Es waren einmal an die 45 Ziegen, die lebten froh und munter auf dem Felsen Es Vedrà, der sich wenige Hundert Meter vor der Westküste Ibizas, der Nachbarinsel von Mallorca, aus dem tiefblauen Meer erhebt. Auf dem steinigen Eiland nagten die hungrigen Tiere die immer mickrigeren Triebe ab - bis Anfang Februar das balearische Umweltministerium ein Scharfschützen-Kommando auf das unter Naturschutz stehende Inselchen schickte, um den gefräßigen Zeitgenossen kurzerhand den Garaus zu machen.

Am 4. Februar schossen die Scharfschützen den Großteil der Tiere ab und ließen die Kadaver auf der Insel liegen. Am vergangenen Sonntag (21.2.) rückte das Kommando ein zweites Mal aus, um Jagd auf die restlichen sieben überlebenden Ziegen zu machen. Es gelang ihnen aber lediglich, vier zu erlegen. Die restlichen drei Tiere sollen in einer dritten und letzten Jagd geschossen werden.

Allerdings hatte Umweltminister Vicenç Vidal von der regionalen Öko-Partei Més die Rechnung ohne die Tierschützer gemacht. Innerhalb weniger Tage nach Bekanntwerden des ersten Einsatzes brach in den sozialen Netzwerken ein Sturm der Entrüstung los. Über Facebook suchten die Ziegenfreunde Zeugen des herzlosen Massakers; über Twitter verschickten sie Més-kritische Nachrichten („Ja no hi ha MÉS cabres a Es Vedrà" - Es gibt keine Ziegen mehr auf Es Vedrà) und Solidaritätsbekundungen („Je suis cabra de Es Vedrà"). Die Tierschutzpartei Pacma sammelte indes knapp 19.000 Unterschriften, die sie inzwischen im Umweltministerium abgegeben hat. Die Unterzeichner fordern ebenso wie etwa 500 Demonstranten, die sich am Samstag (13.2.) in Ibiza-Stadt versammelt hatten, den Rücktritt der politisch Verantwortlichen.

Ihren Hut nehmen soll nicht nur eine Generaldirektorin aus dem Umweltministerium in Palma, sondern auch Umweltdezernent Miquel Vericard vom Inselrat auf Ibiza. Der war an der Entscheidung, die Ziegen abzuknallen, zwar nicht beteiligt, hatte die Maßnahme in der Vorwoche aber ausdrücklich gelobt, da die Flora von Es Vedrà nur so geschützt werden könne.

Das vorerst letzte Revival der Ziegen hatte 1992 begonnen, als die Eigentümer der Insel dort zwölf Exemplare aussetzten, um an eine jahrhundertealte Tradition anzuknüpfen. Weil sich die Ziegen aber wie die Karnickel vermehrten, wurden nicht nur das Futter immer knapper und die Tiere immer magerer. Auch um die 166 auf Es Vedrà vorhandenen Pflanzenarten, darunter zwölf endemische Gewächse, war es zunehmend schlechter bestellt. Kurzum: Die Ziegen mussten zum Wohle der Natur sterben.

Dabei habe man gesetzeskonform gehandelt, verteidigte Minister Vidal das Massaker - für das er Rückendeckung von Wissenschaftlern und sogar vom Umweltverband GOB hat, der die Ausbreitung der Wildziegen als „eines der größten ökologischen Probleme der Balearen" bezeichnet. Die Ziegen lebend einzufangen und nach Ibiza zu bringen sei aufgrund des schwer zugänglichen Geländes und der Gefahr für die Ministeriumsmitarbeiter nicht möglich gewesen. Zumal sie angeblich auch noch die Krätze hatten und andere Tiere anstecken hätten können.

Den Tierschützern spenden all diese Argumente wenig Trost. Auf der nun mit verwesenden Ziegenkadavern gedüngten Erde werden die Pflanzen auf Es Vedrà zwar nun wieder besonders gut sprießen, schrieb einer von ihnen im „Diario de Ibiza". „Aber ihre Blätter und Blüten werden rötlich gefärbt sein vom Blut."