Tomeu ist anders. Während sich die Artgenossen der gefleckten Weinberg­schnecke fleißig paaren, klappt es bei ihm nicht. Die große Liebe scheint der Mallorquiner auf der Insel nicht zu finden. Doch Tomeu ist nicht zu wählerisch, sondern hat eine seltene genetische Besonderheit: Er hat ein linksdrehendes Haus. Damit geht auch eine Spiegelung der Organe und eben der Geschlechtsteile einher. Die Paarung mit normalen Schnecken ist somit unmöglich. Über die Genetik der sogenannten Schneckenkönige ist nicht viel bekannt. Auch über die Häufigkeit dieses Phänomens sind sich die Forscher uneinig. Manche sagen, es betreffe eine von zehntausend Schnecken, andere eine von einer Million. Dank Tomeu könnte bald mehr bekannt sein.

Vor ziemlich genau einem Jahr entdeckte Miquel Salom den Schneckenkönig auf seiner Schneckenzucht mit angeschlossenem Restaurant Sa Caragolera in Binissalem. „Drei Tage zuvor hatte ich zufällig von Jeremy, einer linksdrehenden Schnecke in England gehört", erzählt Salom der MZ. Angus Davison von der Universität in Nottingham hatte einen Aufruf gestartet, um einen Paarungspartner für ihn zu finden. „Wenige Tage später habe ich ihm Tomeu geschickt", berichtet Salom.

Wie es der Zufall so will, wurde zeitgleich in Ipswich mit Lefty ein weiterer Schneckenkönig entdeckt. Vorbei war es mit dem Traum einer romantischen Partnerschaft. Fortan hieß es zu dritt: Kinder kriegen für die Wissenschaft. Zuerst klappte es vor sechs Monaten mit Lefty. Vor einem Monat gebar dann Tomeu auch die Kinder von Jeremy. Tragischerweise muss der Mallorquiner seinen Nachwuchs alleine aufziehen, denn kurze Zeit später verstarb Jeremy.

Alle Kinder von Jeremy, Lefty und Tomeu sind rechtsgewunden. „Davison sagte mir, das sei normal. Die genetische Besonderheit würde immer eine Generation überspringen", erzählt Salom. So warten nun die Forscher gespannt auf die Enkel. „Etwa in einem Monat dürfte der Nachwuchs von Tomeu und Lefty geschlechtsreif sein."

Ob die Schnecken dann ihren mallorquinischen Opa noch kennenlernen, steht dahin. Das britische Genomforschungs-Institut Wellcome Trust Sanger Institute hat acht Tierarten - darunter die Schneckenkönige, die Tomeu vertritt - bis zum 8. Dezember im Internet zur Wahl gestellt. Zu den Konkurrenten gehört eine Königslibelle, ein Katzenhai und eine Haselmaus. Wer die meisten Stimmen bekommt, dessen Genom wird entschlüsselt. Dafür müsste Tomeu eingefroren und somit getötet werden. „Natürlich wäre ich traurig", sagte Salom. „Aber andererseits würde er damit in die Geschichte eingehen." Hier kann man etwa per Facebook-Account für Tomeu stimmen.