Ein auf Mallorca entdecktes Wal-Fossil hat gute Chancen, in die Geschichte einzugehen - zumindest in die Forschungsgeschichte der sogenannten „Salzkrise im Mittelmeer". In einem Steinbruch zwischen Portocolom und Felanitx schlummerte, eingebettet in Stein, über Millionen von Jahren der womöglich letzte Wal, bevor das Mittelmeer für lange Zeit austrocknen sollte. Das zumindest nimmt ein internationales Geologen-Team an. Der Fund des versteinerten Wal-Schädels bestätige die von einigen Geologen vertretene These, dass sich die Salzkrise in mindestens zwei klar voneinander getrennten Phasen vollzog, so die Wissenschaftler in einer Präsentation auf dem „Palaeontological Virtual Congress". Jedenfalls handelt es sich um das bisher einzige aus dem Messinium stammende Wal-Fossil des Mittelmeers.

Um die Aufregung der Gelehrten zu verstehen, sollte man wissen, dass im Süden der Insel seit Langem ein ganz besonderer Stein abgebaut wird - der sogenannte Santanyí-Oolith-Kalkstein. Dabei handelt es sich um ein Sediment, das vor rund 5,7 Millionen Jahren entstand. Die Forscher gehen davon aus, dass das Mittelmeer zu dieser Zeit vom Wasserzufluss aus dem Atlantik abgeschnitten war. Auf gut Deutsch: Die Meerenge von Gibraltar war verstopft. Das Mittelmeer verdunstete, der Salzgehalt stieg stark an. Die Tiere starben. Dass man jetzt in dem Santanyí-Gestein dennoch den Schädel eines Wals fand, war also eine Sensation. „Wale reagieren sehr empfindlich auf die Veränderung des Salzgehalts", weiß Guillem Mas, der bereits seine Doktorarbeit über die Salzkrise im Balearen-Becken geschrieben hatte und nun auch das Fossil entdeckte.

Der Wal-Schädel stützt die Theorie, dass der Wasserspiegel in einer ersten Phase der Krise nur um etwa 200 Meter absank, erklärt Mas im Gespräch mit der MZ. Dann floss wieder Frischwasser aus dem Atlantik ins Mittelmeer, der Bestand der Wale muss sich vorübergehend erholt haben. Erst dann, in einer zweiten Phase, trocknete das Mittelmeer komplett aus. So etwas kann - verhältnismäßig - fix gehen, etwa in ein paar Zehntausend Jahren. „An einigen Stellen des Mittelmeers liegt unter dem Grund eine vermutlich ein Kilometer ­dicke Salzschicht. Wahrscheinlich floss also immer wieder Salzwasser nach, das dann wieder vertrocknete", so Mas.

Per Zufall entdeckt

Im Vergleich zu solch immensen Zeitabschnitten verlief die Erforschung des auf Mallorca entdeckten Fossils übrigens ziemlich schnell. Gefunden wurde es von den Brüdern Salvà, die einen Steinbruch bei S'Horta (Gemeinde Felanitx) betrieben - im Jahr 1991. Dass das Stück nicht in den Verkauf ging, lag an einem Unternehmer aus Llucmajor, Josep Sacrarès. Er sah sich den Steinklotz an, und da er etwas von Geologie verstand, erkannte er das Fossil als etwas Besonderes. Er ließ sich den Block komplett auf seine private Finca in Llucmajor bringen - wo dieser dann wieder fast drei Jahrzehnte unentdeckt liegen blieb. Den Brüdern vom Steinbruch riet er, das andere Ende des Schädels, der noch in der Wand im Steinbruch steckte, lieber nicht anzurühren.

Drei Jahrzehnte später

„Vor einem halben Jahr habe ich meinen Freund Josep in Llucmajor besucht und sehe diesen Stein", erklärt Mas. Aufgrund seiner Doktorarbeit war ihm sofort klar, dass es sich um eine Sensation handelte. Denn im Santanyí-Kalkstein gibt es aufgrund der Salzkrise eben eigentlich keine großen Fossilien. Mas machte Fotos und untersuchte die Stelle im Steinbruch, in dem der andere Schädel-Teil noch immer in der Wand steckt. Er hielt Rücksprache mit seinem Kollegen Michelangelo Bisconti vom Naturhistorischen Museum im kalifornischen San Diego. Dann war klar: Es handelt sich um einen Bartenwal, vermutlich um ein Exemplar aus der Familie der Furchenwale, vergleichbar mit einem heute lebenden Minkwal (Balaenoptera acutorostrata). Und der Abgleich mit anderen Wal-Schädeln ergab, dass es sich um ein etwa acht Meter langes Tier handelte, das zu Lebzeiten einmal sieben oder acht Tonnen auf die Waage brachte.

Wie es nun mit der Forschung weiter­gehen könnte, ist nicht ganz klar. Eine Computer­tomografie soll jetzt weitere Aufschlüsse über den Meeressäuger und seine Vergangenheit geben. „Zunächst wollen wir den Stein­brocken ins Meeresforschungs­institut Imedea nach Esporles bringen. Allerdings wissen wir gerade noch nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen. Der Klotz wiegt fast eine Tonne", sagt Guillem Mas.