„Ich hätte früher gerne ein Buch gehabt, das mir erklärt, wie ein Ratero tickt", erzählt Birgit Chengab (58), die unter dem Namen Agnes Villafranca „Ratero Mallorquin. Ein Mittelmeerhund in Deutschland" geschrieben hat. Im Januar im Selbstverlag erschienen, bündelt das Sachbuch zehn Jahre Erfahrungen mit zwei eigenen Rateros. Es ist das erste Werk auf Deutsch, das sich mit Charakter und Erziehung der kleinsten mallorquinischen Hunderasse beschäftigt.

2006 brachten die gebürtige Lübeckerin und ihr algerischer Mann Khaled Chengab ihren ersten Welpen aus dem Urlaub mit. Am Strand an der Playa de Palma hatte das Paar die kleinen agilen Hündchen beobachtet und sich spontan in sie verliebt. Sie dachten, es handle sich dabei um eine Pinscher-Mischung. Erst bei der Übergabe ihres 3,5 Monate alten Welpen in Villafranca erfuhren sie vom Verkäufer, dass ihr zukünftiger Hausgenosse ein Ca Rater Mallorquí und eine eigene mallorquinische Hunderasse ist.

Zurück in Frankfurt ahnten sie schnell, dass die Erziehung ihres Welpen César Zeit und Nerven kosten würde. „Wir zogen zig Bücher über Hundeerziehung zurate und stellten fest, dass die Tipps bei unserem Welpen nicht funktionierten", erinnert sich Birgit Chengab. Sie recherchierte im Internet und stieß auf die Homepage des mallorquinischen Ratero-Clubs (www.clubcaratermallorqui.com). Dort erfuhr sie etwas über die Geschichte der auf den Balearen seit 160 Jahren beheimateten Hunde (sie stammen von Podenco und Terrier ab, halten Haus und Hof frei von Nagern und werden auch zur Kaninchenjagd eingesetzt), lernte etwas über deren Morphologie (rund 30 Zentimeter hoch, drei bis fünf Kilogramm schwer, kurzes, feines Fell), fand aber nur wenig über den Charakter (lebhaft, robust, unempfindlich) und rein gar nichts über die Erziehung des quirligen Ca Rater, der einen guten Wachhund abgibt.

Die Chengabs besuchten eine Hundeschule, die auf Podencos spezialisiert ist, und waren erstaunt, dass César in den ersten Monaten hinter den anderen, gleichaltrigen Hunden hinterherhinkte. Um Sitz! und Platz! zu lernen, brauchte César eine Einzelstunde, dabei gilt die Rasse als hochintelligent. „Doch ebenso als schwer erziehbar", weiß Birgit Chengab heute. Rateros sind aufgrund ihrer Terrier-Gene sehr selbstständig arbeitende Hunde. Das bedeutet aber auch, dass sie vor lauter Beschäftigung keine Zeit haben, Befehle anzunehmen. „Verbote akzeptieren sie kaum, lieber überlegen sie sich eine Strategie, Befehle zu umgehen und sie zu ihrem Vorteil umzudrehen", erklärt die Autorin des 140 Seiten starken Hunderatgebers.

Dazu gleich ein Beispiel aus dem Kapitel „Der Alltag": Da César auf den Befehl „Aus!" nicht hörte, verknüpfte Frauchen die Order mit einem Tauschhandel. Schleppt der Hund beispielsweise eine tote Maus an, sagt sie „Aus!" und hält ihm gleichzeitig ein Stück Käse hin. Doch mit einem kleinem Stück Käse für eine fette Maus gibt sich ein Ratero nicht zufrieden. Erst wenn Frauchen nacheinander zwei, drei und schließlich vier Stücke Käse anbietet, wiegt das die Beute für den Vierbeiner auf, und er lässt los. So weit Intelligenzstufe eins des begabten Pfiffikus. Doch César liebt auch den Rollentausch zwischen Hund und Herrchen. Und der geht so: Wenn Khaled Chengab auf der Couch Krabbenchips isst, hüpft César mit einem Knochen im Maul auf seinen Schoß, linst auf die Chipstüte, guckt anschließend zu Herrchen und bietet seinen Knochen zum Tausch an.

„Es dauert relativ lange, einen Ratero zu erziehen, weil man immer vorausdenken muss, was ihm noch alles einfallen könnte", so Birgit Chengab. Beispielsweise bellend zur Tür zu rennen, um Frauchen abzulenken, klammheimlich auf den Tisch zu springen und ein halbes Pfund Butter zu verdrücken. Oder an einem kalten Wintertag mit gesenktem Kopf, krummem Rücken, hustend und keuchend zur Wohnungstür zu humpeln, um statt Gassi zu gehen im Auto zum Tierarzt zu fahren. Diagnose: keine Bronchitis, sondern ein ausgeprägtes Schauspieltalent.

„Die ersten drei Jahre waren hart für uns Menschen, sehr hart", sagt Birgit Chengab, „wir haben durchgehalten und darüber bin ich heute froh." Sogar die Prüfung zum BHV-Hundeführerschein (Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater) haben Frauchen und Hund nach drei Jahren Training bestanden.

Da César zwar intelligent, aber „mit seinem eingebauten Großkotz-Gen" keine Spielkameraden fand, entschieden die Chengabs 2008 einen zweiten Ratero von Mallorca zu holen. „Bandito ist etwas größer als der typische Ratero", so Birgit Chengab, „seine Rute wurde glücklicherweise nicht wie bei vielen anderen kurz nach der Geburt mit einem Gummiband abgeschnürt, damit das Schwänzchen abstirbt und abfällt." Ein Überraschungspaket blieb Bandito trotzdem. Da in seine Linie ein Whippet oder Podenco eingekreuzt wurde, hat er sich zu einem Sichtjäger entwickelt, während Cäsar am Boden schnüffelnd die Fährte von Ratten, Hasen und Vögeln aufnimmt.

Als mutig, pfiffig und sensibel beschreibt Birgit Chengab ihre Rateros, die wie andere Hunde auch täglich Auslauf brauchen und geistig gefordert werden müssen, damit sie möglichst keine eigenen Spiele erfinden. Seit 2016 ko-moderiert die gelernte Übersetzerin das Forum „Pinscher, Prager Rattler & Ratero Vermittlung" und beobachtet, dass in den vergangenen Jahren zunehmend auch Rateros in deutschen Tierheimen landen. „Viele Besitzer haben den Ratero als Chihuahua, Pinscher- oder Jack-Russell-Mix bei sich aufgenommen und wussten nicht, was auf sie zukommt", vermutet Birgit Chengab. Wer sich einen Ratero anschaffen möchte oder bereits besitzt, dem empfiehlt die Hobby-Autorin neben ihrem Buch auch die Facebook-Gruppe Ratero Freunde, wo sich Besitzer über Verhalten, Fütterung und Erziehung ihrer cleveren Schützlinge austauschen.

Agnes Villafranca: „Ratero Mallorquin. Ein Mittelmeerhund in Deutschland", CreateSpace, 2017, 21,40 Euro. Erhältlich über Amazon.