„Plötzlich war sie da", schrieb unser Praktikant Philipp Schulte zur Eröffnung seines Blogs über die wahrscheinlich erste „Verlagskatze" Spaniens. Das schwarze, anmutig tänzelnde Tier hatte sich einige Tage zuvor zunächst bis auf einen Sicherheitsabstand von circa zwanzig Metern unserem täglichen Mittagstisch im Garten des Verlagshauses genähert. Keine exotische Erscheinung - schließlich wimmelt es in der Gegend nur so von herrenlosen Katzen, um die sich niemand wirklich schert. Sie bleiben auf Distanz und verschwinden stets rasch wieder im Gestrüpp der Baugrundstücke.

Nicht so Gumersinda. So haben wir sie spontan genannt. Sie kam von Tag zu Tag näher, interessierte sich für uns und schien sich, wenn man das so sagen darf, regelrecht zu „freuen", wenn jemand im Garten auftauchte. Sie wurde zum Gesprächsthema. „Die sitzt schon da und kreischt", waren die Kommentare müder Redakteure, die bereits früh morgens beim Lesen der Zeitung im Verlagsgarten von ihr begrüßt wurden. Es klang ein wenig, als spräche man über ein liebenswürdiges, aber etwas anstrengendes WG-Mitglied.

Und dennoch: Gumersinda hat es geschafft. Angesichts des stetig wachsenden Vertrauens, das sie unbeirrt auch den weniger katzenbegeisterten Kollegen schenkte, warfen schließlich selbst die abergläubigen Kollegen ihre düsteren Überzeugungen über den Haufen. Die hygiene­empfindlicheren Mitarbeiter erwischte man derweil hier und dort dabei, wie sie dem Neuzugang zögerlich, aber - immerhin - mit einem abgespreizten Zeigefinger über den Kopf strichen.

Wie erwartet, prangte nach wenigen Tagen das Schild „Por favor, no dar comida a la gata" (Bitte die Katze nicht füttern) an den Türen zum Verlagsgarten. Erst durch diese Aufforderung unseres Hausmeisters wurde deutlich, wie viele Kollegen, Spanier wie Deutsche, hinter dem sanftmütigen Tier standen. Selbst jene, denen die Katze bis dahin eher egal war, empörten sich über das Verbot. So nahm der Wunsch, Gumersinda in unsere kollektive Obhut zu nehmen, Form an.

Dennoch: Das Schild des Fütterungsverbots musste ernst genommen werden. Aus ihm sprach die Warnung, den Verlagsgarten nicht in einen Treffpunkt sämtlicher Katzen aus der Umgebung zu verwandeln. Wir berichten zuweilen über die Missstände im Tierschutz auf der Insel, erhalten Leserbriefe, in denen über Begegnungen mit ausgesetzten Straßenhunden und verwahrlosten Katzen auf dieser sonst so schönen Insel geklagt wird. Die hiesigen Tierschützer stoßen, wie Petra Steiner, Vorsitzende des Dachvereins der balearischen Tierschutzvereine, immer wieder in ihrem Blog erklärt, permanent an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Es gibt zu viele herrenlose Hunde und Katzen auf Mallorca (und sie jagen zu viele Vögel, wie der redigierende Chefredakteur, kein Katzenfreund, an dieser Stelle ­einzuwerfen wagt).

Gumersinda hat diese Problematik ins Haus gebracht. Still, ohne vorwurfsvoll daherzukommen. Mittlerweile ist sie sterilisiert, entfloht und entwurmt. Gekümmert hat sich darum die Tierärztin und Katzenexpertin Fernanda Canoura von der Tierklinik Son Dureta. Sie hat Gumersinda durchgecheckt und uns die gute Nachricht gebracht, dass das Tier sich bester Gesundheit erfreut, ungefähr ein Jahr alt sein dürfte und sehr wahrscheinlich bereits einmal Katzen­kinder in die Welt gesetzt hat. Die kreuchen und fleuchen vermutlich längst verwildert durch das Gestrüpp der umliegenden Grundstücke. Für die spontane Unterstützung sind wir Fernanda Canoura sehr dankbar. Sie wird uns als Katzen­expertin mit Artikeln „rund um die Katz" künftig zur Seite stehen.

Nun sind wir unsere kleine Kollegin unverhofft rasch wieder los geworden. Nachdem Gumersinda sterilisiert war, hatten sich die Geister geschieden, was ihre weitere Zukunft anging. Es gab einige, die meinten, man könne der Katze nun kein Leben als Straßenkatze mehr zumuten.

Unsere kleine Kollegin wohnt nun bei der Freundin einer Arbeitskollegin in Esporles, in einem Haus mit Garten (und vielen lustigen Piepmätzen!, die Autorin) und heißt von nun an „Maya". Sie wird es gut dort haben, da sind wir uns alle sicher. Und doch, selbst eine Woche nach Gumersindas Umzug sitzen wir ab und zu, den Kopf in die Hände gestützt und gedankenverloren im Garten und wünschten, sie käme wieder um die Ecke gebogen und auf uns zugelaufen. „Bei uns hätte sie es auch gut gehabt", nicken wir uns dann gegenseitig zu, richten schweigend wieder unseren Blick auf die akkurat geschnittene Grasnarbe des Verlagsgartens und träumen davon, dass bald mal wieder ein Stubentiger ein wenig Unordnung in unser Leben bringt.