Eine Spinne krabbelt auf dem Küchenboden entlang und sucht nach etwas zum Fressen. Sie ahnt nicht, dass sie aus dem dunklen Hinterhalt beobachtet wird und selbst auf der Speisekarte steht. Die Spinne nähert sich der Waschmaschine. Unter dem Gerät betrachten sie zwei Augen. Dann schießt der Gecko hervor und verschlingt die Spinne mit einem Bissen.

So schnell er aus seinem Versteck geschossen war, so schnell hat er sich auch wieder verkrochen. So manch einem Neumallorquiner ist jetzt ein lang gezogenes „Iiiieh" aus der Kehle entronnen. „Das ist ein Glücksfall", meint hingegen Miguel Ángel Miranda, Professor für Zoologie an der Balearen-Universität. Schließlich seien die kleinen Echsen mit der großen Haftkraft die perfekten Mitbewohner.

Die hohen Temperaturen im Sommer liegen den Geckos. „Da es in diesem Jahr heißer ist als im Vorjahr, kann es schon sein, dass es mehr Geckos gibt", sagt Miranda. „Studien über die Population gibt es auf Mallorca derzeit aber nicht." Fest steht: Der Mauergecko (span. salamanquesa común, lat. tarentola mauritanica) ist inselweit heimisch. Die Echsenart hat sich ursprünglich im Mittelmeerraum verbreitet und sich auch nicht wieder vertreiben lassen. Neben dem Mauergecko ist hin und wieder der Europäische Halbfinger (span. salamanquesa rosada, lat. hemidactylus turcicus) auf Mallorca anzutreffen. „Der ist aber selten. Von ihm habe ich bislang nur wenige Exemplare gesehen", sagt Miranda.

Langfristig die Farbe dem Untergrund anpassen

Der Mauergecko ist mit einer Länge von bis zu 16 Zentimetern etwas größer als der Europäische Halbfinger (zwölf Zentimeter). „Der Kopf ist auch breiter", sagt Miranda. Der auffälligste Unterschied ist jedoch die Farbe. Der Mauergecko zeigt sich meist in Graubraun, der Europäische Halbfinger hat noch einen Rotstich. „Die Geckos können langfristig ihre Farbe dem Untergrund anpassen. Natürlich nicht so schnell wie ein Chamäleon", sagt Miranda.

Die beiden Geckoarten bevorzugen eigentlich den ländlichen Raum. „Dort sind sie auf felsigem Untergrund anzutreffen. Aber sie sind anpassungsfähig und können auch in der Stadt überleben." Es ist ein bisschen Abwägungssache für die Geckos. Auf dem Land finden sie mehr zu fressen, dafür gibt es dort auch mehr Raubvögel, die ihre natürlichen Feinde sind. Andererseits gibt es in der Stadt viele Katzen.

Bei Gefahr den Schwanz abwerfen

Wie Eidechsen beherrschen Geckos die Autotomie, also die Fähigkeit, bei Gefahr den Schwanz abzuwerfen. Dieser zappelt dann ein paar Sekunden weiter und soll den Angreifer ablenken, während der Gecko sich aus dem Staub macht. „Das funktioniert über einen Muskel, der den Schwanz sauber abtrennt und verhindert, dass es blutet", erklärt Miranda. „Der Schwanz wächst ohne Knochen wieder nach, etwa 0,7 Millimeter pro Tag. Die Länge des Originals erreicht er aber nicht. Die Geckos können ihren Schwanz auch nur einmal abwerfen."

Die Geckos werden in der Dämmerung aktiv. Tagsüber chillen die Tiere in der Sonne, tanken Energie oder verstecken sich. Am Abend kommen sie raus und gehen auf Nahrungssuche. Künstliche Lichtquellen ziehen viele Fluginsekten an und diese wiederum die Geckos. Daher sind die Reptilien oft in der Nähe von Lampen zu finden, wo sie darauf warten, dass die Mahlzeit zu ihnen kommt. „Sie gehen aber auch aktiv auf die Jagd", sagt Miranda. Neben Motten, Fliegen und Spinnen stehen auch Mücken auf dem Speiseplan. „Auf dem Land fressen sie auch kleine Kakerlaken. Die Kakerlaken in der Stadt sind zu groß."

Daher rät der Zoologe auch dazu, quasi jeden Gecko mit einem Willkommensdrink zu begrüßen. „Sie sind völlig harmlos, fressen nervige Insekten, übertragen keine Krankheiten und lassen unser Essen in Ruhe. Zudem sind sie scheu und nehmen vor dem Menschen Reißaus."

Viele Vorurteile gegen Geckos

Dennoch ist nicht jeder über den letztlich doch ungebetenen Gast zufrieden. „Die Geckos haben einen schlechten Ruf", sagt Miranda. „Viele Vorurteile haben mit ihrer fantastischen Kletterfähigkeit zu tun. Manche Menschen behaupten, dass die Geckos von den Wänden in die Haare fallen, sich dort verfilzen oder auf dem Arm auf der Haut kleben bleiben. Das ist wissenschaftlich gesehen völliger Unsinn."

An der Unterseite ihrer Zehen tragen die Geckos Lamellen, die wiederum mit feinen Härchen versehen sind. Beim Klettern an einer Wand oder Decke entwickeln sich zwischen den Härchen und dem Untergrund molekulare Anziehungskräfte. Als Van-der-Waals-Kräfte bekannt, sorgen sie für eine gute Haftung.

Im Internet gibt es einige Ratschläge, wie man die Geckos - so man es denn will - aus den eigenen vier Wänden vertreibt. Über die Methode, Eierschalen liegen zu lassen, die den Geckos die Präsenz von Raubvögeln vorgaukeln sollen, muss Miguel Ángel Miranda schmunzeln. „Ich glaube nicht, dass das funktioniert." Andere Tipps sind gar verboten. Denn Anleitungen, um Giftköder herzustellen, sollten keinesfalls befolgt werden. „Wie die komplette Fauna auf den Balearen stehen auch die Geckos unter Artenschutz."

In der Natur aussetzen verboten

Theoretisch ist auch das Einfangen und in der Natur aussetzen verboten. „Zwar wird kaum jemand einen Strafzettel wegen eines freigelassenen Geckos ausstellen", meint ein Mitarbeiter der Artenschutzbehörde Cofib. „Aber die Echsen zählen als wilde Tiere, und die Menschen dürfen sie in ihrem natürlichen Lebensraum nicht stören. Wenn sie sich in einem Haus eingenistet haben, ist das dann halt auch ihr Zuhause." Der Mitarbeiter weist ebenfalls nachdrücklich darauf hin, dass ein Gecko in den eigenen vier Wänden nur Vorteile bietet. Die Tiere dürfen natürlich ebensowenig in der Natur gefangen und zu Hause in ein Terrarium gesteckt werden.

Wenn ein Mauergecko nicht zuvor von einem Vogel oder einer Katze erwischt wird, hat er eine Lebenserwartung von etwa acht Jahren. Bis in den Herbst werden die Tierchen noch quicklebendig über die Häuserwände auf der Insel huschen. Sinken die Temperaturen, schalten die Geckos in den Ruhemodus. „Da es auf Mallorca im Winter meistens aber mild bleibt, gibt es auch dann Tage, an denen die Geckos aktiv werden", sagt Miranda. So kann man sich auch in den kalten Monaten die Kosten für ein Insektenspray sparen und auf die umweltfreundliche Alternative hoffen.