José ist aus der Tür, ich atme tief durch. Setze mich aufs Sofa, versuche meine aufgewühlten Gedanken zu ordnen. Meine kleine heile Hundewelt mit meiner Riesenschnauzer-Hündin Momo ist seit drei Stunden aus den Fugen geraten.

Ich hatte José Arce, einen Hundeflüsterer, zu einem Interview auf meine Finca gebeten. Und wollte den Experten in Sachen Hundeerziehung auch gleich an meinem eigenen Vierbeiner testen. Denn Momo ist seit ein paar Wochen kaum noch zu bändigen. Sie bellt unkontrolliert, zerstört Schuhe und springt mich mit ihren 32 Kilo stürmisch an.

Doch der Tag mit José verlief anders als geplant, denn weder er noch Momo wurden auf die Probe gestellt. Ich selbst war es, die sich einer Prüfung unterziehen musste. Die einzige und wichtigste Frage dieser Prüfung lautete: Will ich Momos Rudelführerin sein?

Drei Stunden vorher, ich sitze mit dem Hundeexperten beim Interview. Der 35-jährige Mallorquiner trägt ein T-Shirt, auf dem steht: „Die wahre Verbindung zu deinem Hund." Ich möchte wissen, was das bedeutet. „Du bist der Rudelführer, dann fühlt sich dein Hund sicher, respektiert und geliebt," fasst José seine Ansicht zur artgerechten Hundehaltung kurz zusammen. Jeder Hund brauche zum Leben ein Rudel, da ein Hund allein nicht jagen und sich schützen könne. Ein Rudel, das können andere Hunde oder eine Person sein. Der Rudelführer bestimmt, wann gespielt, wann gefressen, wann Gassi gegangen und wann geschlafen wird. Ein sehr un­demokratisches System, wie ich finde. „Die Natur ist nicht demokratisch, und Tiere sind nicht intellektuell veranlagt wie wir Menschen."

Für José ist ein Hund ein Hund und kein Mensch. Das sehen nicht alle Hundebesitzer so. Viele Menschen begrüßen ihren Hund morgens überschwenglich, umarmen ihn, rufen laut Guten Morgen und erwarten, dass sie das Tier versteht. Ein großer Irrtum. „Ich liebe meine eigenen Hunde wie Kinder, aber ich lasse sie das nicht spüren. Ich sorge für sie, beschütze sie, bin ihr Rudelführer. Damit erweise ich ihnen den größten Respekt."

Der Mallorquiner wird von Kunden oft wegen bestimmter Probleme gerufen, zum Beispiel, weil der Hund bellt, wenn sie das Haus verlassen, weil der Hund andere Artgenossen anfällt oder nicht im Auto fahren will. „Es macht keinen Sinn, einzelne Probleme wegzutrainieren", so José. „Zuerst muss die Ordnung im Rudel wieder hergestellt werden."

José arbeitet nicht wie andere Hundetrainer mit Belohnung und Bestrafung. Er beobachtet die Tiere sehr genau und beschäftigt sich intensiv mit den Besitzern. Ich soll ihm aus meinem Leben mit Momo erzählen. Die Hündin lief mir vor sechs Monaten beim Joggen zu und trabte an meiner Seite mit mir nach Hause. Ich nahm den Findelhund bei mir auf. „Der perfekte Beginn einer Mensch-Hund-Beziehung", ruft José begeistert. „Momo hat dich selbst zu ihrer Rudelführerin erwählt." Ein paar Wochen später begannen die Probleme. Momo zwickte mich ins Bein, wenn ich telefonierte. Sie sprang vor Freude an mir hoch, wenn wir spazieren gehen wollten und schnappte vor Übermut nach der Leine. Was war seit dem ersten perfekten Tag passiert?

José erklärt mir, dass Momo weder aus Freude, noch aus jugendlichem Spieltrieb heraus diese Dinge tut. Sie benimmt sich so, weil sie Stress hat. Wie bitte, mein Hund soll Stress haben? Ich glaube, dass Momo der glücklichste Hund der Welt ist, denn ich schenke ihr so viel Freiheit wie möglich. „Hunde wollen keine Freiheit, sie wollen einen Rudelführer, der ihnen klare Grenzen setzt und dem sie blindlings vertrauen können."

Das Kommando über seinen Hund verliert man meist durch falsches Spazieren­gehen, weiß José aus Erfahrung. Beim Spaziergang muss der Rudelführer vorauslaufen, der Hund folgt ihm – nicht umgekehrt, wie in den meisten Fällen. „Ein Hund nimmt draußen zig Gerüche und Geräusche wahr, es bedeutet puren Stress für ihn, die Führung zu übernehmen und die Entscheidungen zu treffen."

Das Programm für mich und Momo ist daher schnell besprochen: Ich muss die Hündin beim Gassi gehen führen, nicht sie mich. Momo muss sich zum Anleinen ruhig hinsetzen, sie darf weder bellen noch springen. Ich gehe grundsätzlich zuerst durchs Gartentor. Der Hund läuft beim Joggen neben mir an der Leine, ich bestimme, wo er zehn Minuten schnüffeln und sein Geschäft verrichten darf. Das alles wird Geduld, Kraft und dreimal so viel Zeit kosten wie sonst. „Die Zeit musst du dir zwei Wochen lang nehmen, anders geht´s nicht", sagt José. „Danach wird Momo dich wieder als Rudelführerin akzeptieren."

Den ersten Spaziergang trainiere ich mit José zusammen. Danach bin ich mindestens genauso erschöpft wie mein Hund. „Jetzt ist der beste Zeitpunkt mit Momo zu arbeiten, weil sie müde und ruhig ist." Er hält Momo die Leine vor die Nase, berührt sie am ganzen Körper mit der Leine und streichelt sie dabei. „Du kannst jetzt die Leine mit Liebe verbinden." Momo legt sich auf den Boden und streckt alle Viere von sich. Die Leine interessiert sie nicht die Bohne. Ein erster kleiner Erfolg.

In den nächsten zwei Wochen werde ich mich strikt an den Spaziergeh-Plan des Hunde­experten halten und sehen, was passiert. „In zwei Wochen rufe ich dich an, und du sagst mir, ob du dein Leben mit Momo wieder genießt", so José. Ich gucke skeptisch. „Die wahre Verbindung zu deinem Hund entsteht nur dann, wenn auch du dein Leben veränderst."

Zur Person

José Arce wurde 1974 in Palma geboren, nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Hotelfachmann in Hamburg. 1996 kam er nach Mallorca zurück, er spricht fließend Spanisch, Deutsch und Englisch. Von klein auf hatte José Arce Kontakt mit Hunden, arbeitete aus Spaß mit aggressiven, dominanten oder ängstlichen Hunden von Freunden und Bekannten. In diesem Sommer rehabilitierte der Hundeexperte erfolgreich einen Bullmastiff-Mischling, der seiner Besitzerin ins Gesicht gebissen hatte. Der Fernsehsender Sat 1 filmte und dokumentierte seine Arbeit. Für jeden Kunden nimmt sich José Arce einen Tag Zeit.

Preise sind Fallabhängig, zumeist sind die Probleme nach einem Termin gelöst.

Infos unter Tel. 971-52 06 03

www.jose-arce.com