Am 23. April, dem Tag des Drachentöters Georg, hat auf den Balearen die Schlangen-Saison begonnen. Das Datum hat weniger mit dem Heiligen als vielmehr mit der Witterung zu tun: Ende April erwärmt sich die Luft und die Reptilien erwachen aus ihrer Winterstarre. Jetzt kriechen sie wieder durchs Gestrüpp, suchen Fressen und Geschlechtspartner.

Knapp 300 Fallen stehen seit dem 23. April auf Ibiza und Formentera für die eingeschleppten Hufeisen- und Treppennattern (Hemorrhois hippocrepis und Rhinechis scalaris) bereit. Die Tiere verbreiten sich seit ihrer Ankunft vor rund 15 Jahren unkontrolliert, erst seit 2015 werden sie gefangen. Sie haben keine Fressfeinde und machen sich über die einheimische Pityusen-Eidechse (Podarcis pityusensis) her. Das wollen das spanische Umweltministerium, die Balearen-Regierung und die Inselräte von Ibiza und Formentera verhindern.

Die Schlangenjagd auf Mallorca hat für die Behörden hingegen weniger Priorität. Dort gebe es ohnehin keine endemischen Echsen mehr, weil auf der größten Balearen-Insel schon seit 2000 Jahren Schlangen leben. Der Schaden sei also schon angerichtet, heißt es im Umweltministerium, das Hufeisen- und Treppennattern für Mallorca nicht als invasive Arten definiert. Sie werden deshalb nicht flächendeckend gefangen, wenngleich manche Gemeinden und Agrar-Genossenschaften Fallen verkaufen. 155 Exemplare gingen im vergangenen Jahr auf Mallorca in die Falle.

Auf Ibiza ist die Lage anders. Dort wird dieses Jahr wieder große Jagd gemacht. Alejandro Macías ist der Mann an der Front. Er kommt schon jetzt, bei mildem Frühlingswetter, ins Schwitzen. Der 23-Jährige arbeitet für den Inselrat als Schlangenfänger. Viele Ibizenker haben seine Handynummer. Wenn sie eine Natter sehen und gefangen haben, können sie ihn anrufen. Dann kommt er, beruhigt die Anrufer - „ihre Bisse sind total ungefährlich und tun kaum weh" - und entsorgt die Tiere.

An Schlangen sind Ibizenker nicht gewöhnt. „Wenn vor zehn Jahren jemand gesagt hat, er habe eine Schlange gesehen, hat ihm keiner geglaubt", sagt Macías. Das hätten die Insulaner besser tun sollen, denn dann wäre es vielleicht nicht zu der Verbreitung gekommen. Allein der Inselrat hat vergangenes Jahr 1.950 Tiere gefangen, dazu kommt die Dunkelziffer von Privatleuten.

Macías wacht auch über knapp 300 Fallen, die er und andere Mitarbeiter der balearischen Umweltbehörde verteilt haben. Er kennt die Schlangenplätze: „In der Nähe von Trockensteinmauern oder Wasser und da, wo Hühner oder Pferde gehalten werden," erzählt er am Steuer seines Geländewagens. Denn neben Echsen fressen die Nattern auch gerne Mäuse, und die leben da, wo Futter gestreut wird.

Plötzlich hält er. Wir sind in der Gegend von Sant Llorenç. Das GPS-System seines Handys zeigt den Standort einer Falle. Die meisten stehen im Inselnorden, hier leben auch die meisten Nattern: 2017 waren hier die Fallen schnell voll und aus der Gegend kamen viele Anrufe. Im Kofferraum hat er Wasser und Futter für die Mäuse, die in den Fallen leben. Er nimmt beides mit, dazu einen Handschuh, eine kleine schwarze Plastiktüte und einen Hammer.

Dann geht es ein paar Meter durchs Gestrüpp, am Rand eines Feldes entlang. Macías bückt sich und legt einen Holzkasten frei. Er ist nummeriert und besteht aus zwei Innenräumen, die durch ein engmaschiges Gitter getrennt sind. Links lebt eine Maus mit Futter und Wasserspender. In die rechte Seite führt ein Schlupfloch von außen hinein. Wir haben Glück. Dort liegt zusammengerollt eine junge Hufeisennatter.

