Als hätte jemand „Auf die Plätze, fertig, los!" gerufen, rennen 1.200 Hühner jeden Morgen um neun Uhr auf einmal los. Fast jedes von ihnen legt vorher im Stall noch ein Ei. Das ist die Lebensaufgabe der Tiere, die auf Can Goi auf dem Gemeindegebiet von Marratxí auf Mallorca ökologisch gehalten werden.

Das Federvieh legt seine Bioeier direkt nach dem Aufwachen. Dann hüpft es von den Stangen, auf denen es die Nacht verbracht hat und trippelt zur Mitte des Stalls, um in einer Art Verschlag die Eier zu legen. Von dort aus schafft ein Förderband die Eier in Sicherheit. Derzeit sind es rund 800 am Tag. Wenn die Tage länger werden, steigert sich die Produktion auf 1.000 Eier.

Von der Anlage in der Mitte des Stalls werden die Legehennen auch computergesteuert gefüttert. 120 Gramm Weizen, Mais und Gerste, gemischt und geschrotet, picken die Hühner täglich. Weil sie Bioeier liefern, darf nur Futter in die Mägen kommen, das von zertifizierten ökologisch angebauten Feldern stammt. Das hochpreisige Schrot stellt bei der Kalkulation des Eierpreises den größten Posten dar.

Das Wasser wird ebenfalls automatisch in kleine rote Teller geleitet, sodass die Tiere genügend Feuchtigkeit aufnehmen können. 200 Liter Wasser werden pro Tag in Can Goi benötigt. Hinzu kommt das kostenlose Grünfutter, das die Tiere morgens auf der Wiese sammeln. „Frische Kräuter fördern die Verdauung", berichtet Albert Bisquerra (45), der gemeinsam mit Rubén Chireli (43) die Biofarm betreibt. Beide arbeiteten in anderen Berufen und entschieden sich 2015 für ein geruhsames Leben auf dem Hühnerhof.

Jeden Morgen um 9 Uhr also bricht die Hühnerschar zu einem Ausflug auf den weiter vom Stall entfernten Teil des Feldes auf, wo jetzt die Margeriten in Gelb und Weiß blühen. Sie bleiben dort nie allzu lange, kehren meist schnell wieder zurück. Hühner neigen von Haus aus zur Ängstlichkeit, aber dort draußen ist tatsächlich Gefahr in Verzug. Über Can Goi kreisen Rotmilane. Immer wieder stürzen sie aus der Höhe herab, um einen der domestizierten Vögel zu krallen, mit dem Schnabel zu töten und dann zu fressen. Übrig bleiben nur Knochen und Federn.

Keine Vogelscheuchen oder wehende Fahnen können die Milane davon abhalten. Die beiden Hühnerzüchter müssen mit diesem Problem leben. Mittlerweile fürchten sich die Hühner auch vor Flugzeugen. Sind sie im Anflug, rennen die Hühner sofort in die Nähe des rettenden Stalls, wo alle Gräser abgefressen sind und allenfalls staubige Kuhlen zum Sandbad einladen. Flucht ist ihr einziger Schutz, denn die Legehühner können zwar fliegen - ihre Flügel sind nicht gestutzt -, doch für ein Entrinnen über den Zaun reicht ihre Kraft nicht aus.

So sie ihn denn genießen können, haben die Tiere reichlich Auslauf. Frei laufenden Hühnern - so die Norm - müssen vier Quadratmeter Auslauf unter freiem Himmel zur Verfügung stehen. Auf Can Goi hat jedes von ihnen zwölf. Dass die Tiere nicht das gesamte Areal nutzen, liegt zum Teil auch an ihrer Rasse. Es handelt sich um Lohmann-Brown-Hühner, die speziell für die industrielle Haltung, auch für Biohöfe, gezüchtet wurden. Das als besonders fleißig bekannte Legehuhn ist aus einer Kreuzung entstanden und zur Nachzucht ungeeignet. Die Hybriden sind unter Wärmelampen aus dem Ei geschlüpft, haben also auch nicht gelernt, mit einem Mutterhuhn gemeinsam auf einem Hof herum zu spazieren.

Anfang 2016 lieferte ein Biozuchtbetrieb aus Barcelona 1.200 Küken im zarten Alter von 16 Wochen. Innerhalb von eineinhalb Monaten gewöhnten sie sich ein. Die ersten Eier der Junghühner waren noch zu klein für die Ansprüche der Verbraucher. Seit sie groß genug sind, kommen die Bioeier in ein Nebengebäude, in dem sie maschinell nach Gewicht sortiert werden und einen Stempel mit dem Herkunftsnachweis bekommen (siehe Kasten).

Die Finca ist insgesamt vier Hektar groß. Auf dem Terrain, das von den Hühnern nicht genutzt wird, baut man die heimische Pa­prika pebre de tap cortí an, auch 250 Feigenbäume stehen hier. Nebenan entsteht ein neuer Stall mit Auslauf für weitere 1.200 Hühner - die Ankunft der Küken wird für Mai erwartet. Die Eier sind beliebt, die Zucht lohnt sich. Die Legehennen sind jedoch nur zwei Jahre produktiv, in dieser Zeit führen sie - von der Angst vor Greifvögeln abgesehen - ein gutes Leben. Danach gibt es für sie kein Gnadenbrot. Auf sie warten Biomärkte, bei denen ökologisch gesinnte Verbraucher sich ihr ­Suppenhuhn kaufen.