Einer der häufigsten Sätze, die ich im Hundetraining höre, lautet: „Mein Hund muss gar nicht viel können, ich will nur, dass er immer kommt, wenn ich ihn rufe!“ Der Wunsch, seinem Hund einen großen Freiraum zu gewähren, steht jedoch aus Hundesicht völlig im Widerspruch zur schwierigen Gehorsamsleistung des Kommens auf Zuruf. Ein Hund, der immer machen darf, was er will, versteht nicht, dass er in bestimmten Situationen kommen muss.

Die typische Beziehung zwischen Hund und Halter ist so konstruiert, dass sich der Mensch innerhalb des Hauses noch einer großen Aufmerksamkeit seines Hundes sicher sein kann. Beim Verlassen der Haustür kehrt sich der gute Gehorsam dann ins Gegenteil: Tür auf - Hund weg!

Versuche, den Hund mit Leckerlies, verstecken, weglaufen oder schimpfen dazu zu bringen, dass er zügig zum Besitzer rennt, lassen ihn unbeeindruckt und dienen eher der Unterhaltung anderer Spaziergänger.

Die verzweifelten Hundebesitzer stellt dieses Phänomen vor ein großes Rätsel, da sie sich das unterschiedliche Verhalten ihres Hundes nicht erklären können: „Draußen ist er wie ausgewechselt!“

Für jeden Hund ist die Sachlage aber klar: Zuwendung innerhalb des Hauses bedeutet Futter oder Streicheleinheiten und liegt dadurch ganz im Interesse des Hundes. Zuwendung außerhalb des Hauses ist hingegen verbunden mit einer Einschränkung seines Freiheits- oder Erkundungsdrangs. Gerufen wird der Hund gerade dann, wenn etwas besonders Spannendes in Sicht ist wie andere Hunde, Spaziergänger, in die Gegend geworfene Essenreste oder wohlduftendes Aas. Futter oder soziale Angebote des Besitzers sprechen den Hund hier nicht mehr an, da er zu Hause davon ja schon genug bekommt.

Tag für Tag geraten Besitzer und Hund auf den Spaziergängen in eine Interessenskollision, die nur zu beheben ist, wenn sich der Hundehalter insgesamt attraktiver für den Hund macht und häufiger die Aufmerksamkeit auf sich lenkt - den Hund also auf den Spaziergängen nicht sich selbst überlässt. Eine gute Mischung aus Gehorsamsübungen und positiver Zuwendung des Besitzers lassen den Hund am schnellsten lernen, dass es sich lohnt, draußen auf Kontaktangebote einzugehen und auch Grenzen akzeptiert werden müssen.

Die Vielfalt der heutigen Trainingsmethoden bietet einen auf den jeweiligen Hund und seinen Halter individuell angepassten Lösungsweg, der zu einem nachhaltigen Erfolg führen kann. Es ist davon abzuraten, willkürlich eine Methode nach der nächsten auszuprobieren. Dies führt nur zu Frust beim Hundehalter und nicht zu gewünschten Lernerfahrungen des Hundes. Ein erfolgreiches Training muss immer die spezifischen Rasseeigenschaften des Hundes, seinen Typus und die Umsetzungsfähigkeit des Hundebesitzers berücksichtigen.

Die Autorin ist Hundetrainerin auf Mallorca. Tel.: 626-24 17 84, www.mallorca-hundeschule.com