„Ich hätte es besser gefunden, wenn die alte Tradition beibehalten worden wäre", poltert Marga Socías - und ist mit dieser Meinung in dem Bergdorf Fornalutx auf Mallorca in bester Gesellschaft. Stattdessen dürfte der correbou am Donnerstag (7.9.) kaum mehr wiederzuerkennen sein: Während es bis zum vergangenen Jahr üblich war, einen wilden Jungstier, an dessen Hörnern Seile befestigt waren, durch die Hauptstraße des Dorfs bei Sóller zu zerren und zu treiben, soll jetzt ein zahmes Tier am Halsband herumgeführt werden. Das schreibt das vor Kurzem geänderte balearische Tierschutzgesetz vor. Der Beschluss soll vor allem den Stierkämpfen auf den Inseln den Garaus machen, hat aber auch Folgen für das Tramuntana-Dorf - eine Niederlage für die Traditionalisten, ein Sieg für die Tierschützer.

„Mich regen diese aggressiven Aktivisten auf, die hier immer auftauchen", wettert Socías weiter, „wir fühlen uns total hilflos." Die junge Ur-Fornalutxerin sitzt an einem Tisch vor der Bar Ca'n Benet, der Herzkammer des meist verschlafenen, dieser Tage aber von vielen Touristen besuchten 700-Einwohner-Ortes, das inzwischen in den Bund der schönsten Dörfer Spaniens aufgenommen wurde. Schlagzeilen macht der Ort aber vor allem mit dem correbou. Dabei werde dem Tier doch anders als bei den Stierkämpfen in den Arenen gar keine richtige Gewalt angetan, so Socías. „Hoffentlich hält die Guardia Civil die animalistas auch diesmal von uns fern."

Die neuen Regeln, die die spanische Zentralregierung zur Verteidigung des traditionellen Stierkampfs vor dem Verfassungsgericht anfechten will, untersagt des Weiteren, den Stier nach dem correbou zu schlachten und das Fleisch unter den Dorfbewohnern zu verteilen, so wie das früher Usus war. „Das hat man doch nur gemacht, weil das etwas ganz Besonderes war", klagt Rentner Damián Bisbal. „Früher bekamen die Menschen im ganzen Jahr kaum Fleisch zu essen." Stattdessen wird es für das zahne Tiere zurück auf die Weide gehen.

Der alte Mann mit Stock, der zum Inventar von Fornalutx gehört, erinnert sich noch an den correbou seiner Kindheit. „Ganz früher dauerte er viel länger." Zunächst durften sich dem Stier die Allermutigsten außerhalb des Dorfes auf einem Feld nähern. Dann sei das mit einer Lorbeerkrone geschmückte Tier hinunter ins Dorf getrieben worden - zunächst die Stufen der Kirche hinab, dann durch die Hauptstraße. Seit einigen Jahren werde der bou dagegen nur noch in einem Lkw herbeigeschafft und mal eben schnell durchs Dorf bewegt.

Immerhin das soll in diesem Jahr wieder aufgehoben werden. Erstmals seit 2008 wird der Stier sich wieder zu Fuß über einen Tramuntana Pfad aus Richtung Norden dem Dorf nähern. Der schon fast vergessene Lorbeerkranz wird dem Tier in diesem Jahr von einer jungen Frau aufgesetzt - wer das sein wird, ist noch geheim. Obwohl 2017 also einige alte Traditionen wieder aufleben, wird Rentner Damián Bisbal dem Treiben wohl trotzdem fernbleiben. „Ich schau mir das schon seit Langem nicht mehr an." Denn seit geraumer Zeit geht das Spektakel vor allem mit einem einher: botellones, also öffentlichen Besäufnissen der Dorfjugend.

Auf Distanz zum correbou geht auch Bernardo. Der Mann mittleren Alters sitzt am Tresen der Bar Ca'n Benet. Er hat ein Pro-Stierlauf-T-Shirt an, hinter ihm hängen Dutzende Schwarzweiß-Fotos des seit 113 Jahren abgehaltenen Spektakels von ganz früher. Er nehme das bewusst aus der Ferne wahr, sagt der Fornalutxer. „Die animalistas werden wiederkommen, obwohl kaum mehr was los sein wird."

Marc Martínez Magraner, Betreiber des Restaurants Sa Cuina d'en Marc, äußert sich differenzierter: „Es ist klar, dass der Stier nicht körperlich misshandelt wird", sagt der Wirt. Niemand drücke Zigaretten auf ihm aus, wie das manche öffentlich behaupteten. „Niemand fasst ihn an." Psychologisch sei der Lauf durchs Dorf zwar bestimmt „schwierig" für das Tier - „ich habe nicht mit dem Stier gesprochen" -, aber Tradition sei halt Tradition. „Von Barbarei kann nicht die Rede sein."

Nur eine in Fornalutx tanzt bei der MZ-Umfrage ein wenig aus der Reihe. Adriana, Mädchen für alles im Mini-Hotel Ca'n Reus, äußert sich zwar respektvoll über die Tradition. Aber „ich bin dagegen, den Stier zu töten und zu essen."

Der Correbou startet am frühen Donnerstagmorgen (7.9.) gegen 8 Uhr.