Sind die Hufeisennattern auf Mallorca tatsächlich ein ernst zu nehmendes Problem oder übertreiben Fincabesitzer wie zum Beispiel im Gemeindegebiet Artà, wo man sich über immer mehr Begegnungen mit den bis zu 1,75 Meter großen Schlangen beschwert?

Um das herauszufinden, hat das balearische Umweltministerium 2017 zum ersten Mal Fallen aufgestellt, um einen Überblick über die Anzahl der Tiere zu bekommen. Das Ergebnis: Zwischen März und September wurden 155 Hufeisen- und Treppennattern gefangen. Nun fehlen für Mallorca die Vergleichszahlen, darum hat man Fangzahlen von Formentera herangezogen, wo bereits seit 2016 speziel­le Holzkäfige mit Ködermäusen aufgestellt wurden. Auf der Insel, die mit einer Fläche mit 83 Quadratkilometern nicht einmal halb so groß wie das Stadtgebiet von Palma ist (208 Quadratkilometer), wurden im vergangenen Jahr über 1.000 Nattern gefangen. Hier ging man auch deutlich konsequenter zu Werke: Allein im Gebiet von La Mola im Osten von Formentera wurden 200 Fallen aufgestellt. Auf ganz Mallorca waren es im Vergleich dazu 230.

Lange nicht in allen Gemeinden auf Mallorca kamen Fallen zum Einsatz. Dennoch erklärt Jorge Moreno, der im Umweltministerium für Artenschutz zuständig ist, dass es auf Mallorca keine Schlangen-Plage gebe. Er schätzt das Problem als „nicht besonders groß" ein. Auf den anderen Balearen-Inseln, wo ebenfalls Zählungen stattgefunden haben, würden zum Teil innerhalb von 24 Stunden sieben Mal häufiger Nattern gefangen als hier. Außerdem gehe von den Nattern keine Gefahr für Menschen aus, so Moreno. Die Tiere seien ungiftig und beißen üblicherweise höchstens zu, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen.

Moreno schiebt noch hinterher, dass man sich auf der größten Balearen-Insel durchaus an die Präsenz der Nattern ­gewöhnen müsse. Offenbar hätten sie sich gut an das Inselklima angepasst und hätten auf Mallorca so gut wie keine natürlichen Feinde. Jungtiere könnten allerdings Beute von Katzen, Möwen oder Reihern werden.

Dass die Nattern auf Mallorca offensichtlich ein angenehmes Leben haben, versetzt Jäger, Bauern und Fincabesitzer dennoch in Alarmbereitschaft. Pedro Vanrell, Präsident des balearischen Jagdverbandes ABEC und der Jägervereinigung Sa Guàtlera, versichert, dass die Schlangen sehr wohl eine Plage seien. Es könne daher nicht sein, dass das ­Ministerium das Thema ­einfach so abhake. Nachdem die Landesregierung unter anderen die Jäger mit dem Aufstellen und Leeren der Fallen beauftragt hatte, wollen diese jetzt damit weitermachen. Man hätte viel früher anfangen müssen, die Tiere zu kontrollieren, kritisiert Vanrell. Schließlich wurde bereits 2003 in Cala Ratjada die erste Hufeisennatter entdeckt, die, wie die nachfolgenden Exemplare auch, in den Wurzeln von Olivenbäumen vom Festland ihren Weg auf die Inseln gefunden haben könnten. Jahrelang habe man nur zugeschaut, statt etwas zu unternehmen.

Für Vanrell haben die 155 vom Ministerium gefangenen Schlangen auf Mallorca statistisch keinen Wert. Er hat Käfige gesehen, in denen am Tag drei Schlangen gefangen wurden. „Allein in Maria de la Salut mit 21 aufgestellten Käfigen haben wir 70 Schlangen gezählt", berichtet er. Die vom Ministerium verbreitete Zahl hält Vanrell für weit entfernt von der Wirklichkeit. Zum einen habe es viel zu wenige Fallen gegeben, zum anderen habe er von Bauern und Jägern immer wieder gehört, dass sie gefundene Schlangen töten und einfach liegen ließen, ohne dem Ministerium Bescheid zu geben. Die Dunkelziffer dürfte also weitaus höher liegen.

Die Schlangen, die gefangen und im besten Fall von einem Tierarzt getötet werden, landen häufig im Labor von Samuel Pinya an der Balearen-Universität. Der Professor für Ökologie erforscht die Schlangen, die auf den Inseln gefangen werden. Ziel ist, herauszufinden, welchen Einfluss die Reptilien auf die Tierwelt der Inseln haben. Außerdem dient das Schlangensezieren nebenbei auch der Ausbildung. Gut 20 Studenten durften bereits selbst Hand anlegen. Zwischen Juli 2016 und Juni 2017 hat Pinya insgesamt 1.412 Schlangen von den Balearen im Labor untersucht. Die größte war 1,73 Meter lang, die hungrigste hatte sieben Eidechsen im Magen.

Die Ernährung ist eines der drängendsten Themen für das Labor von Pinya - und für die Jäger. Wobei es laut dem Wissenschaftler derzeit nicht danach aussieht, dass die Schlangen auch Tiere fressen, auf die die Jäger aus sind. Vor allem erbeuten die Nattern kleinere Nagetiere, Eidechsen und andere Kleinreptilien sowie frisch geschlüpfte Vögel.

Im Sommer 2017 führte das Thema aufgrund der im Sommer erhöhten Aufmerksamkeit deutscher Medien für Mallorca-Angelegenheiten zu einem regelrechten Hype. Kaum eine Zeitung, die nicht von einer vermeintlichen Schlangenplage auf der Insel berichtete. Die Zeitschrift „Geo" war eine der wenigen Publikationen, die dem Thema ein wenig Wind aus den Segeln nahm. In einem Service-Artikel ließ sie den Biologen Tom Kirschey vom Naturschutzbund Deutschland zu Wort kommen. Er argumentierte auf der Linie des Umweltministeriums und hielt das Wort Plage für „stark übertrieben".