Widerstandslos lässt sie sich von Macías aus dem Käfig holen. Er greift sie hinter dem Kopf, schlägt ihn einmal kurz auf einen Stein und klopft dann einmal gezielt mit dem Hammer drauf. Die tote Schlange kringelt sich noch kurz und hängt dann schlaff in seiner Hand. Er legt sie in die Tüte, später wird sie eingefroren. „Alle Schlangen werden in die Uni nach Palma geschickt, dort werden sie untersucht", sagt Macías.

Sant Llorenç gilt auf Ibiza als Ground Zero der Schlangenplage. Dort steht auf einer Anhöhe ein hoch eingezäuntes Gelände. Pferde, Steinmauern und viele Olivenbäume sind zu sehen. Es ist mittlerweile bekannt, dass die Schlangen kurz nach der Jahrtausendwende im Wurzelwerk alter Zierbäume vom Festland importiert wurden. „Auf die Finca durften wir nicht", sagt Víctor Colomar, Macías Chef, später in Ibiza Stadt, „vielleicht hätten wir das Problem dann früher lösen können." Der Tierarzt arbeitet im Artenschutz in der balearischen Umweltbehörde und ist auch für die Bekämpfung invasiver Arten zuständig. Es soll auf dem Anwesen wohl gewimmelt haben vor Schlangen, teilweise lagen sieben, acht Tiere in den Fallen rund um das Privatgelände.

Für die balearische Umweltbehörde hat das Problem diesen Sommer oberste Priorität. Drei Personen arbeiten daran. Dabei geht es um den Erhalt der einheimischen Echsen, aber auch um die Beruhigung der Bevölkerung. „Wenn wir eine Katzenplage hätten, wäre die Aufregung nicht so groß", sagt Colomar, „denn die meisten Menschen finden Katzen süß." Ausgewilderte Hauskatzen richten mehr Schaden an als Nattern. „Sie haben ein größeres Maul und fressen nicht nur Mäuse und Echsen sondern auch das Gelege von Bodenbrütern und Singvögel", sagt er.

Ausrotten kann man die Nattern auf Ibiza nicht mehr. Die Dezimierung, scheint aber zu gelingen. Laut Statistik hat sich die Zahl der gefangenen Schlangen von 2016 auf 2017 verdreifacht. Das bedeutet nicht, dass es immer mehr Schlangen gibt, im Gegenteil, denn 2017 gab es auch dreieinhalb Mal mehr Fallen, und die waren länger aufgestellt als im Vorjahr. Die Fangquote verglichen mit dem Aufwand hat in einem Jahr deshalb um knapp 15 Prozent abgenommen. Es seien weniger Schlangen in die Falle gegangen, weil es weniger gebe, folgert Colomar. Ein erster Erfolg.

Elba Montes sieht das anders. Die Umweltwissenschaftlerin lebt auf Ibiza und schreibt an ihrer Doktorarbeit zur Bekämpfung invasiver Schlangenarten auf Inseln. Sie ist pessimistisch. Man habe zu lange nichts getan, sagt sie. Und auch jetzt werde zu wenig unternommen. „Auf den Balearen werden noch immer Olivenbäume importiert und mit ihnen möglicherweise Schlangen," sagt sie. Seitdem bekannt ist, dass die Nattern schwimmen können und sich auch über die Unterarten der endemischen Echse auf den umliegenden Inselchen hermachen, glaubt sie nicht mehr an einen Sieg. „Ibiza hat ihre Unschuld verloren", sagt sie metaphorisch, „die Eidechsen werden verschwinden."

Wenn die Echsen weg sind, stehen andere Tiere auf dem Speiseplan. Montes kennt diese Entwicklung von der Pazifik-Insel Guam. Dort wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Baumschlangen aus Indonesien eingeschleppt. Erst in den 90er-Jahren begann der Kampf. Da war es schon zu spät: „Auf Guam hörst du keinen Vogel mehr", sagt Montes, „und der Wald ist voll riesiger Insekten."