Auch in Spanien ist das Aussterben von Wild­insekten offenbar dramatisch. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat deshalb kürzlich einen Maßnahmenkatalog veröffentlicht, der dieser verhängnisvollen Entwicklung Einhalt gebieten soll. „Wildinsekten bestäuben Pflanzen häufiger als bisher angenommen", sagt Anna Traveset, Leiterin des Laboratorio Terrestre im Forschungsinstitut Imedea in Esporles und Mitunterzeichnerin des Katalogs.

Die Studie richtet sich an die Verantwortlichen für Landwirtschaft, aber auch an die Gesellschaft. „Was man nicht kennt, kann man nicht schützen", sagt die Botanikerin, die auch an dem didaktischen Programm für die Besucher des Botanischen Gartens in Sóller (JBS) beteiligt war. Im Mittelpunkt steht dort ein fünfstöckiges Insektenhotel. Wobei die Bezeichnung Habitat oder Herberge treffender sei, meint Josep Lluis Gradaille, Leiter des JBS: „Insekten machen keine Ferien und brauchen auch kein Hotel."

Die Bedrohung

Die Datenerfassung wild lebender Bestäuber ist spärlich. Als gesichert gilt, dass auf der Iberischen Halbinsel und den Balearen mehr als 1.100 Wildbienenarten unterwegs sind. In Katalonien zählen Insektenforscher seit 1990 nach britischem Vorbild Schmetterlinge. Ihren Studien zufolge hat sich die Zahl der mariposas seither pro Jahrzehnt um zwanzig Prozent verringert.

Als Ursachen gelten Bebauung, Intensivlandwirtschaft sowie Herbizide und Pestizide. Aber auch invasive Flora und Fauna, die das Zusammenleben von Pflanzen und Insekten aus dem Gleichgewicht bringen, können viel Schaden anrichten.

Wie sich die durch die Klimaerwärmung ausgelösten Wetterextreme auf die Insektenpopulation auswirken werden, lässt sich erahnen: Überschwemmungen werden Erdhabitate zerstören, in denen bevorzugt Solitärbienen nisten. Herrscht dagegen Wassermangel, gehen Pflanzen ein, und die mit ihnen in Symbiose lebenden Insekten sterben an mangelnder Nahrung. Ebenso, wenn sich durch Dürre und Wassermangel die Nektarproduktion ­reduzieren sollte.

Pflanzenvielfalt

Sind viele Pflanzenarten im Angebot, wächst die Population der Wildinsekten. So berichtet Traveset beispielsweise von Mandelplantagen auf Mallorca, auf denen spontan Blühpflanzen wuchsen, die die Zahl der Bestäuber und des Ernteertrags sogar erhöhten.

Auch in Gärten und Parks, ja sogar in Städten können einheimische Gewächse Wild­insekten anziehen. Pflanzenkorridore können die Diversität zwischen großen Feldern fördern. Je seltener Hecken oder Bäume gestutzt werden, desto mehr Nistplätze bieten sie. Schutz für Habitate der Insekten bieten auch Blätter und Äste, die am Boden liegen bleiben.

Auch die Pflanzenvielfalt am Straßen- und Wegesrand ist wichtig. Der größte Inselschmetterling etwa, der Schwalbenschwanz, legt seine Eier auf die Blätter des Wilden Fenchels oder der Wilden Karotte. Werden die Pflanzen gemäht oder durch Gifte vernichtet, verhindert das die Vermehrung der mit ihnen in Symbiose lebenden Insekten. Die Unterzeichner des Maßnahmenkatalogs fordern deshalb einen weitgehenden Verzicht auf Herbizide und Pestizide und im Gegenzug den Ausbau ökologischer Flächen.

Insekten auf dem Lehrplan

Wenn Schüler den Botanischen Garten besuchen, stehen sie nicht nur vor dem Insektenhotel, sondern auch vor vier Schautafeln, auf denen einheimische Insekten-Gattungen dargestellt sind. Eine von ihnen widmet sich den Hautflüglern, zu denen unter anderem Hummeln und Bienen zählen. Auf einer zweiten Tafel sind Zweiflügler versammelt. Zu ihnen gehören die Schwebfliegen, die mit ihrem Flügelpaar so schnell schlagen, das sie in der Luft stehen bleiben können. Die dritte Tafel ist den Käfern gewidmet, die innerhalb der Insekten die größte Gruppe ausmachen. Diese Gattung fliegt mit dem vorderen Flügelpaar, das von den hinteren geschützt wird.

Auf der vierten Informationstafel sind die Schmetterlinge abgebildet. Man unterscheidet sie in Tag- und Nachtfalter. Beide sind mit Rüsseln ausgestattet, zum Landen benötigen sie einen horizontalen Landeplatz. Auf ihren zwei Flügelpaaren bilden Tausende von farbigen Schuppen Zeichnungen, durch die sie sich leicht bestimmen lassen.

Welche von den Insekten sich im „Hotel" des JBS einnisten werden, muss sich noch zeigen. Als einer der ersten Gäste fand sich eine Pelzbiene ein. Ihr Nistplatz kann von den Botanikern in den transparenten Röhrchen hinter den Holzwänden beobachtet und wissenschaftlich ausgewertet werden. Erfahrungs­gemäß nisten einige wenige Arten in den Nistkästen. Ein Ersatz für die Maßnahmen, die von den Wissenschaftlern vorgeschlagen wurden, sind sie jedoch nicht.

Die Zeichnungen auf den Schautafeln gibt es als Broschüre zum Herunterladen. Die botanischen Namen der Wildinsekten erleichtern die Bestimmung: unter www.jardibotanicdesoller.org „Activitats escolares" anklicken. Das Dokument heißt: „Els pol·linitzadors, peces clau de la Biodiversitat".