Wenn die Asiatische Hornisse zusticht, dann ist das viel schmerzhafter als bei einer Biene oder einer gemeinen Hauswespe. Kein Wunder: Das 3 bis 3,5 Zentimeter lange, ursprünglich in Südchina heimische und erst vor zwei Jahren wahrscheinlich auf einem Schiff aus Katalonien nach Mallorca eingeschleppte Insekt verfügt über einen Stachel, der mit sechs Milli­metern doppelt so lang wie der einer Biene ist. „Ich wurde leider einmal gestochen, als ich eines der Tiere präparierte", sagt Mar Leza von der Balearen-Universität UIB. „Aggressiv auf Menschen gehen sie nicht los, sondern nur auf Bienen, um sie zu fressen." Die Biologin steht im Labor des Biologie-Fachbereichs und blickt auf Dutzende eingefrorene Hornissen­kadaver, die sie aus einem Plastikbehälter auf einen weißen Tisch geschüttet hat. „Ich fasse sie nur sehr vorsichtig an, denn selbst in diesem Zustand ist der Stechmechanismus noch intakt."

Es war Mar Leza, die die fremden Insekten identifizierte, deren erstes Nest Ende Oktober 2015 unweit des Aussichtspunktes Ses Barques bei Sóller entdeckt wurde. Die Vespa velutina, wie die Asiatische Hornisse wissenschaftlich heißt, hat sich seitdem pro Jahr in einem Radius von zehn Kilometern ausgebreitet. In diesem Sommer fanden Mar Leza und die Hornissenjäger von Mallorcas Inselrat erstmals auch Nester im Flachland südlich der Serra de Tramuntana - in dem Weiler Biniamar und bei Santa Maria del Camí. Insgesamt spürten sie bislang in diesem Jahr 17 Nester auf, 2016 waren es zwölf.

Panik in den Bienenstöcken

Die Asiatische Hornisse ist damit zu einer weiteren ernsten Gefahr für die Bienen auf Mallorca geworden, die schon mit Parasiten wie der Varroamilbe und Insektiziden zu kämpfen haben. „Wenn nur eine einzige Asiatische Hornisse vor einer Wabe auftaucht, trauen sich die Bienen nicht mehr heraus", sagt Mar Leza. „Sie können deswegen keinen Blütenstaub sammeln, Blüten bestäuben und Eier legen." Die Wissenschaftlerin verfasste ihre Doktorarbeit über Bienen und gilt als Kapazität in diesem Bereich auf Mallorca.

Immer wenn ernst zu nehmende Hinweise kommen, schwärmen Mar Leza und die weiteren Hornissenjäger in besonders dicken Schutzanzügen aus und suchen nach Nestern. Sie rücken dabei nur nachts aus. Der Grund: In der Dunkelheit befinden sich sämtliche Tiere in ihren Nestern. „Wir strahlen die Nester mit Infrarotlicht an, das die Hornissen nicht sehen können, steigen auf Leitern in die Bäume - meist sind es Kiefern -, verschließen die Öffnungen und stecken die Nester in gleich mehrere Säcke", sagt Mar Leza. Die nächtliche Arbeit ist nicht ungefährlich: Die Nester befinden sich oft in über 20 Metern Höhe.

Fische als Lockmittel

Bevor ein Nest heruntergeholt wird, muss es aber erst einmal geortet werden. Und das kann Tage dauern, da sich die Hornissen bis zu drei Kilometer davon entfernen, um Nahrung für den Nachwuchs zu besorgen. „Wenn wir Hinweise auf Hornissen bekommen, locken wir sie vor Ort mit Fischen an, die wir an Ästen befestigen und mit denen die ­Insekten ihren Nachwuchs mästen", so die Biologin. Als Köder besonders geeignet seien jureles (Bastardmakrelen). Decken sich die Hornissen mit den besonders proteinhaltigen Fischstücken ein, schauen die Insektenjäger, wohin sie fliegen. Die Verfolgung und Ortung der Nester kann dann Tage dauern.

Sind die Nester einmal gesichert, bringen die Jäger sie zur Universität und frieren sie in speziellen Schränken im Fachbereich Biologie bei 20 Grad unter null ein. Die widerstandsfähigen Tiere sind erst nach über 48 Stunden tot.

6.000 Nester in Galicien

Erstmals nach Europa war die Vespa velutina im Jahr 2004 gelangt - wohl in einem Postpaket mit Tee, das in Frankreich ankam. „Die Tiere breiteten sich dann über die Pyrenäen nach Festlandspanien und später nach Mallorca aus", so Mar Leza. Inzwischen sind erste Exemplare der ausgesprochen widerstandsfähigen Kreaturen sogar in den Niederlanden entdeckt worden.

Auf Mallorca verbreiten sich die Hornissen noch relativ langsam. „Das liegt an uns", sagt Mar Leza. „Während wir auf der Insel jedem Hinweis konsequent nachgehen und auch etwa 400 Fallen aufgestellt haben, hat man die Gefahr in Festlandspanien vernachlässigt: Dort breitet sich die avispa asiática 50 bis 100 Kilometer pro Jahr aus." Allein in Galicien seien bislang über 6.000 Nester aufgespürt worden.

Für Mallorca ist das nur bedingt ein Trost, denn Mar Leza rechnet nicht damit, die Hornissen schnell wieder loszuwerden. „Die Insellage spricht zwar dafür, dass wir das Problem irgendwann in den Griff bekommen, doch die Tiere vermehren sich nun einmal exponentiell." In jedem der etwa einen Meter hohen Nester können bis zu 500 Königinnen heran­wachsen. Jede einzelne lebt ein Jahr lang, beginnt im Frühling mit dem Nestbau und kann zahllose Nachkommen zur Welt bringen.

Um auf Mallorca in diesem Jahr noch möglichst viele Nester zu finden, sind die Hornissenjäger bis Dezember aktiv, zumal die Population im Herbst mit etwa 1.800 Tieren pro Nest am größten ist. Danach sterben alle außer den Königinnen. Letztere überwintern nicht unbedingt im Nest, sondern suchen auch unter Steinen oder Baumrinden Ruhe. Im Frühling erwachen sie und bringen Tausende Hornissen zur Welt.

Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, bittet Mar Leza alle Gartenbesitzer und Naturliebhaber darum, verdächtige Insekten sofort zu melden. Man erkennt sie unter anderem an ihrem dunkelbraun-schwarzen Rücken, der feinen gelben Linie am oberen Unterleib und den gelben Beinen. Die Hornissenjäger von Mallorca empfehlen, verdächtige Tiere zu fotografieren und Fotos auf der Website vespapp.uib.es (Katalanisch und Spanisch) hochzuladen. Wenn man sich ganz sicher ist, kann man auch die Telefonnummer 607-55 40 55 anrufen. „Das ist effektiv, denn wir rücken schnell an und suchen das Nest", sagt Mar Leza. Jede lebende Hornisse sei für die Forscher „ein Schatz", der sie zu weiteren Killerinnen führen könne.

Auf der Website findet sich auch eine Grafik, die dabei hilft, die Vespa velutina von anderen Hornissen zu unterscheiden. Verwechslungsgefahr besteht vor allem bei der mit fünf Zentimetern noch größeren vespa de galet (Megascolia maculata), die einen schwarz-gelb gepunkteten Unterleib hat. Auch ihre Stiche sind sehr schmerzhaft. Aber Bienen frisst sie nicht.