opposition wird den Beschluss kaum verhindern können. Sicherlich wird sie die Debatte aber nutzen, sich von der Sprachpolitik der Linken zu distanzieren. Insbesondere die Liberalen von Ciudadanos und die rechtsextreme Partei Vox dürfte die Gelegenheit nutzen, sich als Sprachrohr für die spanischsprachige Bevölkerung auf der Insel starkzumachen. Auch die konservative Volkspartei PP wird Stellung beziehen müssen und dabei die Regierung kritisieren wollen, ohne die ländliche Hälfte ihrer eigenen Basis zu verprellen, die selbst gerne lieber in ihrer Muttersprache spricht. /tg